Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Einkünfte, die ein Steuerpflichtiger aus einem der in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgeführten Berufe ähnlichen Beruf erzielt, sind keine steuerbegünstigten Nebeneinkünfte im Sinne von § 34 Abs. 4 EStG.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Einkünfte des Bf. aus selbständiger Arbeit gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1955 einem ermäßigten Steuertarif unterliegen.

Der Bf., der vor seiner im Jahre 1947 erfolgten Zurruhesetzung mit dem Dienstrang eines Amtmanns Leiter der Bauabteilung eines Ortsamtes war, betätigte sich danach zunächst freiberuflich als Architekt. Seit 1949 arbeitet er ebenfalls freiberuflich für eine Sparkasse. Seine Aufgabe besteht im wesentlichen darin, Gebäude zu schätzen und Gutachten über bauliche Anlagen abzugeben, um der Sparkasse Beleihungsunterlagen zu verschaffen. Im Jahre 1955 erzielte der Bf. aus dieser Tätigkeit Einkünfte in Höhe von 6.401 DM. Das Finanzamt lehnte seinen Antrag, diese Einkünfte dem ermäßigten Steuertarif nach § 34 Abs. 4 EStG 1955 zu unterwerfen, auch in der Einspruchsentscheidung mit der Begründung ab, daß es sich bei den Einnahmen des Bf. insoweit nicht um Nebeneinkünfte im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG, sondern um berufliche Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG handle. Die Tätigkeit habe zwar wissenschaftlichen Charakter; sie werde aber auf der gleichen Grundlage wie die für einen Architekten typische Tätigkeit ausgeübt.

Auch der Berufung blieb der Erfolg versagt. Das Finanzgericht ging hierbei davon aus, daß selbst bei unterstelltem wissenschaftlichen Charakter der Tätigkeit des Bf. § 34 Abs. 4 EStG nicht anzuwenden sei, weil sie als freie Berufstätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG angesehen werden müsse. Im übrigen sei diese Tätigkeit des Bf. auch nicht als wissenschaftliche anzuerkennen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist gleichfalls nicht begründet.

Tarifbegünstigte Nebeneinkünfte im Sinne von § 34 Abs. 4 EStG 1955 sind die Einkünfte aus einer selbständig ausgeübten wissenschaftlichen, künstlerischen oder schriftstellerischen Tätigkeit, soweit sie neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder einer anderen freien Berufstätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG bezogen werden und zusammen mit den übrigen Einkünften niedriger sind als die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder der anderen freien Berufstätigkeit. Dabei entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß die praktische Berufsarbeit bei den in dem Katalog des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG namentlich aufgeführten typischen freien Berufen in der Regel nicht der wissenschaftlichen Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG und § 34 Abs. 4 EStG gleichgestellt werden kann, selbst wenn diese auf wissenschaftlicher Grundlage und Vorbildung beruht (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 171/55 U vom 6. Dezember 1956, BStBl 1957 III S. 129, Slg. Bd. 64 S. 338; VI 48/55 U vom 3. Mai 1957, BStBl 1957 III S. 227, Slg. Bd. 64 S. 604, und IV 162/60 U vom 6. Oktober 1960, BStBl 1961 III S. 2, Slg. Bd. 72 S. 4). Diese Rechtsprechung, an der der Senat auch für den vorliegenden Fall festhält, erkennt damit allgemein Einkünfte nicht als Nebeneinkünfte im Sinne von § 34 Abs. 4 EStG an, die ein Steuerpflichtiger bei Ausübung eines Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG erzielt. Der Senat trägt keine Bedenken, hierzu nicht nur die in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG namentlich aufgeführten Berufe, sondern auch - entsprechend dem dort gemachten Zusatz - die diesen "ähnlichen Berufe" zu rechnen. Der Senat befindet sich dabei in übereinstimmung mit dem Urteil des VI. Senats des Bundesfinanzhofs VI 29/59 S vom 24. April 1959 (BStBl 1959 III S. 193, Slg. Bd. 68 S. 504). Dort wird als Beruf im Sinne der vorstehenden Ausführungen u. a. der eines Betriebsberaters und Betriebsorganisators genannt, mithin ein im Katalog des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG nicht namentlich aufgeführter Beruf.

Für die Entscheidung des Streitfalles ist demnach von wesentlicher Bedeutung, ob der Bf. im Veranlagungszeitraum 1955 den Beruf eines Architekten oder zumindest eine der Tätigkeit eines Architekten ähnliche Tätigkeit ausgeübt hat. Insoweit hat die Vorinstanz die begehrte Tarifvergünstigung schon deshalb zu Recht versagt, weil die gutachtliche Tätigkeit des Bf., wenn sie nicht schon zum typischen Berufsbild eines Architekten gehört, so doch zumindest eine der Tätigkeit eines Architekten ähnliche Tätigkeit darstellt. Die Vorinstanz befindet sich insoweit auch im Einklang mit dem Urteil des Senats IV 6/53 U vom 4. Februar 1954 (BStBl 1954 III S. 147, Slg. Bd. 58 S. 618), als dort die gutachtliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, die auf den gleichen Grundlagen der für einen Architekten typischen Tätigkeit beruht, eine der Tätigkeit eines Architekten ähnliche Tätigkeit darstellt. Diese Würdigung der Vorinstanz ist nach dem von ihr festgestellten Sachverhalt um so weniger zu beanstanden, als die Aufgabe des Bf. im wesentlichen darin besteht, Gebäude zu schätzen und Gutachten über bauliche Anlagen abzugeben, um der Sparkasse Beleihungsunterlagen zu verschaffen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese gutachtliche Tätigkeit des Bf. auf den gleichen Grundlagen wie die für einen Architekten typische Tätigkeit beruht. Dieser Tätigkeitsbereich zählt zu dem eines beratenden Architekten, der seinen Beruf nicht in der Weise ausübt, daß er vornehmlich Bauten plant und Bauausführungen beaufsichtigt. Er wird vorwiegend beratend als technischer Experte im Bau- und Grundstückswesen, so auch als Gutachter für seine Auftraggeberin, die Sparkasse, tätig. Das Berufsbild des beratenden Architekten ist aber zumindest dem eines Architekten ähnlich. So wird auch in der bereits erwähnten Entscheidung IV 6/53 U (a. a. O.), ausgehend von einem Gutachten des Prof. Spitaler vom 20. Oktober 1952, darauf hingewiesen, daß es schon seit Jahren eine große Anzahl von Architekten gebe, die ihren Beruf nicht in der Weise ausübten, daß sie vornehmlich Bauten planten und Bauausführungen beaufsichtigten, sondern ganz überwiegend als Gutachter für technische Fragen des Bauwesens tätig seien und daß bereits annähernd 10 v. H. der hochschulmäßig gebildeten Architekten überwiegend eine Tätigkeit als technische Experten ausübten. Die gutachtliche Tätigkeit des Bf. gehört demnach zu seiner praktischen Berufsarbeit. Es kann ihm daher schon aus diesem Grunde die von ihm für die Einkünfte aus der Gutachtenerstattung in Anspruch genommene Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG 1955 nicht zugebilligt werden, ohne daß es noch eines Eingehens auf die Frage bedarf, ob die vom Bf. ausgeübte Tätigkeit wissenschaftlicher Art ist. Dieser rechtlichen Beurteilung steht auch nicht entgegen, daß der Bf. im Veranlagungszeitraum 1955 daneben eine Pension, also Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, bezogen hat. Für Nebeneinkünfte eines Pensionärs aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit ist die Vergünstigung gleichfalls zu versagen, wenn diese Tätigkeit wie hier im Rahmen eines Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG ausgeübt wird (vgl. das Urteil VI 29/59 S, a. a. O.).

Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1962, 385

BFHE 1963, 325

BFHE 75, 325

StRK, EStG:34/4 R 8

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