Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der württembergische Bezirksnotar ist mit den Einnahmen aus der unter die notarische Rechtsbetreuung fallenden Ratserteilung und der Anfertigung von Urkundenentwürfen ohne nachfolgende Beurkundung oder Beglaubigung umsatzsteuerpflichtig.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 1, 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der württembergische Bezirksnotar mit den Entgelten, die für die Ratserteilung und für die Anfertigung von Entwürfen ohne nachfolgende Beurkundung im Jahre 1949 vereinnahmt hat, umsatzsteuerpflichtig ist. Die Vorinstanzen haben die Steuerpflicht bejaht. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Beschwerdeführer (Bf.) geltend, daß die Ratserteilung und die Anfertigung bloßer Entwürfe zu den Aufgaben des Bezirksnotars in seiner Eigenschaft als öffentlicher Notar gehörten und somit nicht steuerbare öffentlich-rechtliche Aufgaben seien. Als Bezirksnotar sei er Beamter des württembergischen Staates, als solcher unselbständig und deshalb nicht Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes. Auch deshalb könne er mit den Einnahmen aus dieser Tätigkeit nicht zur Umsatzsteuer herangezogen werden.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. ist der Erfolg zu versagen.

Zunächst erscheint es zweifelhaft, ob die Rb. zulässig ist, da der Wert des Streitgegenstandes für 1949 nur 67 DM beträgt. Nach § 286 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 6 Abs. 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1950 S. 257) ist die Rb. nur dann zulässig, wenn der Wert des Streitgegenstandes höher ist als 200 DM oder wenn das Finanzgericht die Rb. wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat. Weder in der Urteilsformel noch in den Gründen aber hat die Vorinstanz zum Ausdruck gebracht, daß sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Rb. zulassen will, im Urteilsausspruch hat sie lediglich formularmäßig ausgesprochen, daß gegen das Urteil die Rb. zulässig ist (vgl. hierzu Urteil des Reichsfinanzhofs III A 221/34 vom 15. November 1934, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1934 S. 1572). In den Akten des Finanzgerichts befindet sich jedoch außer dem Urteil noch eine "Entscheidung des Finanzgerichts" vom gleichen Tage wie das Urteil, in der nur der Urteilsausspruch enthalten ist, die Sache aber als von grundsätzlicher Bedeutung erklärt wird. Der erkennende Senat nimmt an, daß die Aufnahme dieser Erklärung im Urteil selbst versehentlich unterblieben ist. Er hat aus diesem Grunde keine Bedenken, die Rb. als zulässig zu erachten.

Unbestritten ist, daß der württembergische Bezirksnotar festbesoldeter Beamter nach Landesrecht ist. Auf ihn trifft deshalb die Reichsnotarordnung vom 13. Februar 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 191) und die sich aus dieser Verordnung ergebende umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Tätigkeit von Notaren nicht zu (vgl. Gutachten des Reichsfinanzhofs Gr.S. D 4/42 vom 24. Oktober 1942, RStBl. 1942 S. 1057, letzter Abs. des Gutachtens). Sein Rechtsverhältnis ist in dem Württembergischen Ausführungsgesetz zum BGB und zu anderen Reichsjustizgesetzen (AGBGB) vom 29. Dezember 1931 geregelt (Regierungsblatt für Württemberg 1931 S. 545 ff., insbesondere S. 551 und 568). Danach nimmt der württembergische Bezirksnotar eine Doppelstellung ein. Er hat einmal die Stellung eines richterlichen Beamten, der das Nachlaß- und Vormundschaftsgericht verwaltet und die Verrichtungen des Grundbuchbeamten wahrnimmt (Art. 12 AGBGB). Er hat ferner das Amt eines öffentlichen Notars inne, der öffentlich-rechtliche Beurkundungen vornimmt und sonstige üblicherweise in den Aufgabenkreis eines öffentlichen Notars fallende Geschäfte besorgt (Art. 95, Art. 106 AGBGB). Die Ratserteilung und die Anfertigung von Entwürfen ohne nachfolgende Beurkundung, die unter die vorsorgende notarische Rechtsbetreuung fallen, sind in diesen Bestimmungen im Gegensatz zur Reichsnotarordnung nicht besonders aufgeführt. Man wird aber mit dem Steuerpflichtigen (Stpfl.) davon ausgehen müssen, daß diese Tätigkeit unter "die nach bestehender übung in den Kreis von öffentlichen Notaren besorgten Geschäfte" (Art. 106 Abs. 1 letzter Halbsatz AGBGB) fällt. Für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung dieser mehrere Aufgaben erfüllenden Tätigkeit des württembergischen Bezirksnotars ist es erforderlich, jede dieser Tätigkeiten für sich daraufhin zu prüfen, ob sie unter das Umsatzsteuergesetz fällt oder nicht.

Grundsätzlich unterliegen nach dem Umsatzsteuergesetz alle Leistungen, die ein Unternehmer innerhalb seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit selbständig ausübt, der Umsatzsteuer (§§ 1, 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1934). Nur soweit Ausübung der öffentlichen Gewalt in Betracht kommt, liegt nach § 2 Abs. 3 UStG eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht vor und damit entfällt auch die Steuerpflicht. Ausübung der öffentlichen Gewalt im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist nach der ständigen Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn der Leistende dem Leistungsempfänger als Hoheitsträger gegenübertritt und die Leistung dem Leistenden in seiner Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist (vgl. Gutachten des Reichsfinanzhofs V D 1/37 vom 9. Juli 1937, Slg. Bd. 42 S. 253, RStBl. 1937 S. 1306). Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, liegen für das Umsatzsteuerrecht öffentlich-rechtliche Aufgaben vor, deren Erfüllung nicht steuerbar ist. Der Umstand allein, daß einem Beamten Aufgaben übertragen sind, kann demnach entgegen der Auffassung des Bf. nicht ohne weiteres diese Aufgaben zu nicht umsatzsteuerbaren öffentlich-rechtlichen Aufgaben machen. Die Voraussetzungen für die Annahme der Ausübung der öffentlichen Gewalt sind unbestritten gegeben hinsichtlich der Tätigkeit des Bezirksnotars als richterlichen Beamten in Vormundschafts-, Nachlaß- und Grundbuchsachen und in den hiermit unmittelbar zusammenhängenden Notariatsgeschäften, und ferner hinsichtlich der Beurkundungstätigkeit des Notars. Da der Notar als Beamter in den Staatsorganismus eingegliedert ist, übt die öffentliche Gewalt hierbei der württembergische Staat durch den Bezirksnotar aus. Die hier streitige Ratserteilung und Anfertigung von Entwürfen ohne nachfolgende Beurkundung kann aber schon deshalb nicht als Ausübung der öffentlichen Gewalt im Sinne des Umsatzsteuerrechts angesehen werden, weil diese Tätigkeit dem Hoheitsträger nicht vorbehalten ist. Zwar hat der Reichsfinanzhof wiederholt ausgesprochen, daß ein ausschließlicher Vorbehalt nicht notwendig ist, daß aber doch ein Vorbehalt in ganz erheblichem Umfange gegeben sein muß, wenn Ausübung der öffentlichen Gewalt anerkannt werden soll (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 12/41 vom 11. Juni 1941, RStBl. 1941 S. 847). Die hier in Frage kommende Tätigkeit wird aber, worauf die Vorinstanz bereits hingewiesen hat, in der Hauptsache von Rechtsanwälten oder öffentlichen Notaren, die nicht Bezirksnotare sind, ausgeübt. Deshalb muß davon ausgegangen werden, daß die streitige Tätigkeit der Ratserteilung und der Entwurfsanfertigung der Umsatzsteuer unterliegen. Der Umstand, daß ein Teil der dafür vereinnahmten Gebühren an den Staat fällt, ändert hieran nichts (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 295/35 vom 27. März 1936, RStBl. 1936 S. 627). Es fragt sich nun, wie auch die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ob der württembergische Staat oder der Bezirksnotar für die aus dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen steuerpflichtig ist.

Der Bf. macht geltend, daß er die in Frage kommende Tätigkeit in seiner Eigenschaft als öffentlicher Notar ausübe, auch als solcher Beamter und damit unselbständig sei. Der Bf. übersieht aber, daß die Beamteneigenschaft allein nicht hindern kann, daß der Beamte neben der unselbständigen Stellung auch noch eine selbständige Stellung einnimmt. Die Unselbständigkeit der Beamtenstellung kann nur so weit reichen, als der Beamte Dienstgeschäfte verrichtet, d. h. Geschäfte, zu deren Ausführung er von einer übergeordneten Stelle angewiesen werden kann. Diese für den Beamten mögliche Doppelstellung der umsatzsteuerlichen Unselbständigkeit und Selbständigkeit ergibt sich eindeutig aus § 2 Abs. 2 Ziff. 1 UStG 1934, wonach die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt wird, soweit natürliche Personen einem Unternehmen derart eingegliedert sind, daß sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Soweit sie also nicht in diesem Ausmaß eingegliedert sind, können sie eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausüben. Aus § 106 Abs. 1 AGBGB kann entgegen der Auffassung der Rb. für die Entscheidung der Frage der Selbständigkeit oder Unselbständigkeit nicht entnommen werden. Diese Vorschrift bestimmt nur die Aufgaben, die zum Berufe des öffentlichen Notars und damit auch des Bezirksnotars gehören, sie sagt aber nichts über das für das Umsatzsteuerrecht maßgebende Innenverhältnis des diese Tätigkeit ausübenden Bezirksnotars zum württembergischen Staat aus. Diese ist vielmehr den Umständen außerhalb dieser Vorschrift zu entnehmen und für jede einzelne Tätigkeit gesondert zu prüfen. Soweit es sich um die in der genannten Bestimmung aufgeführten öffentlich-rechtlichen Aufgaben, wie die Beurkundungstätigkeit, handelt, sind diese zweifellos als Aufgabe anzusprechen, bei deren Erfüllung der Bezirksnotar an Weisungen gebunden und somit unselbständig ist. Sie sind für ihn Dienstgeschäfte, die er für den württembergischen Staat besorgt. Hinsichtlich der nicht öffentlich-rechtlichen Aufgaben sind keine Umstände erkennbar, die darauf schließen ließen, daß auch diese zu den Dienstgeschäften des Beamten im obigen Sinne gehören. In der Regel ergibt sich ihre Zugehörigkeit aus den von der vorgesetzten Stelle erlassenen Dienstanweisungen. Auch für den Bezirksnotar sind Dienstvorschriften ergangen (Verordnung des Württembergischen Justizministeriums vom 27. Oktober 1932, Amtsblatt des Württembergischen Justizministeriums 1932 S. 321). Diese Dienstvorschriften enthalten jedoch, worauf die Vorinstanz mit Recht hingewiesen hat, keinerlei Hinweis auf die hier in Frage kommende Tätigkeit der Rechtsbetreuung. Lediglich die Beratung in Grundbuch-, Vormundschafts- und Nachlaßsachen wird erwähnt und als Amtsaufgabe des Bezirksnotars ausdrücklich bezeichnet (ß 4 Abs. 4 a. a. O.). Daß diese Dienstanweisung nur für die Abgrenzung der Gebühren erlassen worden ist, wie der Bf. behauptet, ist nicht einzusehen, da auch eine Reihe anderer Maßnahmen in ihr aufgeführt sind, die mit Gebühren in keiner Weise in Zusammenhang gebracht werden können. Schon das Fehlen irgendwelcher Dienstvorschriften für die hier in Betracht kommende Tätigkeit spricht dafür, daß diese der württembergische Staat nicht selbst (wenn auch durch den Bezirksnotar) ausüben will. Aber auch die sonstigen Umstände bestätigen dies, insbesondere die Stellung, die der Bezirksnotar bei Ausübung der Rechtsbetreuung einnimmt, sowie die Auffassung des Verkehrs. Mit Recht hat die Vorinstanz darauf hingewiesen, daß es sich bei der streitigen Tätigkeit um eine Angelegenheit des Vertrauens des rechtsuchenden Publikums handelt. Der Rechtssuchende wählt unter den ihm hierfür zur Verfügung stehenden Rechtskundigen die Persönlichkeit aus, der er wegen ihrer Kenntnisse, ihrer Erfahrungen oder wegen ihrer Geschicklichkeit seine Angelegenheit anvertraut. Es handelt sich also um einen Vertrauensbeweis, der eng mit der Person und nicht mit dem Amte verbunden ist. Wählt deshalb der Rechtssuchende den Bezirksnotar für die Rechtsauskunft oder für die Anfertigung eines Entwurfs, so wählt er ihn nicht als Vertreter des Staates, sondern als die ihm für sein Anliegen meist geeignete und seines Vertrauens würdigste Persönlichkeit. Die Stellung des Bezirksnotars bei Ratserteilung und Anfertigung bloßer Entwürfe zeigt demnach nicht eine Abhängigkeit, sondern Selbständigkeit. Auch die Verkehrsanschauung macht in dieser Frage keinen Unterschied zwischen dem freiberuflichen Rechtsanwalt oder öffentlichen Notar, der nicht auch gleichzeitig Bezirksnotar ist, und dem Bezirksnotar. Sie betrachtet letzteren, soweit er nicht öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllt, wie einen freiberuflichen Rechtskundigen, nicht als Staatsorgan. Das Gesamtbild der Stellung des Bezirksnotars, die er bei Erteilung von Rat und der Anfertigung von Entwürfen, also bei der vorsorglichen Rechtsbetreuung einnimmt, spricht somit überwiegend für seine Selbständigkeit bei Ausübung dieser Tätigkeit. Der Umstand, daß nach Auffassung des Bf. der Bezirksnotar auch für diese Tätigkeit gemäß Art. 95 Abs. 2 AGBGB dem Dienststrafrecht nach dem Beamtengesetz unterliegt, vermag hieran nichts zu ändern, da die Frage der umsatzsteuerlichen Selbständigkeit sich nicht nach dem Beamtenrecht, sondern nach dem Umsatzsteuerrecht richtet. Aus diesem Grund ist auch die vom Bf. beantragte Einholung eines Gutachtens des Justizministeriums über die Beamteneigenschaft des Bezirksnotars entbehrlich. Es dürfte auch nicht zutreffen, daß, wie der Bf. behauptet, für alle in den Aufgabenbereich des öffentlichen Notars fallende Aufgaben des Bezirksnotars wegen seiner Eigenschaft als Beamter eine Haftung des Staates gegeben sei. Nach der herrschenden Auffassung der Praxis trifft vielmehr in den hier in Betracht kommenden Fällen den Staat keine Haftung (vgl. Breithaupt in Deutsche Justiz 1935 S. 746).

Da die Tätigkeit des Bezirksnotars hinsichtlich der Ratserteilung und der Anfertigung von bloßen Entwürfen auch nachhaltig im Sinne des Umsatzsteuerrechts betrieben wurde, hat die Vorinstanz zu Recht den württembergischen Bezirksnotar insoweit als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG 1934 angesehen und ihm mit den bei dieser Tätigkeit erzielten Einnahmen zur Umsatzsteuer herangezogen.

Die Rb. war somit als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1953, 123

BFHE 1954, 310

BFHE 57, 310

StRK, UStG:2/3 R 7

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