Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein sogenannter Zahnpraktiker übt einen ähnlichen Beruf wie ein Dentist aus.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1/1

 

Tatbestand

Der Bf. ist gelernter Zahntechniker. Seit 1951 versorgt er Patienten mit Zahnprothesen, Kronen, Brücken und Stiftzähnen. Seine Tätigkeit umfaßt die Vorbehandlung der Zähne, die Anfertigung und das Einpassen des Zahnersatzes. Für Zahnärzte und Dentisten arbeitet er nicht. In der Handwerksrolle ist er nicht eingetragen, aber auch nicht in der vom Gesundheitsamt geführten Liste der Medizinalpersonen.

Das Finanzamt zog den Bf. für das Jahr 1958 zur Gewerbesteuer heran. Der Bf. machte dagegen geltend, er übe berufsmäßig Zahnheilkunde im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31. März 1952 - ZHG -, BGBl I S. 221) aus. Die Tätigkeit sei nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 1 Abs. 3 dieses Gesetzes kein Gewerbe. Einspruch und Berufung blieben erfolglos.

Das Finanzgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß der Bf. als Zahntechniker weder einen im § 18 EStG 1958 bezeichneten Beruf noch eine ähnliche Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung ausübe. Als Vergleichsberufe kämen die Zahnärzte und die Dentisten in Betracht. Ihnen gegenüber fehle das charakteristische Merkmal der ärztlichen Tätigkeit, die auf einer medizinisch-wissenschaftlichen Ausbildung beruhende Behandlung. Auch der Dentist müsse den Besitz eines gewissen Maßes medizinischer Kenntnisse vor einer Prüfungskommission nachweisen. Der Bf. nehme dagegen mehr handwerkliche Verrichtungen vor, die weniger eine ärztliche als eine technische Ausbildung voraussetzten. Zur Erfüllung der ärztlichen Funktion fehle dem Bf. die Vorbildung. Aber selbst wenn in der Anfertigung und dem Einpassen von Zahnersatz eine echte ärztliche Tätigkeit zu sehen wäre, würde es sich nur um einen Teil der gesamten Berufstätigkeit der Zahnärzte oder der Dentisten handeln, der als Haupttätigkeit ausgeübt nicht notwendig ebenfalls freiberuflich im Sinne des § 18 EStG wäre (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 203/54 U vom 31. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 90, Slg. Bd. 62 S. 243, betreffend Viehkastrierer). Wie der Viehkastrierer habe der Bf. seine Tätigkeit ohne besondere wissenschaftliche Vorbildung aufgenommen und sich die Kenntnisse in der Praxis angeeignet. Auch bei Anerkennung der Tätigkeit als Teil einer ärztlichen Berufsausbildung sei sie deshalb nicht als freiberuflich im einkommensteuerlichen Sinne aufzufassen. Daß der Bf. im Sinne der Gewerbeordnung kein Gewerbe ausübe, sei für die steuerrechtliche Beurteilung ohne Bedeutung, weil diese sich allein nach den Merkmalen des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG richte. Schließlich sei bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, daß der Bf. sich durch Zeitungsanzeigen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt habe, was dem ärztlichen Beruf fremd sei.

Dagegen wendet sich die Rb.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Der Bf. ist nicht gewerbesteuerpflichtig, wenn seine beruflichen Einkünfte unter § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958 fallen (§ 2 Abs. 1 GewStG, § 1 GewStDV). Eine Zuordnung zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit kommt nach Sachlage nur in Betracht, wenn der Bf. einen dem Dentisten ähnlichen Beruf ausübt. Die ähnlichkeit ist zu bejahen, wenn die Tätigkeit des Bf. in wesentlichen Punkten dem Berufsbild des Dentisten entspricht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 349/61 U vom 24. Februar 1965, BStBl 1965 III S. 263).

Der Dentist wendet die Zahnheilkunde in engeren Grenzen als der Zahnarzt an. Er enthält sich z. B. der Behandlung von Mund- und Kieferkrankheiten. Er übt aber die Zahnheilkunde in ihren wesentlichen Erscheinungsformen aus. Dazu gehört neben der Eingliederung von Zahnersatz einschließlich des Einsetzens von Stiftzähnen und Brücken, die Vornahme von Füllungen, Extraktionen und Wurzelbehandlungen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs I ZR 87/57 vom 26. September 1958, Neue Juristische Wochenschrift 1958 S. 2112). Seine Tätigkeit unterscheidet sich von derjenigen des Zahntechnikers, die sich auf die Herstellung von Zahn- und Kieferersatzteilen im Auftrage von Heilkundigen beschränkt (Kuhns, Heilberuferecht, 1958 S. I/953).

Die berufliche Tätigkeit des Bf. geht über die des Zahntechnikers hinaus. Der Bf. ist auch nicht in der Handwerksrolle eingetragen. Andererseits bezeichnet er sich selbst nicht als Dentist, sondern als sogenannter Zahnpraktiker. Er führt keine Extraktionen aus und nimmt Füllungen und Wurzelbehandlungen nur im Zusammenhang mit der Anfertigung von Kronen und dem Einsetzen von Stiftzähnen vor. Diese Einschränkung ist aber nicht so gewichtig, um daraus folgern zu können, daß die Tätigkeit des Bf. nicht mehr in wesentlichen Punkten mit dem Berufsbild des Dentisten übereinstimmt. Die Tätigkeit des Dentisten und des Bf. decken sich auf dem wichtigen Teilgebiet der Zahnheilkunde, das sich auf die vorbereitenden Arbeiten für die Anfertigung von Zahnersatz und auf dessen Einpassen erstreckt. Auch die eigene Anfertigung des Zahnersatzes für die behandelten Patienten gehört zur Berufsausübung des Dentisten (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 50/53 U vom 13. August 1953, BStBl 1953 III S. 292, Slg. Bd. 58 S. 1). Die Vorentscheidung hat danach die ähnlichkeit der Berufstätigkeit des Bf. mit derjenigen des Dentisten zu Unrecht verneint. Sie ist deshalb aufzuheben. Der Bf. hat Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958 bezogen und ist nicht gewerbesteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 GewStG, § 1 GewStDV).

Das Finanzgericht stützt sich zu Unrecht darauf, daß die Anfertigung und das Einpassen von Zahnersatz eine vorwiegend handwerkliche Tätigkeit ist, die weniger eine ärztliche als eine technische Ausbildung voraussetzt. Es ist zunächst nicht ersichtlich, weshalb dies beim Bf. schädlich, beim Dentisten dagegen unschädlich sein soll. Das Finanzgericht läßt außer acht, daß in der Zahnheilkunde der technischen Seite erhebliche Bedeutung zukommt (vgl. Koch, Das Berufsrecht der Zahnärzte 1955 S. 9, 10). Dem Finanzgericht kann ferner nicht beigetreten werden, wenn es auch die Vorbildung abstellt. Der Bf. ist nicht mit dem Zahnarzt, sondern mit dem Dentisten zu vergleichen. Der Dentist darf - ebenso wie der Bf. - seine Tätigkeit in dem gleichen Umfang wie vor dem Inkrafttreten des ZHG ausüben (§ 19 ZHG). Vor diesem Zeitpunkt bestand Kurierfreiheit, eine Vorbildung war nicht vorgeschrieben und brauchte grundsätzlich nicht nachgewiesen zu werden. Darf aber ein in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1958 angeführter Beruf ohne vorgeschriebene Berufsausbildung ausgeübt werden, so kann bei der Beurteilung der ähnlichkeit weder auf die Vorbildung noch auf eine wissenschaftliche Grundlage abgestellt werden; entscheidend ist die ähnlichkeit der Tätigkeit (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 54/61 U vom 12. Dezember 1963, BStBl 1964 III S. 136, Slg. Bd. 78 S. 349). Der Hinweis des Finanzgerichts auf den Viehkastrierer ist nicht begründet. Dessen Arbeitsgebiet berührt sich mit dem des Tierarztes nur in sehr beschränktem Masse, während die Berufstätigkeiten des Dentisten und des Bf., wie oben ausgeführt, sich in wesentlichen Punkten decken.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 692

BFHE 1966, 530

BFHE 83, 530

StRK, EStG:18 R 370

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