Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Berechnung der Gegenleistung in den Fällen des § 9 Abs. 2 GrEStG.

 

Normenkette

GrEStG § 9 Abs. 1-2, § 11 Abs. 1 Ziff. 4, § 11/1/5

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.), ein Bauunternehmen, blieb am 23. September 1954 bei der Zwangsversteigerung des in Betracht kommenden Grundstücks die Meistbietende. Auf dem Grundstück befand sich ein Mietwohngebäude, dessen Herstellung nicht abgeschlossen war. Das Grundstück war zugunsten der Bfin. wegen rückständiger Baugeldforderungen mit einer Grundschuld von 30.000 DM belastet; diese Grundschuld wurde durch das Meistgebot nicht gedeckt.

Das Grundstück, dessen Stichtagswert gemäß § 12 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) nach dem Stand am Tag des Erwerbsvorgangs auf 57.300 DM angesetzt worden war, wurde, nachdem die Bfin. das unvollständig übernommene Mietwohnhaus fertiggestellt hatte, durch Kaufvertrag vom 9. Mai 1955 weiterveräußert.

Das Finanzamt erblickte in dem Erwerb einen Rettungserwerb im Sinne des § 9 Abs. 1 GrEStG und stellte diesen Vorgang von der Grunderwerbsteuer frei. Nach der Wiederveräußerung stellte es fest, daß das bei der Weiterveräußerung gewährte Entgelt die beim Erwerbsvorgang angesetzte Gegenleistung übersteigt, und nahm gemäß § 9 Abs. 2 GrEStG die Nachversteuerung vor. Die Steuer wurde unter Zugrundelegung einer Gegenleistung von 84.500 DM festgesetzt.

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung (ß 9 Abs. 2 GrEStG) vorliegen.

Die Gegenleistung bei der Weiterveräußerung beträgt: 1. Kaufpreis ----------------------------------- 138.000 DM 2. vom Käufer übernommene Verpflichtungen aus den von 10 Mietern als Baukostenzu= schuß geleisteten Mietvorauszahlungen ----------- 38.765 DM insgesamt -------------------------------------- 176.765 DM.Die Bfin. trägt vor, daß als Gegenleistung beim Erwerbsvorgang zuzüglich der Aufwendungen für dauernde Wertverbesserungen - jedoch ohne die auf sie übergegangenen Verpflichtungen aus den Mietvorauszahlungen - die folgenden Beiträge in Betracht kommen:

1. Meistgebot ........................... 84.500 DM 2. die ausgefallene Grundschuld von 30.000 DM (einschließlich der Nebenverpflichtungen des Voreigentümers) ......................... 34.200 DM 3. weitere Aufwendungen für dauernde Verbesse= rungen des Grundstücks (Lieferungen von Baumaterial, Architektenhonorar) ........ 27.000 DM insgesamt .............................. 145.700 DM. Demgegenüber hat das Finanzgericht lediglich zugrunde gelegt: 1. Meistgebot .......................... 84.500 DM 2. dauernde Wertverbesserungen durch die Bfin. nach dem Erwerb des Grundstücks ........ 20.471 DM insgesamt ............................. 104.971 DM.Dabei ließ das Finanzgericht dahingestellt, ob die auf die Bfin. übergegangenen Verpflichtungen aus den von den Mietern als Baukostenzuschuß geleisteten Mietvorauszahlungen auch der Gegenleistung beim Erwerbsvorgang zuzurechnen seien. Die bei der Zwangsversteigerung ausgefallene Grundschuld der Bfin. blieb unberücksichtigt, weil nach Auffassung des Finanzgerichts die Gesamtleistung über den Einheitswert des Grundstücks hinausgeht.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt die Bfin. ihr früheres Vorbringen. Sie weist darauf hin, daß zwischen den Baukosten und dem vom Finanzamt festgesetzten Einheitswert eine erhebliche Spanne bestehe. Gerade die Bauunternehmen, denen zur Sicherung ihrer Bauforderungen ein Grundpfandrecht bestellt sei und die dann zur Rettung ihres Pfandrechts das belastete Grundstück erwerben müßten, seien dadurch besonders benachteiligt. Denn diese Unternehmen seien in der Regel nicht in der Lage, das bei der Zwangsversteigerung aufgewandte Kapital auf lange Frist festzulegen und etwaigen steuerlichen Nachteilen dadurch auszuweichen, daß sie das Grundstück während der Fünfjahresfrist des § 9 Abs. 2 GrEStG nicht weiterveräußerten. Würde die Grundschuld der Bfin. unberücksichtigt bleiben, so sei zu fragen, welche praktische Bedeutung die Steuervergünstigung des § 9 Abs. 1 GrEStG noch habe, wenn durch die Nachversteuerung die Freistellung von der Steuer in Wegfall komme.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist ohne Erfolg.

Unrichtig ist insbesondere die Auffassung der Bfin., daß für die Frage, ob das ausgefallene Grundpfandrecht in die Gegenleistung beim Erwerbsvorgang einzurechnen sei, nicht der Einheitswert des Grundstücks, sondern der tatsächliche Wert maßgebend sei. In welcher Weise festzustellen ist, ob die Gegenleistung bei der Weiterveräußerung die Gegenleistung beim Erwerbsvorgang übersteigt, ist im § 9 Abs. 2 Satz 1 GrEStG vorgeschrieben. Danach ist als Gegenleistung beim Erwerbsvorgang die Gegenleistung im Sinne des § 11 Abs. 1 Ziff. 4 und 5 GrEStG maßgebend. § 11 Abs. 1 Ziff. 4 GrEStG bestimmt jedoch, daß der durch das Meistgebot nicht gedeckte Anspruch des Meistbietenden - d. h. hier die in der Zwangsversteigerung ausgefallene Grundschuld der Bfin. - nur insoweit hinzuzurechnen ist, als die Gesamtleistung den Wert des Grundstücks bei der Abgabe des Meistgebots nicht übersteigt. Wie der Klammerzusatz "(ß 12)" im § 11 Abs. 1 Ziff. 4 Satz 2 GrEStG ergibt, ist als Wert des Grundstücks der Einheitswert anzusetzen. Unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 GrEStG tritt an die Stelle des Einheitswerts der Stichtagswert. Der Stichtagswert betrug jedoch nur 57.300 DM. Da sich das Meistgebot bereits auf 84.500 DM belief, hat das Finanzgericht zu Recht von einer Hinzurechnung des ausgefallenen Grundpfandrechts abgesehen. Die gesetzliche Regelung mag im einzelnen Fall zu Härten führen; diese Härten waren aber, wie der Gesetzeswortlaut eindeutig erkennen läßt, bei Schaffung des Gesetzes bekannt. Die amtliche Begründung zum GrEStG (Abs. 12 zu § 9 GrEStG, Reichssteuerbl. 1940 S. 387 ff.), die bereits vom Finanzgericht wörtlich angeführt wurde, läßt darüber ebenfalls keinerlei Zweifel.

Auch der Auffassung der Bfin., daß der Gegenleistung beim Erwerbsvorgang (d. h. beim Erwerb in der Zwangsversteigerung) die Aufwendungen für dauernde Wertverbesserung zuzurechnen seien, die vor dem Erwerbsvorgang gemacht wurden und in der Grundschuld nicht enthalten waren, kann nicht gefolgt werden. Welche Leistungen für die Grunderwerbsteuer als Gegenleistung anzusehen sind, ist im § 11 GrEStG bestimmt. Die hier geltend gemachten Aufwendungen - in Betracht kommen ungefähr 6.500 DM für Lieferung von Material - sind weder im Abs. 1 Ziff. 4 noch in den Abs. 2 und 3 des § 11 GrEStG erwähnt. Daß eine Hinzurechnung im Streitfall nicht möglich ist, ergibt sich auch aus nachstehender überlegung: Ist es, wie bereits ausgeführt wurde, unzulässig, Aufwendungen für dauernde Wertverbesserungen, die durch eine ausgefallene Grundschuld gedeckt waren, in die Gegenleistung einzurechnen, so kann noch weniger in Betracht kommen, die Aufwendungen, die demselben Zweck dienten, aber nicht durch ein Grundpfand gesichert wurden, als Teil der Gegenleistung zu betrachten. Allerdings ist im § 9 Abs. 2 Satz 3 GrEStG bestimmt, daß der Wert der Aufwendungen, die der Erwerber für Bauten, Umbauten und sonstige dauernde Verbesserungen des Grundstücks gemacht hat, der Gegenleistung beim Erwerbsvorgang hinzuzurechnen ist. Eine solche Hinzurechnung kommt jedoch nur in Betracht, soweit es sich um dauernde Wertverbesserungen handelt, die der Erwerber in dieser Eigenschaft vornimmt.

Ob der übergang der Verpflichtungen aus den als Mietvorauszahlungen geleisteten Baukostenzuschüssen Teil der Gegenleistung beim Erwerbsvorgang (d. h. beim Erwerb in der Zwangsversteigerung) ist, soll unerörtert bleiben. Auch wenn diese Frage bejaht wird, würden sich daraus für die Bfin. steuerliche Vorteile nicht ergeben. Insbesondere würde die Gegenleistung bei der Weiterveräußerung nach wie vor die Gegenleistung beim Erwerbsvorgang (einschließlich des Werts der vom Erwerber vorgenommenen dauernden Verbesserung) übersteigen, so daß die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung nach § 9 Abs. 2 GrEStG unverändert erfüllt wären. Allerdings ist durch das Urteil des erkennenden Senats II 86/54 U vom 22. Dezember 1954 (Slg. Bd. 60 S. 139, Bundessteuerbl. 1955 III S. 54), das einen Fall aus dem Jahr 1952 betraf, entschieden worden, daß der übergang der in Betracht kommenden Verpflichtungen keine zusätzliche Leistung im Sinn des § 11 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG darstellt. Im Hinblick darauf, daß bei Mietverträgen, bei denen Baukostenzuschüsse als Mietvorauszahlungen geleistet werden, die Verdinglichung der Miete immer mehr fortschreitet, bleibt aber die Frage offen, ob nicht in dem übergang der Verpflichtungen ein übergang von Belastungen im Sinn des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 GrEStG erblickt werden muß; siehe dazu die §§ 57c, 57d des Gesetzes über die Zwangsversteigerung in der mit Wirkung ab 1. Oktober 1953 in Kraft getretenen Fassung des Art. 3 Nr. 14 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vom 20. August 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 952) und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. November 1954 V ZR 24/54 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 15 S. 296).

Der Rb. ist demnach der Erfolg zu versagen.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 338

BFHE 1957, 369

BFHE 63, 369

StRK, GrEStG:9 R 6

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