Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Kraftomnibus ist überwiegend im Linienverkehr verwendet, wenn er mehr als 50 v. H. der insgesamt gefahrenen km im Linienverkehr zurücklegt. Dabei ist jeweils auf die Verhältnisse in dem vom Steuerpflichtigen gewählten Steuerentrichtungszeitraum abzustellen.

Notwendige Leerfahrten sind der Verkehrsart zuzurechnen, mit der sie zusammenhängen.

 

Normenkette

KraftStG § 11 Abs. 2 Nr. 2, § 11/2/2/a, § 2/5/a

 

Tatbestand

Es ist streitig, welcher Zeitraum dafür maßgebend ist, ob ein Kraftomnibus im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1955 in der Fassung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes vom 28. März 1960 - KraftStG - (BGBl I S. 201 - BStBl I S. 219 - § 11 Abs. 2 Nr. 2 a KraftStG 1961) überwiegend im Linienverkehr verwendet wird, wenn die Kraftfahrzeugsteuer monatlich entrichtet wird.

I. - Der Kläger und Revisionsbeklagte, ein Omnibus- und Reisebüroinhaber (Steuerpflichtiger - Stpfl. -), betreibt mit mehreren Kraftomnibussen Linien- und auch Gelegenheitsverkehr. Für die streitigen Fahrzeuge wurde die Kraftfahrzeugsteuer monatlich unter Inanspruchnahme der Steuervergünstigung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG entrichtet.

Nach einer überprüfung durch das Finanzamt (FA) waren mit einem Kraftomnibus in den Monaten Juni bis September 1960 überhaupt keine Fahrten im Linienverkehr durchgeführt und mit einem zweiten Kraftomnibus in den Monaten Mai und Juli 1960 im Linienverkehr weniger km als im Gelegenheitsverkehr gefahren worden. Durch Steuerbescheid vom 24. November 1961 forderte das FA deshalb für den einen Kraftomnibus 204,80 DM und für den anderen Kraftomnibus 149,40 DM nach.

Mit dem Einspruch machte der Stpfl. geltend, in dem von ihm gewählten "Besteuerungszeitraum eines Jahres" seien beide Kraftomnibusse überwiegend im Linienverkehr eingesetzt gewesen. Da der Stpfl. für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG den Jahresbesteuerungszeitraum wählen könne, müsse es unerheblich sein, für welchen Zeitraum die Steuer entrichtet werde.

Demgegenüber vertrat das FA in der Einspruchsentscheidung unter Bezugnahme auf die Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 7. Juni 1960 S 6110 - 27/10 - 45567 I die Auffassung, daß auch für die Gewährung der Steuervergünstigung, d. h. für das Verhältnis der Fahr-km im Linienverkehr zu denen im Gelegenheitsverkehr jeweils auf die Verhältnisse in dem Zeitraum abzustellen sei, für den die Kraftfahrzeugsteuer entrichtet werde.

Die Berufung des Stpfl. hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt, da der Kraftfahrzeugsteuertarif ein Jahrestarif sei (ß 11 Abs. 1 KraftStG), auch bei Monatszahlern den Jahreszeitraum als Vergleichszeitraum für die im Linien- bzw. im Gelegenheitsverkehr gefahrenen km nach Sinn und Zweck der Ermäßigung für am besten geeignet. Dieser Zeitraum ermögliche einen saisonbedingten Ausgleich zwischen den Zeitabschnitten eines starken Gelegenheitsverkehrs und denen eines schwachen Gelegenheitsverkehrs und stelle außerdem die Monatszahler insoweit den Jahreszahlern gleich. Bei anderer Auslegung der Vergünstigungsvorschrift erhalte der Jahreszahler die Ermäßigung für das ganze Jahr, der Monatszahler aber nur für einen Bruchteil des Jahres.

Mit der ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnden, wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Rechtsbeschwerde (§§ 115, 184 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO in Verbindung mit § 286 AO a. F.) rügt das FA als Beklagter und Revisionskläger unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Rechtsstandpunkts unrichtige Anwendung der Vergünstigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG mit dem Ziel, daß die Berufung unter Aufhebung des Urteils des FG als unbegründet zurückgewiesen werde.

 

Entscheidungsgründe

II. -

Die Revision ist zulässig (ß 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO, § 286 Abs. 1 AO a. F.) und begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (ß 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG ermäßigt sich die Kraftfahrzeugsteuer für Kraftomnibusse, die überwiegend im Linienverkehr verwendet werden, um 50 v. H. des Betrages, der sich nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 KraftStG ergibt. Zutreffend bemerkt das FG, daß die Frage, wann ein Kraftomnibus überwiegend im Linienverkehr verwendet ist, weder im Straßenbaufinanzierungsgesetz selbst noch durch Rechtsverordnung geregelt worden ist. Eine überwiegende Verwendung im Linienverkehr ist gegeben, wenn der Kraftomnibus mehr als 50 v. H. der insgesamt gefahrenen km im Linienverkehr zurücklegt. Es ist auch richtig, daß die im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder ergangene Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 7. Juni 1960, wonach für diese Frage auf die Verhältnisse in dem Zeitraum abzustellen ist, für den die Kraftfahrzeugsteuer entrichtet wird, als Verwaltungsanweisung die Steuergerichte nicht bindet. Der Senat vermag sich jedoch der Auffassung der Vorinstanz nicht anzuschließen, daß auch bei Monatszahlern der Jahresentrichtungszeitraum als Vergleichszeitraum der Fahr-km in Betracht komme, weil § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG eine Tarifvergünstigung und weil der Tarif ein Jahrestarif (ß 11 Abs. 1 KraftStG) sei. Letzteres trifft zwar zu. Es kann aber nicht außer Betracht gelassen werden, daß die Kraftfahrzeugsteuer nur dem Grundsatz nach eine Jahressteuer ist (ß 13 Abs. 1 KraftStG) und daß das KraftStG dem Stpfl. die Wahl auch eines kürzeren Steuerentrichtungszeitraums freistellt (ß 13 Abs. 2 KraftStG). § 13 KraftStG ist trotz seiner überschrift ("Entrichtung der Steuer") anders als § 12 KraftStG nicht nur eine Fälligkeitsvorschrift, sondern betrifft in Ergänzung des § 3 Abs. 1 StAnpG auch die Entstehung des Kraftfahrzeugsteueranspruchs. Somit entsteht die Kraftfahrzeugsteuerschuld, wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang entschieden hat (vgl. das Urteil II 190/52 U vom 18. Dezember 1953, BStBl 1954 III S. 49, Slg. Bd. 58 S. 358), bei zugelassenen Fahrzeugen während der Dauer der Steuerpflicht stets neu vor Beginn des jeweils vom Steuerpflichtigen gewählten Steuerentrichtungszeitraums, bei Monatszahlern z. B. auch stets nur für den gewünschten Monatszeitraum (vgl. insoweit, wenn auch bereits für die Zeit seit Einführung des Steuerbescheids - § 12 Abs. 4 der Durchführungsverordnung zum Kraftfahrzeugsteuergesetz 1961 - statt der früheren Steuerkarte - § 14 KraftStG 1955 -, auch Egly, Kommentar zum Kraftfahrzeugsteuergesetz, 2. Auflage, Abschnitt 60 c, S. 269 ff., 271). Wenn aber die Kraftfahrzeugsteuerschuld selbst jeweils nur für den vom Steuerpflichtigen bestimmten Steuerentrichtungszeitraum entsteht, so kann zwangsläufig die (zweite) Frage, in welcher Höhe der staatliche Steueranspruch entstanden ist, sich nur nach demselben Zeitraum richten.

Dieses rechtliche Ergebnis führt auch zu durchaus sinnvollen Folgen. Zunächst kann die streitige Frage für alle denkbaren Fälle nur nach einheitlichen Grundsätzen entschieden werden und nicht danach, welche Lösung im Einzelfall für den Steuerpflichtigen die günstigere ist. Die Auffassung des FG, bei Zugrundelegung des Monatszeitraums als Vergleichszeitraum werde bei der gleichen innerhalb eines Jahres gefahrenen km-Zahl der Monatszahler gegenüber dem Jahreszahler benachteiligt, trifft zwar wie im Streitfall zu, wenn - auf den Jahreszeitraum abgestellt - der Linienverkehr überwiegt. Die Meinung der Vorinstanz trifft aber nicht zu für die Fälle, in denen - wiederum auf den Jahreszeitraum abgestellt - der andere (Gelegenheits-) Verkehr (wenn auch nur wenig) überwiegt, in denen aber - auf einen kürzeren, etwa einen Monatszeitraum abgestellt - während vieler Monate, unter Umständen sogar mehr als ein halbes Jahr, ausschließlich oder doch (wenn auch wiederum nur wenig) überwiegend Linienverkehr betrieben wird. Es erscheint nicht gerechtfertigt, in solchen Fällen die Steuervergünstigung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG für die kürzeren Steuerentrichtungs- z. B. Monatszeiträume, in denen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG erfüllt sind, nur deshalb zu versagen, weil als Vergleichszeitraum für die Fahr-km auch bei Monatszahlern stets nur der Jahreszeitraum in Betracht kommen dürfe. Vielmehr muß es dem Steuerpflichtigen, der seine (auch künftigen) Betriebsverhältnisse am ehesten muß überschauen können, vorbehalten bleiben, durch eigene Wahl des Steuerentrichtungszeitraums gleichzeitig die Voraussetzungen selbst zu schaffen, die ihm die günstigste Anwendbarkeit der Tarifermäßigung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG gewährleisten.

Der Senat hält es deshalb für die rechtssystematisch richtige und auch dem Gesetzeszweck sinnvoll entsprechende Lösung, als Vergleichszeitraum, in dem ein Kraftomnibus überwiegend im Linienverkehr verwendet worden sein muß, den jeweils vom Steuerpflichtigen gewählten Steuerentrichtungszeitraum heranzuziehen.

Der Stpfl. hat die Kraftfahrzeugsteuer unstreitig monatlich entrichtet. Seiner Auffassung, er habe einen "Jahresbesteuerungszeitraum" gewählt, nur weil er die Aufstellung der monatlich gefahrenen km für die Dauer eines Jahres angefertigt habe, beruht insoweit offensichtlich auf einem Irrtum.

Die Vorentscheidung, die von anderen Erwägungen ausgeht, war wegen Rechtsirrtums aufzuheben.

Es sei noch bemerkt, daß die Entscheidung der streitigen Frage mit der Pflicht zur Zahlung eines Aufgelds bei Wahl eines kürzeren Steuerentrichtungszeitraums (ß 13 Abs. 3 KraftStG - § 13 Abs. 4 KraftStG 1961) - anders als der Stpfl. wohl meint - weder in rechtlichem noch in wirtschaftlichem Zusammenhang steht, da das Aufgeld einen gewissen Ausgleich zur Abgeltung der Verwaltungsmehrarbeit und eines Zinsverlustes bilden soll.

Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif und war deshalb an das FG zurückzuverweisen.

Der Stpfl. hat bereits beim FA geltend gemacht, daß die von ihm angegebenen km nur die mit Besetzung gefahrenen km seien, da die im Linienverkehr gefahrenen Leer-km in der Aufstellung nicht enthalten seien. Da das FG schon aus anderen Gründen zur Gewährung der Steuervergünstigung gelangt war, brauchte es auf diese Frage nicht einzugehen. Der Senat ist der Auffassung, daß für die Zwecke des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG notwendige Leerfahrten der Verkehrsart zuzurechnen sind, mit der diese Leerfahrten zusammenhängen (vgl. auch Egly, a. a. O., Abschnitt 55 S. 259 oben). Das FG wird unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes zu prüfen haben, ob die Steuervergünstigung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG für den einen oder anderen Monat durch das FA möglicherweise zu Unrecht versagt worden ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411940

BStBl III 1966, 227

BFHE 1966, 42

BFHE 85, 42

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