Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang eines Grundstücks einer zweigliedrigen KG im Erbwege auf den überlebenden Gesellschafter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 31.10.1963 II 155/60 U (BStBl III 1963, 579) über die Auslegung des Begriffs des Grundstückserwerbs von Todes wegen im Sinne des § 3 Nr. 2 GrEStG sind auch auf entsprechende Fälle bei Kommanditgesellschaften anzuwenden.

2. Wenn infolge Erbgangs sämtliche Anteile am Vermögen einer aus Vater und Tochter bestehenden Kommanditgesellschaft auf die Tochter als Alleinerbin übergehen, ist der Erwerb der Gesellschaftsgrundstücke nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerfrei.

 

Normenkette

GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 3 Nr. 2

 

Tatbestand

Die KG August B. erwarb durch Kaufvertrag vom 27. September 1951 mehrere Fabrikgrundstücke. An der KG waren damals die Bfin. zu 15 v. H. als Kommanditistin, ihr Vater August B. zu 85 v. H. als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt.

August B. verstarb am 6. September 1955. Die Bfin. wurde auf Grund eines Testaments seine Alleinerbin. In § 12 des Gesellschaftsvertrages der KG war vorgesehen: „Stirbt der persönlich haftende Gesellschafter August B., so tritt – was von ihm letztwillig angeordnet werden wird – Fräulein Ilse B. – die Bfin. – als persönlich haftender Gesellschafter an seine Stelle. Etwaige andere Erben können in die Gesellschaft nur als Kommanditisten eintreten.”

Das FA besteuerte den Vorgang nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG und schätzte den Wert der Gegenleistung auf 400.000 DM.

Die Bfin. machte im Berufungsverfahren geltend:

  1. Der Grundstückserwerb beruhe auf Erbgang. Der Vorgang sei nach § 3 Ziff. 2 GrEStG steuerbefreit. Da bereits ErbSt erhoben worden sei, könne nicht daneben noch GrESt in Betracht kommen.
  2. Falls die St-Pflicht zu bejahen sei, sei das Grundstück der Bfin. nur anteilig zugewachsen. Die Steuer könne deshalb nur aus dem Anteil des Erblassers angesetzt werden.
  3. Maßgebend sei höchstens der EW des Grundstücks von 179.000 DM; eine Gegenleistung sei nicht vorhanden.
  4. Falls der gesamte Grundstückswert als Gegenleistung steuerpflichtig sei, könne mindestens im Eigenkapital keine Gegenleistung erblickt werden, da das Eigenkapital kein Schuldposten, sondern ein Verrechnungsposten sei.

Durch Sachverständigengutachten wurde der gemeine Wert des Grundstücks samt Mobiliars auf 398.300 DM geschätzt. Nach Ausscheiden des Mobiliars beträgt der auf die Betriebsgrundstücke entfallende Teilwert, der mit der Gegenleistung identisch ist, unstreitig 345.300 DM.

Die ordnungsmäßig eingelegte Sprungberufung war dem Grunde nach ohne Erfolg; jedoch wurde die Steuer von 28.000 DM auf 24.171 DM ermäßigt, und zwar unter Zugrundelegung einer Gegenleistung von 345.300 DM.

 

Entscheidungsgründe

Der Rechtsbeschwerde ist stattzugeben.

Soweit der Einwand zu 1. in Betracht kommt, hat allerdings das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung, insbesondere in dem Urteil vom 7. März 1932 (RGZ Bd. 136 S. 97), ausgesprochen, daß der Übergang des Gesellschaftsvermögens nicht kraft Erbrechts, sondern durch Zuwachsung eingetreten sei. Demgemäß hat der Senat in dem vom FG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Urteil II 167/53 S vom 11. November 1953 (BStBl 1953 III S. 372, Slg. Bd. 58 S. 211) entschieden, daß dann, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden OHG bei dem Tode eines Gesellschafters der überlebende Gesellschafter das Geschäft mit Aktiven und Passiven übernehme, mit dem Tode des Gesellschafters der Anteil des anderen Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen, also auch an den Grundstücken, nicht durch Erbfolge übergehe; es sei vielmehr der Fall der Zuwachsung gegeben. Der Vorgang unterliege der Steuer nach § 1 Abs. 1 Ziff. 3 GrEStG. § 3 Ziff. 2 GrEStG könne in solchen Fällen nicht Platz greifen. Gegenüber dieser Auffassung ist geltend gemacht worden, daß dadurch eine Doppelbesteuerung eintreten könne, nämlich insoweit, als neben einer etwaigen ErbSt auch die GrESt zu zahlen sei, obwohl nach § 3 Ziff. 2 GrEStG der Grundstückserwerb von Todes wegen von der GrESt ausgenommen sein solle.

Durch Urteil II 155 60 U vom 31. Oktober 1963 (BStBl 1963 III S. 579) hat der Senat diese Rechtsprechung aufgegeben und ausgesprochen, daß dann, wenn im Gesellschaftsvertrag einer zweigliedrigen OHG vereinbart sei, daß der überlebende Gesellschafter das Recht habe, das Geschäft mit Aktiven und Passiven zu übernehmen, § 3 Ziff. 2 GrEStG Anwendung finde; vorausgesetzt sei, daß der überlebende Gesellschafter Erbe des erstversterbenden Gesellschafters sei. In einem solchen Fall seien im § 3 Ziff. 2 GrEStG die Worte „Grundstückserwerb von Todes wegen” im Sinne von „durch Todesfall veranlaßt” auszulegen.

Entsprechend diesem Urteil ist auch im Streitfall eine GrESt nicht zu erheben. Was für die OHG gilt, ist sinngemäß auf die KG anzuwenden. Soweit in dem vorerwähnten Urteil II 167/53 S vom 11. November 1953 ein abweichender Standpunkt vertreten wurde, wird daran nicht festgehalten.

Demgemäß erübrigt es sich, zu den Einwendungen der Bfin. zu 2. bis 4. Stellung zu nehmen.

Auf die Rb. waren somit die angefochtene Entscheidung und der St-Bescheid des FA aufzuheben und die Bfin., da die Sache spruchreif ist, von der Steuer freizustellen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1170749

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