Leitsatz (amtlich)

Wird ein unbebautes Grundstück zur Errichtung von Garagen, die als Nebenräume in die Grunderwerbsteuerbefreiung steuerbegünstigter Wohnungen einzubeziehen sind, bei einheitlicher Zweckbestimmung in räumlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung der steuerbegünstigten Wohnungen erworben, so steht der Grunderwerbsteuerbefreiung des Erwerbs des Garagen-Grundstücks nicht entgegen, daß dieses Grundstück erst nach Bezugsfertigkeit des Wohngebäudes erworben wird.

 

Normenkette

Schlesw.-Holstein. GrESWG 1962 § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger erwarb im Februar 1965 ein noch nicht vermarktes Grundstück. Er verpflichtete sich in dem Kaufvertrag gegenüber dem Veräußerer, auf dem Grundstück für die in der zweiten Hälfte des Jahres 1963 von ihm in unmittelbarer Nähe auf den im April und Mai 1962 erworbenen Grundstücken errichteten steuerbegünstigten Wohnungen Garagen zu errichten. Die Bauaufsichtsbehörde hat 43 der 47 Ende November 1965 und in 1966 errichteten Garagen als steuerbegünstigt anerkannt.

Den Antrag des Klägers, den Erwerbsvorgang vom Februar 1965 gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen im Rahmen des Schleswig-Holsteinischen Aufbaugesetzes und des Baulandbeschaffungsgesetzes in der Fassung vom 28. Juni 1962 - GrESWG - (GVBl, 266) von der Grunderwerbsteuer auszunehmen, lehnte das FA (Beklagter, Revisionskläger) ab, da der Erwerb eines Grundstücks zum Bau von Garagen nach Errichtung der Wohnungen nicht begünstigt sei. Der Einspruch gegen die Steuerfestsetzung war erfolglos.

Mit der Klage machte der Kläger unter anderem geltend, die Garagen hätten nach den Bebauungsplänen und der Reichsgaragenordnung errichtet werden müssen, hätten aber nicht zugleich mit den Wohnungen gebaut werden können, weil der Erwerb des Grundstücks erst verspätet möglich gewesen sei.

Das FG hielt die Voraussetzungen der Steuerbefreiung dem Grunde nach für gegeben.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.

Der Beklagte rügt, die Vorentscheidung verletze materielles Recht, weil das FG zu Unrecht die Auffassung vertreten habe, die "Errichtung von steuerbegünstigten Wohnungen oder Wohnheimen" (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG) sei im vorliegenden Fall erst mit der Erstellung der Garagen abgeschlossen. Diese Rüge ist im Ergebnis unbegründet.

Kein Streit besteht darüber, daß Garagen, die mit dem Wohngebäude tatsächlich und rechtlich eine Einheit bilden und nach Umfang und baulicher Anlage zum Abstellen von Personenkraftfahrzeugen einzelner Wohnungsinhaber bestimmt sind, als Neben- (Zusatz-) Räume dem Grunde nach in die Grunderwerbsteuer-Befreiung der steuerbegünstigten Wohnungen einzubeziehen sind (Urteile des BFH II 16/64 vom 13. Juni 1967, BFHE 90, 75, BStBl III 1967, 765; II R 141/67 vom 2. März 1971, BFHE 102, 129, BStBl II 1971, 532 mit weiteren Nachweisen). Der Beklagte meint zu Unrecht, dies könne nicht gelten, wenn das zum Bau der Garagen vorgesehene Grundstück erst nach Bezugsfertigkeit des Wohngebäudes erworben werde.

Geht man - zutreffend - davon aus, daß Garagen, die die vorstehend genannten Voraussetzungen erfüllen, als Nebenräume von steuerbegünstigten Wohnungen deren grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung teilen, so kann es für die Grunderwerbsteuer-Befreiung keinen Unterschied machen, ob die Garagen auf demselben Grundstück oder auf einem anderen Grundstück errichtet werden, jedenfalls dann nicht, wenn dieses andere Grundstück mit dem Wohngrundstück beim Erwerber eine wirtschaftliche Einheit bildet (BFH-Urteil II 83/59 U vom 7. Dezember 1960, BFHE 72, 364, BStBl III 1961, 135). Ist also (auch) der Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung (nur) von Garagen grunderwerbsteuerbegünstigt und rechnet die darauf errichtete Garage als Nebenraum zur steuerbegünstigten Wohnung, so setzt die Steuerbefreiung in diesem Falle weder voraus, daß beide Grundstücke von demselben Veräußerer erworben werden, noch daß dies (wie in den seltensten Fällen möglich) zu genau demselben Zeitpunkt geschieht. Sind der Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung der Wohnung und der Erwerb eines anderen Grundstücks zur Errichtung der Garage begünstigt und ist die Garage Teil der Wohnung, so entspricht es dem Wortlaut und Wortsinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrESWG, das Tatbestandsmerkmal "zur Errichtung von steuerbegünstigten Wohnungen" auch in den Fällen als erfüllt anzusehen, in denen die begünstigten Garagen erst nach Bezugsfertigkeit der begünstigten Wohnungen errichtet werden.

Das Gesetz fordert nicht, daß Wohnung und Garage genau gleichzeitig errichtet werden. Die Steuerbefreiung für den Erwerb des Grundstücks zur Errichtung begünstigter Garagen kann nicht schon grundsätzlich dann entfallen, wenn das für Garagen vorgesehene Grundstück erst nach Bezugsfertigkeit der Wohnung erworben wird und die Garagen erst nach diesem Zeitpunkt errichtet werden. Diese Auffassung würde geradezu dem Zweck des GrESWG (Förderung des sozialen Wohnungsbaues) zuwiderlaufen, da dann der Erwerber des für die Errichtung der Wohnungen vorgesehenen Grundstücks mit dem Baubeginn warten müßte, bis er auch das noch erforderliche Grundstück für die Garagen erwerben könnte. Außerdem würde er selbst die fristgerechte Errichtung der Wohnungen (§ 6 Abs. 2 GrESWG) gefährden. Wenn im übrigen beim Erwerb fertiger steuerbegünstigter Gebäude (vgl. § 2 Nrn. 1-4 GrESWG) auch der (Mit-)Erwerb fertiger Garagen als Nebenräume grunderwerbsteuerbefreit ist, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb aus der Zusammenschau dieser Befreiungsvorschriften der Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Errichtung von Garagen durch den Erwerber nur deshalb steuerpflichtig sein sollte, weil die Wohnungen zwischenzeitlich bezugsfertig errichtet worden sind (vgl. auch Troll, Kommentar zum Grundsteuerrecht, 2. Auflage, II. WoBauG Abschnitt 6 a. E., wonach Garagen, die später als die Wohnungen gebaut werden, das Schicksal der begünstigten Wohnungen teilen, wenn sie die Voraussetzungen des Abschnitts 6 Abs. 3 VA - II. WoBauG erfüllen).

Voraussetzung für die Grunderwerbsteuer-Befreiung ist nur, da der durch das Gesetz erstrebte Zweck des sozialen Wohnungsbaues zu erfüllen ist, daß die Verträge über den Erwerb der verschiedenen Grundstücke zur Errichtung von Wohnungen und Garagen unter dieser einheitlichen Zweckbestimmung stehen und daß dieser Zweck dadurch verwirklicht wird, daß die errichteten Wohnungen und Garagen ebenfalls in entsprechend zweckerfüllendem räumlichen Zusammenhang stehen, so daß die Gargen noch als Nebenräume (Nebengebäude, Zubehör) der Wohnungen angesehen werden können.

Die Einheitlichkeit der Zweckbestimmung bedingt wiederum, daß beim Erwerb mehrerer Grundstücke durch getrennte Verträge zwischen diesen Verträgen ein gewisser sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Der sachliche Zusammenhang ist hier darin zu erblicken, daß der Kläger - wie er unwidersprochen vorgetragen hat - nach der Reichsgaragenordnung vom 12. September 1939 (RGBl 219) zum Bau von Garagen verpflichtet war und daß die Garagen von vornherein in die Bebauungspläne einbezogen waren; dies wird dadurch bestätigt, daß der Kläger sich vertraglich ausdrücklich verpflichtet hatte, innerhalb bestimmter Frist die Garagen für die steuerbegünstigten Wohnungen zu errichten. - Für die Frage, ob auch der zeitliche Zusammenhang gewahrt ist, kann allerdings nicht - wie es das FG getan hat - die Zeitspanne zwischen Bezugsfertigkeit der bereits errichteten Wohnungen und dem Erwerb des für den Bau der Garagen bestimmten Grundstücks maßgebend sein. Da es um die Steuerpflicht oder Steuerfreiheit der Erwerbsvorgänge selbst geht, muß - ohne Rücksicht darauf, ob auf dem ersterworbenen Grundstück bereits Wohnungen errichtet werden (errichtet worden sind) oder nicht - gleichmäßig auf die Zeitspanne zwischen den verschiedenen Verträgen abgestellt werden. Den zeitlichen Zusammenhang im Regelfall nur bei einer Zeitspanne bis zu einem Jahr zu bejahen und eine Überschreitung dieser Spanne nur unter besonderen Umständen als unschädlich anzusehen (so der vom Kläger zitierte Erlaß des Finanzministeriums Rheinland-Pfalz vom 18. Juni 1965 S 4504/S 4506 A - IV S, Informationsdienst und Mitteilungsblatt des Deutschen Volksheimstättenwerks, 1967 S. 68) erscheint schon deshalb nicht frei von Bedenken, als dies angesichts heutiger vielfältiger Schwierigkeiten bei Grundstücksbeschaffung und Bauplanung zu nicht vertretbar zufälligen Ergebnissen führen müßte. Jedenfalls liegt es - wie vom Senat sogar für den dem Kauf einer bereits fertigen Garage nachfolgenden Kauf einer Eigentumswohnung in dem Beschluß II B 48/69 vom 17. Februar 1970 (BFHE 98, 372, 374, BStBl II 1970, 332) als möglich erwogen - näher, hierfür die vom Gesetz selbst für Nachversteuerung vorgesehenen Fristen gelten zu lassen. Für die Errichtung von Wohnungen und somit auch von Garagen auf unbebaut erworbenen Grundstücken gewährt § 6 Abs. 2 GrESWG eine Frist von 10 Jahren. Unter diesen Umständen kann eine Zeitspanne von rund zwei Jahren und sieben Monaten zwischen den Verträgen um so weniger als zu lang angesehen werden, als sich der Erwerb des für den Bau der Garagen bestimmten Grundstücks aus Gründen verzögerte, die nicht vom Kläger zu vertreten waren.

Der räumliche Zusammenhang setzt nicht voraus, daß Wohngrundstück und Garagengrundstück unmittelbar aneinandergrenzen. Es genügt für die wirtschaftliche Zugehörigkeit eine gewisse räumliche Nähe (BFHE 72, 364; vgl. § 97 BGB. Diese Voraussetzungen sind erfüllt; die steuerbegünstigten Wohnungen liegen nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des FG in unmittelbarer Nähe des Garagengrundstücks.

Demgemäß erweist sich die Revision des Beklagten als unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 70299

BStBl II 1973, 191

BFHE 1973, 540

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