Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsrückforderung bei mißglückter Lieferung aus einem Lager zur Schiffsbevorratung

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Pflicht des Lagerhalters, einen best. Pauschbetrag zu zahlen, wenn die Waren nicht an Bord von Schiffen zur Bevorratung gelangen.

2. Der im Pauschbetrag eingerechnete 20 %ige Zuschlag ist mit dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

3. Bei der Berechnung des Pauschbetrags muß nicht der Betrag an Ausfuhrerstattungen abgezogen werden, der im Fall einer mißglückten Lieferung an Seeschiffe bei einer normalen Ausfuhr hätte gezahlt werden müssen.

4. Zur Anwendung des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes.

 

Normenkette

EWGV 2730/79 Art. 26, 28

 

Tatbestand

Der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde ein Vorratslager zur Lieferung von Schiffsbedarf an bezugsberechtigte Seeschiffe i. S. des Art. 26 der Verordnung (EWG) Nr. 2730/79 (VO Nr. 2730/79) der Kommission über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen vom 29. November 1979 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 317/1) bewilligt. Im Rahmen dieser Bewilligung erwarb sie Marktordnungswaren, für die ihre Vorlieferanten Ausfuhrerstattungen nach Art. 26, 27 VO Nr. 2730/79 erhalten hatten, und lagerte diese in ihr Vorratslager ein. Am . . . beantragte sie die Erteilung eines Kontrollexemplars (KE) für die Lieferung von Schiffsbedarf an das Motorschiff ,,A" in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft. In Feld 104 KE hieß es: ,,Lieferung zur Bevorratung - VO Nr. 2730/79". Das KE wurde nach Abfertigung der Waren bei der Versandzollstelle und bei der Grenzzollstelle B als Abgangszollstelle dem deutschen Zollamt K irrtümlicherweise vorgelegt und einbehalten, der Ausgang der Ware aus dem Wirtschaftsgebiet vermerkt und das KE an die Versandzollstelle zurückgesandt. Die Ware wurde mit dem Versandschein T 1 weiterbefördert. Nachdem sie an der Grenze des Mitgliedstaates X wegen eines Streiks der Beamten zwei Tage aufgehalten worden war, traf die Sendung am . . . am Aufenthaltsort des Schiffes ,,A" ein. Die ,,A" war kurz zuvor ausgelaufen. Die Ware wurde sodann nach D in einem Nichtmitgliedstaat geschickt, und als Empfänger wurde die ,,A" genannt. Die Versandzollstelle teilte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt - HZA -) mit, die Ware sei nicht der vorgeschriebenen Verwendung zugeführt worden.

Mit Bescheid vom . . . - geändert mit zum Gegenstand des Verfahrens gemachtem Bescheid vom . . . - setzte das HZA gegen die Klägerin einen Pauschbetrag nach Art. 28 VO Nr. 2730/79 in Höhe von . . . DM fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit ihrer Klage beantragte die Klägerin, den Bescheid . . . in Gestalt der Einspruchsentscheidung, geändert durch den Änderungsbescheid vom . . ., aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab:

Vorgeschriebene Verwendung sei die Bevorratung von Seeschiffen in der Gemeinschaft gewesen (Art. 26 Abs. 1 VO Nr. 2730/79). Dieser Verwendung seien die Waren unzweifelhaft nicht zugeführt worden. Die Klägerin als Lagerhalterin habe daher nach Art. 28 Abs. 1 VO Nr. 2730/79 den Pauschbetrag zu entrichten. Auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 5. März 1980 Rs. 265/78 (EuGHE 1980, 617) könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen, da der dortige Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei. Auf den Pauschbetrag könnten Ausfuhrvergünstigungen, die bei einer Ausfuhr nach dem Nichtmitgliedstaat zu zahlen wären, nicht angerechnet werden, da dies in den Vorschriften über das Vorratslagerverfahren nicht vorgesehen sei. Es fehle bereits an einem Antrag der Klägerin für eine solche Ausfuhrerstattung; außerdem habe nicht sie, sondern die Lieferanten, von denen sie die Ware bezogen habe, Ausfuhrerstattung erhalten. Auf höhere Gewalt könne sich die Klägerin nicht berufen, da eine analoge Anwendung von Art. 22 Abs. 2, Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 2730/ 79 mangels Vergleichbarkeit ausscheide und es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz im Gemeinschaftsrecht nicht gebe, daß Fälle höherer Gewalt zu berücksichtigen seien. Im übrigen liege auch kein Fall höherer Gewalt vor. Die Einbehaltung des KE durch das Zollamt K hätte bei Anwendung der gehörigen Sorgfalt vermieden werden können.

Auf den Grundsatz von Treu und Glauben könne sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Die Anwendung dieses Grundsatzes setze im Regelfall voraus, daß sich der Steuerpflichtige und die Verwaltungsbehörde als Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses gegenüberstünden. Daran fehle es hier, weil nicht das HZA, sondern allenfalls das Zollamt K fehlerhaft verfahren sei. Außerdem habe das Zollamt K keinen Vertrauenstatbestand geschaffen.

Art. 28 VO Nr. 2730/79 verletze nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der 20 %ige Aufschlag sei rechtmäßig, um den Lagerhalter zur Einhaltung der vorgeschriebenen Verwendung der in das Vorratslager verbrachten Erzeugnisse anzuhalten. Dabei sei zu beachten, daß hier nicht ein formeller Fehler vorliege, wie etwa eine Fristüberschreitung, sondern die hier in Rede stehende Ware nicht der vorgeschriebenen Verwendung zugeführt worden sei, also ein materieller Fehler gegeben sei. Im Hinblick auf den Vorlagebeschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. August 1985 VII R 28/82 (BFHE 144, 316) sei die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Ihre Revision begründet die Klägerin im wesentlichen wie folgt:

Der Zuschlag verstoße gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er sei unangemessen hoch. Er sei außerdem willkürlich, weil die Kommission in vergleichbaren Fällen mit anderen Sätzen arbeite (vgl. Art. 25, Art. 28 Abs. 3 VO Nr. 2730/79). Es sei auch nicht einzusehen, weshalb der Zuschlag stets auf den gesamten Betrag der Eingangsabgaben nach Art. 28 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 2730/79 zu berechnen sei und nicht auf die bloße Differenz zu der Erstattung für eine etwa vorgenommene und erstattungsfähige Ausfuhr.

Es sei auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gegeben. Schiffsbedarfslieferungen seien der Ausfuhr erstattungsrechtlich gleichgestellt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 2730/79). Eine entsprechende Bestimmungsänderung (Schiffsbedarfslieferung statt Ausfuhr oder umgekehrt) sei also ohne Einfluß auf den Erstattungsanspruch. Auch bei differenzierter Erstattung habe eine nachträgliche Änderung des Bestimmungslandes grundsätzlich keinen Einfluß darauf, daß dem Grunde nach ein Erstattungsanspruch entstehe. Folglich dürfe auch im vorliegenden Fall die Bestimmungsänderung im Prinzip den Erstattungsanspruch nicht berühren. Dieser Situation trügen auch die Bestimmungen über im voraus gezahlte Ausfuhrerstattungen Rechnung, aus denen sich ergebe, daß Vorauszahlungen, die sich auf Grund nachträglicher Bestimmungsänderungen als überhöht darstellten, nicht voll zurückzuzahlen seien, sondern mit dem tatsächlich entstandenen Erstattungsanspruch saldiert würden. Für das Vorratslagerverfahren dürfe systemwidrig nichts anderes gelten. Daß nicht sie, die Klägerin, sondern ihre Vorlieferanten Ausfuhrerstattung beantragt und vorschußweise erhalten hätten, vermöge eine Abweichung vom System nicht zu rechtfertigen. Der Inhaber des Vorratslagers trete im weiteren Verlauf des Erstattungsverfahrens an die Stelle der ursprünglich Erstattungsberechtigten. Es wäre jedenfalls absurd, beim Inhaber des Vorratslagers nach Art. 28 VO Nr. 2730/79 zu kassieren und dem ursprünglich Erstattungsberechtigten die Erstattung auf Grund der Bestimmungsänderung ein zweites Mal zahlen zu wollen.

Der Inhaber eines Vorratslagers verpflichte sich zwar nach Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a VO Nr. 2730/79, die Ware in der Gemeinschaft auf Seeschiffe oder Luftfahrzeuge zu liefern. Die VO Nr. 2730/79 spreche aber auch an anderer Stelle bezüglich der Bestimmung der Ware von einer Verpflichtung, ohne daß im Falle der Nichteinhaltung der Verpflichtung gleich ein vollständiger Verlust des Erstattungsanspruches eintrete (vgl. Art. 22 Abs. 2 VO Nr. 2730/79). Angesichts des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 2730/79 sei nicht zu erkennen, daß eine Bestimmungsänderung im Vorratslagerverfahren strenger zu beurteilen sei als nach Art. 22 Abs. 2 VO Nr. 2730/79.

Den Begriff der höheren Gewalt (vgl. Art. 22 Abs. 2 VO Nr. 2730/79) habe das FG falsch ausgelegt. Die Einbehaltung des KE durch das Zollamt K sei selbst dann ungewöhnlich und unvorhersehbar, wenn für den Fahrer keine Veranlassung bestanden hätte, es beim Zollamt vorzulegen. Das weitere Verlangen des FG, der Fahrer hätte auf einer Aushändigung des KE bestehen müssen, überspanne die zumutbaren Sorgfaltsanforderungen. Im Gegensatz zu den Zollbeamten liefe der Fahrer nicht ständig mit der Erstattungsdienstanweisung unterm Arm herum.

Entgegen der Auffassung des FG stehe der Festsetzung des Pauschbetrages auch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Hier seien weder der steuerrechtliche noch der verwaltungsrechtliche Vertrauensschutzgrundsatz anzuwenden. Es handle sich um die Rückzahlung einer Subvention. Es müsse der Rechtsgedanke des § 162 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zum Tragen kommen. Der Inhaber eines Vorratslagers könne nicht dafür haftbar gemacht werden, daß ihm die Erfüllung seiner in Art. 26 VO Nr. 2730/79 übernommenen Verpflichtung, die Ware auf ein Seeschiff zu liefern, dadurch unmöglich gemacht werde, daß das Zollamt K das für die bestimmungsmäßige Verwendung der Ware erforderliche KE einbehalte.

Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Die Mitgliedstaaten können Ausfuhrerstattungen als Vorschuß zahlen, wenn der Nachweis erbracht wird, daß die Erzeugnisse in ein besonderes Vorratslager in der Gemeinschaft zur Bevorratung von Seeschiffen verbracht worden sind, dessen Lagerhalter zugelassen ist (Art. 26 Abs. 1 VO Nr. 2730/79). Die Zulassung wird Lagerhaltern nur erteilt, wenn diese sich schriftlich u. a. dazu verpflichten, die Erzeugnisse an Bord von Seeschiffen (oder Luftfahrzeugen) zu bringen und die im Falle der Anwendung des Art. 28 VO Nr. 2730/79 als Erstattungsrückzahlung verlangten Beträge zu zahlen (Art. 26 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a und e VO Nr. 2730/79). Wird festgestellt, daß ein in ein Vorratslager verbrachtes Erzeugnis nicht der vorgeschriebenen Verwendung zugeführt wurde, so hat der Lagerhalter an die zuständige Behörde einen Pauschbetrag zu entrichten (Art. 28 Abs. 1 VO Nr. 2730/79). Der Pauschbetrag wird berechnet, indem der Betrag der Eingangsabgaben ermittelt wird, die auf ein gleichartiges Erzeugnis anzuwenden sind, wenn dieses im Mitgliedstaat der Einlagerung zum freien Verkehr abgefertigt wird, und indem dieser Betrag um 20 % erhöht wird (Art. 28 Abs. 2 VO Nr. 2730/79). Diese Regelung ist unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht.

Die Voraussetzungen, an die Art. 28 Abs. 1 VO Nr. 2730/79 die Pflicht des Lagerhalters zur Zahlung des Pauschbetrags knüpft, sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Klägerin ist zugelassene Lagerhalterin und ist daher u. a. die in Art. 26 Abs. 2 VO Nr. 2730/79 genannten Verpflichtungen eingegangen. Nach Feststellung des FG sind die betreffenden Waren der vorgeschriebenen Verwendung (Verbringen an Bord eines Seeschiffes zu dessen Bevorratung) nicht zugeführt worden. Das HZA hat die Klägerin daher mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht auf Zahlung des Pauschbetrages in Anspruch genommen. Die Berechnungsweise des Betrages, die in den Bescheiden im einzelnen dargestellt ist, gibt zu Beanstandungen keinen Anlaß und ist im einzelnen von der Klägerin auch nicht angegriffen worden.

2. Die Einwendungen der Klägerin gegen die angefochtenen Bescheide halten einer näheren Prüfung nicht stand.

a) Nach Auffassung der Klägerin verstößt die Erhöhung des ermittelten Eingangsabgabenbetrages durch einen Zuschlag von 20 % gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Einwand richtet sich gegen die Gültigkeit der Regelung des Art. 28 Abs. 2 Buchst. b VO Nr. 2730/79. Er ist jedoch nicht stichhaltig.

In der Begründung der VO Nr. 2730/79 heißt es, daß, falls von der Möglichkeit der Vorausfestsetzung der Erstattung Gebrauch gemacht werde und sich nachträglich herausstelle, daß die Erstattung nicht hätte gezahlt werden dürfen, die Ausführer zu Unrecht in den Genuß eines kostenlosen Kredits gekommen seien, weshalb geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung eines solchen ungerechtfertigten Vorteils getroffen werden müßten. Im Hinblick auf diesen Zweck ist der Zuschlag in Höhe von 20 % nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Zur Begründung verweist der Senat auf das Urteil des EuGH vom 5. Februar 1987 Rs. 288/85 (EuGHE 1987, 611, 626), das zu dem gleichliegenden Problem der Anwendung des Art. 6 Abs. 1 und 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1957/69 der Kommission vom 30. September 1969 ergangen ist (ABlEG L 250/1).

Der Hinweis der Klägerin, in Art. 25 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 3 VO Nr. 2730/79 seien Zuschläge in Höhe von 15 bzw. 40 % vorgesehen, ist wohl als Rüge anzusehen, Art. 28 Abs. 2 Buchst. b VO Nr. 2730/79 sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz ungültig. Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen. Schon die Tatsache, daß den Inhabern eines Vorratslagers keine Frist für die endgültige Belieferung der Seeschiffe gesetzt ist, ist eine die Schiffsausrüster begünstigende Besonderheit, die wegen der damit verbundenen möglichen Höhe des kostenlosten Kredits einen Pauschsatz von 20 % anstatt z. B. von 15 % rechtfertigen. Der Festlegung des Satzes von 40 % in Art. 28 Abs. 3 VO Nr. 2730/79 liegen Besonderheiten zugrunde, die es jedenfalls ausschließen, den Zuschlagssatz von 20 % des Art. 28 Abs. 2 Buchst. b VO Nr. 2730/79 wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz für ungültig zu halten.

b) Art. 28 Abs. 2 VO Nr. 2730/79 sieht im Gegensatz zu Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 2730/79 nicht vor, daß bei der Berechnung des Pauschbetrages der Betrag an Ausfuhrerstattungen abgezogen werden muß, der im Fall einer mißglückten Lieferung an Seeschiffe bei einer normalen Ausfuhr hätte gezahlt werden müssen. Der Vorschrift kann auch nicht durch Auslegung entnommen werden, daß sie eine solche ungeschriebene Anrechnungsvorschrift enthält. Das Fehlen einer solchen Regelung macht Art. 28 VO Nr. 2730/79 auch nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ungültig.

Wie es in den Erwägungsgründen der VO Nr. 2730/79 ausdrücklich heißt, haben die Geschäfte im Zusammenhang mit der Bevorratung von Schiffen und Flugzeugen einen sehr spezifischen Charakter, der die Einführung einer Vorausfestsetzungsregelung für die Erstattung rechtfertigt. Diesem spezifischen Charakter der Geschäfte entspricht der spezifische Charakter der Regelung des Bevorratungsverfahrens. Besonderheiten im Vergleich zum normalen Verfahren bei der Gewährung von Ausfuhrerstattungen sind u. a. die Personenverschiedenheit von Begünstigten der Ausfuhrerstattung (= Lieferanten an das Vorratslager) und Verpflichteten für die Ausfuhr (= Lagerhalter, der die Waren an Bord der Schiffe zu liefern hat), die Zahlung der Ausfuhrerstattung bereits bei Lieferung ins Vorratslager, der Verzicht auf Sicherheitsleistung für den Vorschuß und auf eine durchgehende partienweise Nämlichkeitssicherung sowie das Fehlen einer Frist für die Lieferung an Bord. Auch bemißt sich der zurückzufordernde Pauschbetrag nicht nach der den Vorlieferanten gezahlten Ausfuhrerstattung - wohl wegen der Schwierigkeit, diese beim Lagerhalter im einzelnen jeweils festzustellen -, sondern nach dem (hypothetischen) Betrag der Eingangsabgaben. Diese Regelung ermöglicht offensichtlich, den an der Schiffsbevorratung Beteiligten ein den tatsächlichen Besonderheiten der Schiffsbelieferung genügendes möglichst einfaches Verfahren zur Verfügung zu stellen.

Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Fehlen der von der Klägerin vermißten Anrechnungsvorschrift eine ausfüllungsbedürftige Lücke darstellt. Der gemeinschaftsrechtliche Verordnungsgeber hat zur Vermeidung ungerechtfertigter Vorteile der Schiffsausrüster und von zusätzlichem Verwaltungsaufwand den Lagerhalter verpflichtet, die Erzeugnisse an Bord der Schiffe zu liefern, ihm also die Lieferung im normalen Ausfuhrverfahren untersagt. Es besteht daher kein Anlaß, in Fällen, in denen wie hier dem Lagerinhaber die Lieferung an Bord mißglückt ist, er also seine Verpflichtungen nicht eingehalten hat, ihm die Ausfuhrerstattungen gutzubringen, die zu erhalten gewesen wären, wenn die betreffenden Waren im normalen Verfahren ausgeführt worden wären. Das gilt um so mehr, als dies, wie der vorliegende Fall zeigt, erhebliche zusätzliche Verwaltungsarbeit verursacht hätte, die auf den Verzicht der partienweisen Nämlichkeitssicherung und die mangelnde Identität von Erstattungsempfänger und Lagerhalter zurückzuführen ist.

Aus dem EuGH-Urteil in EuGHE 1987, 611, 626 ergibt sich nichts anderes. Der dort zu entscheidende Fall gleicht in allen wesentlichen Punkten nicht dem vorliegenden (vgl. auch das aufgrund dieser Vorabentscheidung ergangene Senatsurteil vom 2. Februar 1988 VII R 28/82, BFH / NV 1989, 62). Die dort aufgestellten Grundsätze können hier also nicht entsprechend angewendet werden. Aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. a VO Nr. 2730/79 ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nichts anderes. Danach ist zwar die Lieferung zur Bevorratung ,,der Ausfuhr aus der Gemeinschaft gleichgestellt". Das bedeutet aber lediglich, daß auch solche Lieferungen grundsätzlich ausfuhrerstattungsberechtigt sind, nicht aber, daß der Verordnungsgeber gehalten ist, die Verfahren insbesondere der vorschußweisen Gewährung der Ausfuhrerstattungen unbedingt gleich zu regeln.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich auch, daß die so zu verstehende Regelung des Art. 28 VO Nr. 2730/79 nicht gegen den Gleichheitssatz (Diskriminierungsverbot) verstößt. Die Besonderheiten der Regelungen entsprechen den Besonderheiten der zu regelnden Umstände.

c) Art. 28 VO Nr. 2730/79 sieht nicht vor, daß der Pauschbetrag bzw. der Zuschlag von 20 % nicht zu bezahlen ist, wenn die Waren aus Gründen höherer Gewalt nicht der vorgeschriebenen Verwendung zugeführt worden sind. Das Fehlen einer solchen von der Klägerin vermißten Regelung stellt keine Lücke dar, die im Wege der Analogie - etwa in Anlehnung an Art. 22 Abs. 2 oder Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 2 VO Nr. 2730/79 - ausgefüllt werden könnte. Das ergibt sich auch aus dem EuGH-Urteil vom 14. Februar 1978 Rs. 68/77 (EuGHE 1978, 353, 370), auf das das FG zu Recht in diesem Zusammenhang hingewiesen hat. Danach enthält das Gemeinschaftsrecht keinen Rechtsgrundsatz, daß Fälle höherer Gewalt stets zugunsten des Marktbürgers zu berücksichtigen sind. Gegen eine analoge Anwendung von Vorschriften der VO Nr. 2730/79, in denen dem Beteiligten Fälle höherer Gewalt zugute gehalten werden, sprechen schon die oben aufgezeigten Besonderheiten des Bevorratungsverfahrens. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß es der Verordnungsgeber nur aus Versehen unterlassen hat, die Pflicht zur Zahlung des Pauschbetrages bzw. des Zuschlages davon abhängig zu machen, daß kein Fall höherer Gewalt vorliegt. Es bedarf daher keines Eingehens auf die Ausführungen der Vorinstanz, ein Fall höherer Gewalt liege nicht vor, und auf die Rügen der Revision dazu.

d) Auf den Grundsatz von Treu und Glauben kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen.

Die Pflicht der Klägerin, den Pauschbetrag zu zahlen, ergibt sich aus Art. 28 VO Nr. 2730/79, also aus Gemeinschaftsrecht. Wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts kann dieser Pflicht also der nationale Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben nicht entgegengehalten werden. Vielmehr kann sich eine Unanwendbarkeit des Art. 28 VO Nr. 2730/79 gegenüber der Klägerin allenfalls aus dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes oder der Rechtssicherheit ergeben, wonach das berechtigte Vertrauen der Betroffenen zu schützen ist (Pernice in Grabitz, Kommentar zum EWGV, Art. 164 Anm. 93 ff. mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH; vgl. auch Senatsurteil vom 23. Februar 1988 VII R 31/86 und VII R 29/87, BFHE 152, 382, 390). Im vorliegenden Fall fehlt es aber an einem Verhalten der Verwaltung, das zu einem schutzwürdigen Vertrauen der Klägerin hätte führen können. Als vertrauenstiftendes Ereignis kommt hier allenfalls das Verhalten des Zollamts K in Betracht, das dem Fahrer des betreffenden Lastzuges das irrtümlich vorgelegte KE nicht zurückgab. Es fragt sich schon, ob das Verhalten der Zollstelle überhaupt geeignet war, ein berechtigtes Vertrauen der Klägerin zu begründen, und zu welchem schutzwürdigen Vertrauen der Klägerin dieses Verhalten hätte Anlaß geben können. Jedenfalls aber ging dem Verhalten dieser Zollstelle, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, ein Fehler des Fahrers voraus, der das KE nicht hätte vorlegen dürfen. Das ist aber ein Fehler, der im Verantwortungsbereich der Klägerin geschehen ist und dieser zugerechnet werden muß. Die Klägerin hätte z. B. durch entsprechende Weisungen an den Fahrer sicherstellen können, daß dieser das KE der Zollstelle nicht vorlegte oder wenigstens wieder zurückforderte. Ein Vertrauen der Klägerin in ein bestimmtes zukünftiges Verhalten der Zollverwaltung - wenn es denn vorliegen sollte - ist daher jedenfalls nicht schutzwürdig.

3. In Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 (EuGHE 1982, 3415) sieht sich der Senat zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nicht verpflichtet (Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft). Soweit es sich um die Frage der Gültigkeit der hier in Betracht kommenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts handelt, braucht der Senat eine Vorabentscheidung nicht einzuholen, da er von der Gültigkeit dieser Bestimmungen ausgeht (vgl. Senatsurteil in BFHE 152, 382). Im übrigen hält der Senat die richtige Anwendung des Gemeinschaftrechts - nicht zuletzt im Hinblick auf die zitierten Urteile des EuGH - für offenkundig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416543

BFH/NV 1990, 336

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