Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen des Nutzungsberechtigten beim Wirtschaftsüberlassungsbetrag als wiederkehrende Bezüge und als Betriebsausgaben

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem sog. Wirtschaftsüberlassungsvertrag sind die vom Nutzungsberechtigten vertragsgemäß übernommenen Leistungen beim Hofeigentümer als wiederkehrende Bezüge zu erfassen, soweit es sich nicht um Unterhaltsleistungen handelt (Ergänzung zu dem BFH-Urteil vom 18.Februar 1993 IV R 106/92, BFHE 170, 553).

 

Orientierungssatz

1. Bei einem sog. Wirtschaftsüberlassungsvertrag erzielt der Hofeigentümer auch weiterhin Einkünfte aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft, solange er nicht die Betriebsaufgabe erklärt hat (vgl. BFH-Urteil vom 23.1.1992 IV R 104/90). Übernimmt der Nutzungsberechtigte vertragsgemäß Zinsleistungen und Tilgungsleistungen sowie die Gebäudeaufwendungen mit befreiender Wirkung im Innenverhältnis, kann der Hofeigentümer die Zinsen und Gebäudeaufwendungen als Betriebsausgaben abziehen.

2. Parallelentscheidung: BFH, 18.2.1993, IV R 51/92, NV.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 13 Abs. 1, § 22 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb im Jahre 1983 als Vorerbin einen 56,6493 ha großen Hof, der am 12.April 1989 ihrem Sohn mit Vollendung seines 30.Lebensjahres als Nacherben zufiel. Im Juni 1983 überließ die Klägerin den landwirtschaftlichen Betrieb ihrem Sohn auf die Dauer von 10 Jahren. Nach dem Betriebsüberlassungsvertrag erhielt der Sohn das Nutzungsrecht am Hof und das volle Verfügungsrecht über das gesamte lebende und tote Inventar als sog. "eisernes Inventar". Dafür wurde der Klägerin ein Wohnrecht eingeräumt sowie Verpflegung und Fürsorge gewährt. Die betrieblichen Forderungen und Verbindlichkeiten verblieben bei der Klägerin, die Zins- und Tilgungsleistungen übernahm der Sohn ebenso wie die Gebäudeaufwendungen (öffentliche Abgaben und Versicherungsbeiträge) mit befreiender Wirkung im Innenverhältnis. Barleistungen waren nicht zu erbringen.

Für die Streitjahre 1983 bis 1985 erklärte die Klägerin weiterhin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, ließ die von ihrem Sohn erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen sowie die Gebäudeaufwendungen jedoch außer Ansatz. Die Veranlagungen wurden erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt. Nach einer für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die vom Sohn übernommenen Leistungen seien bei der Klägerin als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassen und Zins- und Gebäudeaufwendungen bei ihr als Betriebsausgaben abzusetzen. Die Einkommensteuerbescheide wurden entsprechend geändert.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit der Begründung statt, der Betriebsüberlassungsvertrag sei einkommensteuerlich anzuerkennen, mit der Übernahme der laufenden Aufwendungen habe der Sohn jedoch keine Versorgungsleistungen erbracht, so daß diese Zahlungen bei der Klägerin weder als wiederkehrende Bezüge zuzurechnen noch als Betriebsausgaben abziehbar seien.

Das FA rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das FA hat die vom Sohn der Klägerin übernommenen Leistungen zu Recht den sonstigen Einkünften der Klägerin zugerechnet und diese bei ihr mit Ausnahme der Tilgungsleistungen zugleich als Betriebsausgaben berücksichtigt.

1. Im Streitfall hat die Klägerin ihrem Sohn aufgrund eines sog. Wirtschaftsüberlassungsvertrags unentgeltlich die Nutzung ihres land- und forstwirtschaftlichen Betriebs übertragen. Diese Vereinbarung erfüllt die Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Senats an derartige Gestaltungen zur Vorbereitung der Hofesnachfolge zu stellen sind (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24.Juli 1975 IV R 99/72, BFHE 116, 364, BStBl II 1975, 772, und vom 5.Februar 1976 IV R 31/74, BFHE 118, 37, BStBl II 1976, 335). Die aufgrund einer solchen Vereinbarung erbrachten altenteilsähnlichen Leistungen unterliegen beim Nutzungsberechtigten dem Sonderausgabenabzug als dauernde Lasten nach § 10 Abs.1 Nr.1 a EStG und sind beim Hofeigentümer als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr.1 EStG zu erfassen (BFH-Urteil vom 23.Juni 1977 IV R 43/73, BFHE 122, 500, BStBl II 1977, 719; Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847).

2. Entgegen der Auffassung des FG gehören die vertragsgemäß vom Nutzungsverpflichteten übernommenen betrieblichen Aufwendungen und Tilgungsleistungen jedoch ebenfalls zu den sonstigen Einkünften der Klägerin. Dabei handelt es sich zwar nicht um altenteilsähnliche Leistungen im engeren Sinne, gleichwohl jedoch um wiederkehrende Bezüge i.S. des § 22 Nr.1 EStG).

a) Wie der Senat mit dem Urteil vom 18.Februar 1993 IV R 106/92, BFHE 170, 553 entschieden hat, sind die vom Nutzungsberechtigten vertragsgemäß übernommenen weiteren Leistungen wirtschaftlich nicht als Entgelt zu beurteilen, weil sie nicht als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung erbracht werden. Sie gehören vielmehr zu den Vermögenserträgen, die sich der Hofeigentümer mit der Nutzungsüberlassung vorbehalten hat. Der Nutzungsberechtigte muß diese Erträge erwirtschaften und kann sie bei Ermittlung seines Einkommens als Sonderausgaben (dauernde Lasten) abziehen. Dem entspricht es, daß das FA diese Beträge einschließlich der Tilgungsleistungen bei der Klägerin und Hofeigentümerin in voller Höhe als wiederkehrenden Bezug nach § 22 Nr.1 EStG erfaßt hat. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum vertreten (vgl. Wätzig, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf-- 1982, 437; Felsmann, Inf 1985, 389; ders. in Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3.Aufl. 1983, Anm.A 701, A 711; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl. 1992, § 13 Anm.9 c, und beschränkt auf die Übernahme der Tilgungsleistungen: Leingärtner/Zaisch, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2.Aufl. 1991, Rdnr.1440; vgl. ferner Urteil des FG Münster vom 17.Mai 1989 XII 7937/87, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1990, 110). Der davon abweichenden Auffassung (vgl. Ostmeyer, Inf 1986, 175; Pape, Inf 1991, 50, und Märkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 6.Aufl. 1992, Rdnr.324) ist der Senat aus den in BFHE 170, 553 dargelegten Erwägungen, auf die verwiesen wird, nicht gefolgt.

b) Allerdings hat der erkennende Senat in der Sache IV R 106/92 auch entschieden, daß die zugunsten des Hofeigentümers übernommenen Leistungen dem Abzugsverbot des § 12 Nr.2 EStG unterliegen, wenn es sich um Unterhaltsleistungen handelt. In diesem Fall scheidet auch eine Berücksichtigung dieser Leistungen als wiederkehrender Bezug aus. Nach der Rechtsprechung des BFH liegt eine nicht abziehbare Unterhaltsleistung dann vor, wenn unter Berücksichtigung der Gegenleistung der Unterhaltscharakter offensichtlich überwiegt (grundlegend zuletzt Beschluß des BFH vom 15.Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78, 85). Danach kann ein wesentlicher Anhaltspunkt für das Überwiegen im allgemeinen darin gesehen werden, daß der Wert der Gegenleistung bei überschlägiger und großzügiger Berechnung weniger als die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung beträgt. Im Urteil IV R 106/92 hat der Senat aus den Besonderheiten des Wirtschaftsüberlassungsvertrags als einer Nutzungsüberlassung mit erbrechtlichem Bezug gefolgert, daß auf die genannte Vergleichsrechnung bei derartigen Gestaltungen zwar nicht verzichtet werden kann, daß der Vergleichsrechnung aber nicht der Wert der bloßen Nutzungsüberlassung, sondern wie bei der Hofübergabe selbst, der Wert des Betriebsvermögens zugrunde zu legen ist.

Im Streitfall ergeben sich keine Anzeichen für ein Überwiegen des Unterhaltscharakters der vom Nutzungsberechtigten übernommenen Leistungen. Solche Anhaltspunkte hat das FA auch nicht geltend gemacht. Die Leistungen sind daher von der Klägerin als wiederkehrender Bezug nach § 22 Nr.1 EStG zu versteuern.

3. Der Revision ist auch darin beizupflichten, daß die von der Klägerin als wiederkehrender Bezug zu versteuernden Zuwendungen des Nutzungsberechtigten mit Ausnahme der Tilgungsleistungen bei ihr zugleich als Betriebsausgaben abziehbar sind. Es handelt sich bei diesen Beträgen um Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs.4 EStG). Als Hofeigentümerin erzielt die Klägerin auch weiterhin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, solange sie nicht die Betriebsaufgabe erklärt hat (BFH- Urteil vom 23.Januar 1992 IV R 104/90, BFHE 167, 84). Sie hat diese Aufwendungen auch getragen. Insbesondere war sie auch nach der Nutzungsüberlassung bis zur endgültigen Hofübertragung Schuldnerin der betrieblichen Verbindlichkeiten. Der im Wirtschaftsüberlassungsvertrag vereinbarte Schuldbeitritt hat nicht zum Übergang der Verbindlichkeiten auf den Nutzungsberechtigten geführt. Für die betriebliche Veranlassung der Aufwendungen ist die Herkunft der Mittel ohne Bedeutung.

4. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war seine Entscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64816

BStBl II 1993, 548

BFHE 170, 557

BB 1993, 1279 (L)

DB 1993, 1451 (L)

DStR 1993, 941 (KT)

DStZ 1993, 497 (KT)

HFR 1993, 641 (KT)

StE 1993, 339 (K)

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