Leitsatz (amtlich)

Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Kommission der EG den Währungsausgleichsbetrag für Mais auf der Grundlage des Maisinterventionspreises berechnet und die Produktionserstattung für Mais zur Stärkeherstellung nicht mindernd berücksichtigt hat.

 

Normenkette

EWGV 3013/80 Anh 1; GZT Tarifnr 10.05 Tarifst B; EWGV 974/71 Art. 2 Abs. 1 Fassung: 1975-02-27, Abs. 3 Fassung: 1975-02-27; EWGV 2742/75

 

Tatbestand

I. Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen), zusammengeschlossen in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), meldeten in ihrer Sammelzollanmeldung vom 4.November 1980 von ihnen eingeführten und angeschriebenen Mais an. Sie errechneten dafür im Wege der Selbstberechnung auf der Grundlage eines Satzes von 37,75 DM/t einen Währungsausgleichsbetrag (WAB) von insgesamt X DM, den sie auch entrichteten. Mit Schreiben vom 6.Februar 1981 beantragten die Klägerinnen die Erstattung von Y DM mit der Begründung, der WAB für Mais, der zur Stärkeherstellung bestimmt sei, dürfe nur 33,57 DM/t betragen, da Ausgangspunkt der Interventionspreis, vermindert um die Produktionserstattung nach der Verordnung (EWG) Nr.2742/75 (VO Nr.2742/75) des Rates vom 29.Oktober 1975 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 281/57 vom 1.November 1975), sein müsse; in Anhang II der Verordnung (EWG) Nr.3013/80 (VO Nr.3013/80) der Kommission vom 21.November 1980 (ABlEG L 312/12 vom 22.November 1980) sei eine entsprechende Position für Mais zur Stärkeherstellung unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Produktionserstattung für dieses Erzeugnis vergessen worden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) lehnte mit Schreiben vom 3.März 1981 den Erstattungsantrag ab.

Die Sprungklage der Klägerinnen hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus:

Die WAB seien durch die Verordnung (EWG) Nr.974/71 (VO Nr. 974/71) des Rates vom 12.Mai 1971 (ABlEG L 106/1 vom 12.Mai 1971, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- M 0901) eingeführt worden, um eine Desorganisation des in der Gemeinschaftsregelung vorgesehenen Interventionssystems infolge der Währungsschwankungen in bestimmten Mitgliedstaaten zu verhindern. Die WAB für das Grunderzeugnis Mais seien dementsprechend folgerichtig auf der Grundlage des Interventionspreises für Mais bestimmt worden. Die Produktionserstattung werde nach der VO Nr.2742/75 gewährt für Mais, der u.a. für die Herstellung von Stärke verwendet werde. Diese Produktionserstattung sei auf den Verwendungszweck ausgerichtet. Sie werde nicht dem Einführer von Mais, sondern dem Stärkehersteller gewährt. Die Produktionserstattung wirke sich preislich erst auf der Stufe der Verarbeitungserzeugnisse aus. Allein dieser Tatsache habe die Kommission in der VO Nr.3013/80 Rechnung getragen. Auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 15.Oktober 1980 Rs.145/79 (EuGHE 1980, 2917) könnten sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg berufen, da sich dieses Urteil nur auf die Festsetzung der WAB für das Verarbeitungserzeugnis Maisstärke beziehe. Ein Ungleichgewicht im Verhältnis zwischen Ein- und Ausfuhr derselben Erzeugnisse sei nicht erkennbar. Soweit die Klägerinnen in diesen Vergleich die Verarbeitungserzeugnisse miteinbezögen, handle es sich um ungleiche Sachverhalte. Aus den Ausführungen der Klägerinnen könne ferner nur entnommen werden, daß auf dem Maissektor wirtschaftliche Unterschiede zwischen Auf- und Abwertungsländern bestünden und die --systemwidrige-- Berücksichtigung der Produktionserstattung bei der Festsetzung der WAB für das Grunderzeugnis Mais diese Unterschiede allenfalls abschwächen könnte. Dies entspreche aber weder der Zweckbestimmung der Produktionserstattung noch der Aufgabe der WAB.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist nicht begründet.

1. Die Klägerinnen halten die maßgeblichen Vorschriften der VO Nr.3013/80 für ungültig. Als Rechtsgrundlage für den von ihnen geltend gemachten Erstattungsanspruch käme daher --entschiede der EuGH auf Vorabentscheidungsersuchen des erkennenden Senats entsprechend-- ein Ausspruch des EuGH über die Auswirkungen seiner Ungültigkeitserklärung in Betracht (Art. 174, 176 EWGV; vgl. z.B. auch Absätze 50-52 des Urteils in EuGHE 1980, 2917, 2946). Unterließe der EuGH einen solchen Ausspruch, so wäre mögliche Rechtsgrundlage Art.2 Abs.1 zweite Alternative der Verordnung (EWG) Nr.1430/79 (VO Nr.1430/79) des Rates vom 2.Juli 1979 (ABlEG L 175/1 vom 12.Juli 1979, VSF Z 0250). Danach sind Eingangsabgaben --zu denen nach Art.1 Abs.2 Buchst.a VO Nr.1430/79 auch die bei der Einfuhr zu erhebenden WAB zählen-- zu erstatten, wenn der erfaßte Betrag die gesetzlich zu erhebenden Abgaben übersteigt. Der Antrag kann innerhalb von drei Jahren nach der buchmäßigen Erfassung der Abgaben gestellt werden (Art.2 Abs.2 VO Nr.1430/79). Der Senat teilt in Anbetracht des klaren Wortlauts des Art.2 VO Nr.1430/79 nicht die Auffassung von Christiansen (in Bail/Schädel/Hutter, Kommentar Zollrecht, Stand Juni 1985 F IX 1/2 S.1 Anm.2), die VO Nr.1430/79 regle die Erstattung bzw. den Erlaß nur für Fälle, in denen aufgrund von Fehlern oder Irrtümern die Abgaben unrichtig festgesetzt worden seien.

2. Die Klägerinnen haben Mais der Tarifst. 10.05 B des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) eingeführt. Nach Anhang I der VO Nr. 3013/80 betrug der bei der Einfuhr solcher Waren in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) zu erhebende WAB 37,75 DM/t. Auf dieser Grundlage sind die von den Klägerinnen entrichteten WAB berechnet worden. Dieser Betrag übersteigt den "gesetzlich zu erhebenden" (Art.2 Abs.1 VO Nr.1430/79) nur dann, wenn diese Vorschrift der VO Nr.3013/80 ungültig ist. Der Senat folgt der Auffassung der Klägerinnen nicht, daß dem so sei.

3. Nach der Verordnung (EWG) Nr.1872/80 (VO Nr.1872/80) des Rates vom 15.Juli 1980 (ABlEG L 184/6 vom 17.Juli 1980) betrug der Interventionspreis für Mais 155,88 ECU (*= European Currency Unit), der repräsentative Kurs nach der Verordnung (EWG) Nr. 1366/80 (VO Nr.1366/80) des Rates vom 5.Juni 1980 (ABlEG L 140/19 vom 5.Juni 1980) 2,75157 DM für eine ECU. Bei einer Aufwertungsrate von 8,8 % errechnete sich daraus ein WAB von 37,75 DM/t Mais (vgl. Verordnung (EWG) Nr.2034/80 --VO Nr. 2034/80-- der Kommission vom 28.Juli 1980, ABlEG L 201/1 vom 1.August 1980). Diese Art der Berechnung des WAB für Mais entspricht den Vorschriften der VO Nr.974/71. Dagegen widerspräche es diesen Vorschriften, würde der WAB für Mais auf der Grundlage des um die Produktionserstattung für Mais bei Verarbeitung zu Stärke verminderten Interventionspreises (*= 155,80 ECU ./. 17,23 ECU; vgl. auch VO Nr.2742/75) errechnet.

a) Aus den Vorschriften der VO Nr.974/71 und ihren Erwägungsgründen ergibt sich, daß mit der Einführung des Währungsausgleichs sowohl hinsichtlich der Grunderzeugnisse als auch hinsichtlich der abhängigen Erzeugnisse der Zweck verfolgt wird, die Auswirkungen der Schwankungen unbeständiger Wechselkurse zu korrigieren, die in einem auf gemeinsame Preise gegründeten System von Marktorganisationen für landwirtschaftliche Erzeugnisse geeignet wären, Störungen im Handelsverkehr hervorzurufen und namentlich die für diese Erzeugnisse vorgesehene Interventionsregelung in Frage zu stellen. Die Einführung der WAB zielt demnach hauptsächlich auf die Beibehaltung des Systems der einheitlichen Preise in den Agrarmarktorganisationen ab, da dieses System angesichts der mit den Agrarmarktorganisationen verbundenen Ziele der Erhaltung des Lebensstandards der landwirtschaftlichen Erzeuger und der Stabilisierung der Märkte die Grundlage für den freien Verkehr mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen innerhalb der Gemeinschaft bildet. Mit ihr ist kein zusätzlicher Schutz der Märkte auf dem Agrarpreisniveau dieses oder jenes Mitgliedstaats im Verhältnis zu den anderen beabsichtigt und darf dies --da mit der angestrebten Einheitlichkeit unvereinbar-- auch nicht sein (vgl. EuGHE 1980, 2917, 2936, Abs.11 der Gründe).

Diesen Zielvorstellungen des Währungsausgleichssystems ist zu entnehmen, welche Bezugsgröße mit dem Begriff "Preise" i.S. des Art.2 Abs.1 VO Nr.974/71 gemeint ist. Als Preisniveau, von dem bei der Berechnung der WAB für Grunderzeugnisse auf dem Getreidesektor --zu denen auch Mais der Tarifst.10.05 B GZT zählt (vgl. Art.1 der Verordnung (EWG) Nr.2727/75 --VO Nr. 2727/75-- des Rates vom 29.Oktober 1975, ABlEG L 281/1 vom 1.November 1975, VSF M 0209)-- auszugehen ist, kommen im Regelfall nur die Garantiepreise in Betracht (vgl. EuGH-Urteile vom 9.März 1978 Rs.79/77, EuGHE 1978, 611, 619, und vom 20.November 1979 Rs.162/78, EuGHE 1979, 3467, 3487; Schlußanträge des Generalanwalts Mayras in den Rs.4/79, 109/79 und 145/79, EuGHE 1980, 2855, 2871). Das ist bei Mais der den Erzeugern in der Gemeinschaft garantierte Preis (Interventionspreis), auf dessen Grundlage der im vorliegenden Fall maßgebende WAB für Mais festgesetzt worden ist. Der WAB mußte, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, auf dieser Basis errechnet werden, damit der Preis des eingeführten Maises im Einklang mit dem den Erzeugern in der Gemeinschaft gewährten Preis stand.

Daß diese Art der Festsetzung des WAB für Mais keinen rechtlichen Bedenken unterliegt, ergibt sich aus den drei EuGH-Urteilen vom 15.Oktober 1980 Rs.4/79, 109/79 und 145/79 (EuGHE 1980, 2823, 2883 und 2917; vgl. auch das diese Rechtsprechung bestätigende EuGH-Urteil vom 3.Juli 1985 Rs.39/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 488, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern --ZfZ-- 1985, 302). In diesen Entscheidungen ist der EuGH ohne weiteres von der Richtigkeit des so errechneten WAB für Mais ausgegangen (EuGHE 1980, 2939 Abs.20 der Gründe: "Die Ausgleichsbeträge für das Grunderzeugnis Mais sind auf der Grundlage des Interventionspreises für Mais bestimmt worden."). Der EuGH hat diesen WAB ohne jede Änderung zum Maßstab für die Entscheidung gemacht, ob die von der Kommission festgesetzten WAB für Maisverarbeitungserzeugnisse gerechtfertigt sind.

b) Mit diesen Grundsätzen ist die Auffassung der Klägerinnen nicht vereinbar, der WAB für Mais sei auf der Grundlage der um die Produktionserstattung verminderten Interventionspreise zu errechnen. Schon aus Art.2 Abs.3 VO Nr.974/71 (i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 475/75, ABlEG L 52/58 vom 28.Februar 1975; jetzt Art.2 Abs.4 VO Nr.974/71, VSF M 0901) ergibt sich --worauf das FG zu Recht hingewiesen hat--, daß nur ausnahmsweise und nur auf Grund einer ausdrücklichen Regelung von der Zugrundelegung des Interventionspreises abgewichen werden kann. Überdies gilt der um die Produktionserstattung verminderte Interventionspreis nicht für Mais schlechthin, sondern ist auf den Verwendungszweck ausgerichtet und soll, wie auch die Erwägungsgründe in der VO Nr.2742/75 deutlich machen, sich erst bei den Verarbeitungserzeugnissen selbst auswirken. Würde der WAB für Mais unter Zugrundelegung dieses verringerten Interventionspreises errechnet werden, so führte das praktisch zu einer doppelten Berücksichtigung der Produktionserstattung in jenen Fällen, in denen der Mais im Anschluß an seine Abfertigung zum freien Verkehr und nach Erhebung des (niedrigeren) WAB zur Herstellung von Stärke verwendet wird; denn unabhängig von der Höhe des bei der Einfuhr gezahlten WAB besteht bei einer solchen Verarbeitung ein Anspruch auf die Gewährung einer entsprechenden Produktionserstattung (vgl. auch § 3 Abs.1 Nr.1 der Verordnung über die Gewährung einer Produktionserstattung im Getreide- und Reissektor vom 20.Dezember 1974 --Bundesanzeiger (BAnZ) Nr.241 vom 31.Dezember 1974, VSF M 5026--, wonach die Produktionserstattung für Grunderzeugnisse gewährt wird, die sich im zollrechtlich freien Verkehr des Zollgebietes befinden). In Fällen, in denen der eingeführte Mais zu anderen Zwecken als denen, für die eine Produktionserstattung vorgesehen ist, verwendet wird, ist die Berücksichtigung der Produktionserstattung bei der Errechnung des WAB ohnehin wirtschaftlich ohne Sinn und würde zu einem WAB führen, der nicht mehr nur die Auswirkungen der Wechselkursänderungen korrigieren und damit dem vom EuGH in der zitierten Rechtsprechung betonten Gebot strikter Neutralität der WAB zuwiderlaufen würde.

Zu Unrecht halten die Klägerinnen die Neutralität und das Gleichgewicht des WAB für Mais sowie das Nichtdiskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechts nur für gewahrt, wenn der WAB auf der Grundlage des um die Produktionserstattung verminderten Interventionspreises berechnet wird. Die Nachteile, die nach den Ausführungen der Klägerinnen der Maisverarbeitungsindustrie in den Aufwertungsländern durch die Herabsetzung der WAB für Maisverarbeitungserzeugnisse auf Grund der VO Nr.3013/80 erwachsen, beruhen auf einem Vergleich des WAB für Mais mit den durch die letztgenannte Verordnung festgesetzten WAB für Maisfolgeprodukte. Damit vergleichen die Klägerinnen aber Unvergleichbares. Der WAB für Mais, der in seiner Verwendbarkeit nicht eingeschränkt ist, kann ohne Verstoß gegen das besagte Neutralitätsgebot nur richtig festgesetzt werden, wenn allein die Auswirkungen der Schwankungen der Wechselkurse beim Grunderzeugnis Mais korrigiert werden. Diese Auswirkungen müssen nach Art.2 Abs.1 VO Nr.974/71 auch in vollem Umfange ausgeglichen werden (vgl. EuGH-Urteil vom 12.November 1974 Rs.34/74, EuGHE 1974, 1217, 1230). Eine Festsetzung des WAB für Mais nach anderen Grundsätzen mit dem Ziel, etwaige nachteilige Folgen der besonderen Festsetzung von WAB für Maisverarbeitungsprodukte auszugleichen, lassen die Vorschriften der VO Nr.974/71 nicht zu.

Die Klägerinnen können sich auch nicht mit Erfolg auf die Urteile in EuGHE 1980, 2823, 2883 und 2917 berufen. Diese Urteile befassen sich lediglich mit den WAB für Maisverarbeitungserzeugnisse. Auch wenn der EuGH die von den Klägerinnen gestellte Frage, ob die Summe der WAB für die Verarbeitungserzeugnisse deutlich niedriger sein dürfe, als der WAB für die entsprechende Menge des Grunderzeugnisses, i.S. der Ausführungen der Klägerinnen in ihrer Revisionsbegründung beantworten und die entsprechende Regelung der VO Nr.3013/80 deswegen für ungültig erklären würde, ergäbe sich daraus noch nichts für die Annahme einer Unrechtmäßigkeit des WAB für das Grunderzeugnis Mais. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, etwaige Fehler bei der Festsetzung der WAB für Verarbeitungserzeugnisse durch --systemwidrige-- Korrekturen des WAB für das Grunderzeugnis richtigzustellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 61086

BFHE 145, 258

BFHE 1986, 258

HFR 1986, 201-202 (ST)

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