Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergebliche Aufwendungen nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar

 

Leitsatz (NV)

Aufwendungen für die Finanzierung eines Grundstücks sind nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar, wenn der Steuerpflichtige das für eigene Wohnzwecke geplante Einfamilienhaus nicht auf diesem Grundstück errichtet, sondern ein anderes Objekt erwirbt.

 

Normenkette

EStG § 10e Abs. 6

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb 1986 ein unbebautes (baureifes) Grundstück. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm er einen Kredit auf.

Ende 1986 / Anfang 1987 verhandelte er mit einer Wohnungsbaugesellschaft, die schlüsselfertig Typenhäuser herstellte, über die Errichtung eines Einfamilienhauses. Er erhielt entsprechendes Prospektmaterial, eine Baubeschreibung und Unterlagen über eine mögliche öffentliche Förderung. Außerdem erstellte die Gesellschaft im März und im Juni 1987 Finanzierungspläne für das Objekt.

Im Herbst 1988 gab der Kläger seine Bebauungspläne wegen Finanzierungsschwierigkeiten und der bevorstehenden Geburt seines Sohnes auf. Er erwarb statt dessen ein bebautes Wohngrundstück (Altbau). Das unbebaute Grundstück verkaufte er Mitte Juni 1989.

In der Einkommensteuererklärung für 1987 machte der Kläger die Finanzierungskosten für den Erwerb des unbebauten Grundstücks nach § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Finanzierungskosten im geänderten Einkommensteuerbescheid 1987 nicht, weil ein Abzug nach § 10 e Abs. 6 EStG voraussetze, daß die Aufwendungen mit einer tatsächlich angeschafften oder hergestellten Wohnung zusammenhingen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es war der Auffassung, § 10 e Abs. 6 EStG könne auch dann anwendbar sein, wenn es nicht zu der ursprünglich beabsichtigten Anschaffung oder Herstellung der Wohnung komme. Die Vorschrift verlange lediglich einen unmittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit der Anschaffung des Grund und Bodens, auf dem das begünstigte Objekt errichtet werden solle. Den Zeitpunkt, zu dem diese Voraussetzung erfüllt sein müsse, lege § 10 e Abs. 6 EStG aber nicht fest. Ein unmittelbarer Zusammenhang sei daher anzunehmen, wenn die Aufwendungen in der Absicht getätigt würden, eine Wohnung i. S. des § 10 e Abs. 1 EStG zu errichten. Bestätigt werde dieses Ergebnis durch die Übergangsregelung des § 52 Abs. 14 EStG. Nach dieser Vorschrift hänge nur die Anwendung des § 10 e Abs. 1 bis 5 EStG von der (tatsächlichen) Anschaffung bzw. Herstellung des Hauses oder der Eigentumswohnung nach dem 31. Dezember 1986 ab. Dies spreche dafür, daß § 10 e Abs. 6 EStG auch dann eingreife, wenn es nicht zu der ursprünglich beabsichtigten Anschaffung bzw. Herstellung des Hauses oder der Eigentumswohnung komme. Die Anerkennung vergeblicher Aufwendungen als Vorkosten i. S. des § 10 e Abs. 6 EStG entspreche auch dem Zweck der Neuregelung, die in der Bau- oder Anschaffungsphase einer Wohnung bis zu deren erstmaligen Nutzung entstandenen Aufwendungen weiterhin steuermindernd zu berücksichtigen, soweit sie nach bisherigem Recht als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar gewesen seien.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 10 e Abs. 6 EStG. Es trägt vor, nach dem Gesetzeswortlaut müßten die Aufwendungen unmittelbar mit dem später selbstgenutzten Objekt zusammenhängen. Vergebliche Aufwendungen auf ein anderes als das selbstgenutzte Objekt könnten daher nicht berücksichtigt werden. Da es nicht zur Herstellung des geplanten Einfamilienhauses gekommen sei und kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem später erworbenen, nach § 10 e EStG begünstigten Objekt bestehe, seien die streitigen Finanzierungskosten nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar.

Während des Revisionsverfahrens änderte das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid und setzte die Einkommensteuer hinsichtlich des Grundfreibetrags vorläufig fest. Der Kläger beantragte, den geänderten Einkommensteuerbescheid 1987 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

1. Entgegen der Auffassung des FG sind die vom Kläger geltend gemachten Finanzierungskosten nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar.

a) Nach dieser Vorschrift kann der Steuerpflichtige Aufwendungen wie Sonderausgaben abziehen, die

- bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung im Sinne des Absatzes 1 zu eigenen Wohnzwecken entstehen,

- unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängen,

- nicht zu den Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören und

- im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten.

Durch § 10 e Abs. 6 EStG sollen nach der Gesetzesbegründung die bisherigen Möglichkeiten, Aufwendungen in der Bau- und Anschaffungsphase steuerlich abzusetzen, in ihren Wirkungen erhalten bleiben (BTDrucks 10/3633, S. 10). Die Vorschrift soll sicherstellen, daß die in dem Bau- und Anschaffungszeitraum anfallenden Kosten, insbesondere ein Damnum und andere Geldbeschaffungskosten, die nach der Rechtslage vor 1987 bei eigengenutzten Wohnungen als Werbungskosten abziehbar gewesen seien, auch künftig steuermindernd abgezogen werden könnten (BTDrucks 10/3633, S. 16).

Nach der Rechtslage vor 1987 konnten vor Bezug entstandene Aufwendungen - unabhängig davon, ob sie zum beabsichtigten Erfolg führten - als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bestand (z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter C. III. 2 a, m. w. N.). Ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang war von dem Zeitpunkt an anzunehmen, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen ließ, daß ein Steuerpflichtiger den Entschluß, durch die Errichtung oder den Erwerb eines Gebäudes die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen, endgültig gefaßt hatte (BFH-Urteil vom 10. März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470, unter 2 b).

b) Im Schrifttum wird zum Teil die Auffassung vertreten, § 10 e Abs. 6 EStG erfasse alle Aufwendungen, die vor 1987 bei eigengenutzten Wohnungen Werbungskosten gewesen seien, also auch die sog. vergeblichen Aufwendungen. Hierfür sprächen die Gesetzesbegründung und die in § 10 e Abs. 6 EStG geforderte Parallelwertung zwischen den bisher als Werbungskosten und nunmehr wie Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen (z. B. Stephan in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 10 e Rz. 148 a ff.; ders., Die Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums, 3. Aufl. 1989, S. 104 ff., Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 10 e Anm. 9; Obermeier, Das selbstgenutzte Wohneigentum ab 1987, 2. Aufl., Rz. 226, 232).

Die Finanzverwaltung und ein anderer Teil der Literatur folgern dagegen aus dem Merkmal des unmittelbaren Zusammenhangs der Aufwendungen, daß § 10 e Abs. 6 EStG nur die mit der tatsächlich angeschafften oder hergestellten Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen begünstige (z. B. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 25. Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, Abschn. 56; Blümich / Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10 e EStG Rz. 616; Stuhrmann in Hartmann / Böttcher / Nissen / Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 e Rz. 135; ders., Deutsches Steuerrecht - DStR - 1988, 308; Biergans, Steuervorteile durch selbstgenutztes Wohneigentum ab 1990, 2. Aufl., S. 83, 84). Zum Teil wird die Nichtabziehbarkeit vergeblicher Aufwendungen auch aus der fehlenden Nutzung zu eigenen Wohnzwecken hergeleitet (z. B. Meyer, Finanz-Rundschau - FR - 1991, 33, 47).

c) Nach Auffassung des Senats bringt der Wortlaut den Sinn der Regelung klar zum Ausdruck. Danach sind vergebliche Aufwendungen nicht abziehbar.

aa) § 10 e Abs. 6 EStG verlangt einen unmittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit der Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens. Diese Formulierung kann bei verständiger Auslegung nur bedeuten, daß lediglich die mit der tatsächlich hergestellten oder angeschafften Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen begünstigt sind. Dies folgt insbesondere aus der Verwendung des bestimmten Artikels (,, . . . des Gebäudes oder der Eigentumswohnung . . ."). Ferner läßt § 10 e Abs. 6 EStG nur Aufwendungen zum Abzug zu, ,,die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen". Eine Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken setzt aber voraus, daß zuvor eine Wohnung angeschafft oder hergestellt worden ist. Scheitert der beabsichtigte Erwerb oder die beabsichtigte Herstellung der Wohnung, können daher die mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängenden Aufwendungen nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG steuermindernd berücksichtigt werden.

bb) Dieser Auslegung widerspricht nicht die vom Gesetz geforderte Parallelwertung der Aufwendungen mit den Werbungskosten. Vorkosten müssen zwar die Merkmale des Werbungskostenbegriffs im Falle einer Vermietung und Verpachtung erfüllen, jedoch hängt die Abziehbarkeit von den weiteren einschränkenden Voraussetzungen des § 10 e Abs. 6 EStG ab.

cc) Zu Unrecht beruft sich das FG für seine Auffassung auf die Übergangsregelung des § 52 Abs. 14 EStG. Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks. 10/5208, S. 41) soll durch den Ausschluß des § 10 e Abs. 6 EStG in dieser Regelung lediglich sichergestellt werden, daß Vorkosten auch dann abgezogen werden können, wenn die Wohnung im eigenen Haus oder die Eigentumswohnung vor dem 1. Januar 1987 angeschafft oder fertiggestellt, aber erst nach dem 31. Dezember 1986 für eigene Wohnzwecke genutzt wird. In solchen Fällen können daher Vorkosten vom 1. Januar 1987 bis zum Bezug der Wohnung wie Sonderausgaben abgezogen werden. Hieraus kann jedoch nicht hergeleitet werden, § 10 e Abs. 6 EStG begünstige auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einem fehlgeschlagenen Erwerb oder einer fehlgeschlagenen Herstellung einer Wohnung.

dd) Die Gesetzesbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung. Vielmehr deuten die Hinweise auf die eigengenutzte Wohnung, auf den Bau- und Anschaffungszeitraum sowie auf die beispielhaft aufgezählten begünstigten Kosten wie Damnum und andere Geldbeschaffungskosten darauf hin, daß ein Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Anschaffung oder Herstellung der eigengenutzten Wohnung bestehen soll.

Allerdings kann die unterschiedliche steuerliche Behandlung von vergeblichen Vorkosten, je nachdem, ob sie im Hinblick auf eine beabsichtigte Eigennutzung oder eine beabsichtigte Vermietung oder Verpachtung getätigt werden, in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Dies ist aber angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift hinzunehmen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 29

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