Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergebliche Aufwendungen nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar

 

Leitsatz (NV)

Aufwendungen für einen nicht zustandegekommenen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück sind nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar, auch wenn auf dem Grundstück ein Einfamilienhaus für eigene Wohnzwecke errichtet werden sollte.

 

Normenkette

EStG § 10e Abs. 6

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

In der Einkommensteuererklärung 1987 machten sie Notarkosten für einen nicht zustandegekommenen Kaufvertrag nach § 10 e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wie Sonderausgaben geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid 1987 nicht. Der Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Aufwendungen hätten im Zusammenhang mit der beabsichtigten Errichtung eines selbstgenutzten Einfamilienhauses gestanden, war erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, § 10 e Abs. 6 EStG begrenze den Abzug auf Aufwendungen, die unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung zusammenhingen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, wenn ein Erwerbsvorgang fehlschlage oder eine Planung nicht durchgeführt werde.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 10 e Abs. 6 EStG. Sie tragen vor, für den Abzug vergeblicher Aufwendungen nach § 10 e Abs. 6 EStG sei lediglich notwendig, daß der Steuerpflichtige den Entschluß gefaßt habe, ein Gebäude bzw. eine Wohnung zu errichten oder zu erwerben. Da sie diese Absicht eindeutig gehabt hätten, seien die Aufwendungen nach § 10 e Abs. 6 EStG wie Sonderausgaben abziehbar.

Während des Revisionsverfahrens änderte das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid und erklärte ihn hinsichtlich des Kinderfreibetrags und des Grundfreibetrags für vorläufig. Die Kläger beantragten, den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zu Recht hat das FG die Notarkosten nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG zum Abzug zugelassen.

a) Nach dieser Vorschrift kann der Steuerpflichtige Aufwendungen wie Sonderausgaben abziehen, die

- bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung i. S. des Abs. 1 zu eigenen Wohnzwecken entstehen,

- unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängen,

- nicht zu den Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören und

- im Fall der Vermietung oder Verpachtung der Wohnung als Werbungskosten abgezogen werden könnten.

Durch § 10 e Abs. 6 EStG sollen nach der Gesetzesbegründung die bisherigen Möglichkeiten, Aufwendungen in der Bau- und Anschaffungsphase steuerlich abzusetzen, in ihren Wirkungen erhalten bleiben (BTDrucks. 10/3633, S. 10). Die Vorschrift soll hiernach sicherstellen, daß die in dem Bau- und Anschaffungszeitraum anfallenden Kosten, insbesondere ein Damnum und andere Geldbeschaffungskosten, die nach der Rechtslage vor 1987 bei eigengenutzten Wohnungen als Werbungskosten abziehbar gewesen seien, auch künftig steuermindernd abgezogen werden könnten (BTDrucks. 10/3633, S. 16).

Nach der Rechtslage vor 1987 konnten vor Bezug entstandene Aufwendungen - unabhängig davon, ob sie zum beabsichtigten Erfolg führten - als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bestand (z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, unter C. III. 2 a, m. w. N.). Ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang war von dem Zeitpunkt an anzunehmen, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen ließ, daß ein Steuerpflichtiger den Entschluß, durch die Errichtung oder den Erwerb eines Gebäudes die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen, endgültig gefaßt hatte (BFH-Urteil vom 10. März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470, unter 2 b).

b) Im Schrifttum wird zum Teil die Auffassung vertreten, § 10 e Abs. 6 EStG erfasse alle Aufwendungen, die vor 1987 bei eigengenutzten Wohnungen Werbungskosten gewesen seien, also auch die sog. vergeblichen Aufwendungen. Hierfür sprächen die Gesetzesbegründung und die in § 10 e Abs. 6 EStG geforderte Parallelwertung zwischen den bisher als Werbungskosten und nunmehr wie Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen (z. B. Stephan in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, § 10 e EStG Rz. 148 a ff.; ders., Die Besteuerung selbstgenutzten Wohneigentums, 3. Aufl. 1989, S. 104 ff.; Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 10 e Anm. 9; Obermeier, Das selbstgenutzte Wohneigentum ab 1987, 2. Aufl., Rz. 226, 232).

Die Finanzverwaltung und ein anderer Teil der Literatur folgern dagegen aus dem Merkmal des unmittelbaren Zusammenhangs, daß § 10 e Abs. 6 EStG nur die mit der tatsächlich angeschafften oder hergestellten Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen begünstige (z. B. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 25. Oktober 1990, BStBl I 1990, 626, Abschn. 56; Blümich / Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10 e EStG Rz. 616; Stuhrmann in Hartmann / Böttcher / Nissen / Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 e Rz. 135; ders., Deutsches Steuerrecht - DStR - 1988, 308; Biergans, Steuervorteile durch selbstgenutztes Wohneigentum ab 1990, 2. Aufl., S. 83, 84). Zum Teil wird die Nichtabziehbarkeit vergeblicher Aufwendungen auch aus der fehlenden Nutzung zu eigenen Wohnzwecken hergeleitet (z. B. Meyer, Finanz-Rundschau - FR - 1991, 33, 47).

c) Nach Auffassung des Senats bringt der Wortlaut den Sinn der Regelung klar zum Ausdruck. Danach sind vergebliche Aufwendungen nicht abziehbar.

aa) § 10 e Abs. 6 EStG verlangt einen unmittelbaren Zusammenhang der Aufwendungen mit der Anschaffung des Gebäudes oder der Eigentumswohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens. Diese Formulierung kann bei verständiger Auslegung nur bedeuten, daß lediglich die mit der tatsächlich hergestellten oder angeschafften Wohnung zusammenhängenden Aufwendungen begünstigt sind. Dies folgt insbesondere aus der Verwendung des bestimmten Artikels (,, . . . des Gebäudes oder der Eigentumswohnung . . ."). Ferner läßt § 10 e Abs. 6 EStG nur Aufwendungen zum Abzug zu, ,,die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstehen". Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt aber voraus, daß zuvor eine Wohnung angeschafft oder hergestellt worden ist. Scheitert der beabsichtigte Erwerb oder die beabsichtigte Herstellung der Wohnung, können daher die mit der Anschaffung oder Herstellung der Wohnung oder der Anschaffung des dazu gehörenden Grund und Bodens zusammenhängenden Aufwendungen nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG steuermindernd berücksichtigt werden.

bb) Dieser Auslegung widerspricht nicht die vom Gesetz geforderte Parallelwertung der Aufwendungen mit den Werbungskosten. Vorkosten müssen zwar die Merkmale des Werbungskostenbegriffs im Falle einer Vermietung und Verpachtung erfüllen, jedoch hängt die Abziehbarkeit von den weiteren einschränkenden Voraussetzungen des § 10 e Abs. 6 EStG ab.

cc) Die Gesetzesbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung. Vielmehr deuten die Hinweise auf die eigengenutzte Wohnung, auf den Bau- und Anschaffungszeitraum sowie auf die beispielhaft aufgezählten Kosten wie Damnum und andere Geldbeschaffungskosten darauf hin, daß ein Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Anschaffung oder Herstellung der eigengenutzten Wohnung bestehen soll.

dd) Allerdings kann die unterschiedliche steuerliche Behandlung von vergeblichen Vorkosten, je nachdem, ob sie im Hinblick auf eine beabsichtigte Eigennutzung oder eine beabsichtigte Vermietung oder Verpachtung getätigt werden, in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen. Dies ist aber angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift hinzunehmen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 27

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