Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für den auf Grund des § 3a des Hypothekensicherungsgesetzes auszusprechenden Verzicht auf Umstellungsgrundschulden ist es bedeutungslos, ob das Grundpfandrecht vor oder nach dem Schadensfall entstanden ist.

2. § 373 Ziff. 2 LAG ist dahin auszulegen, daß mit dem Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes die Bestimmungen des Hypothekensicherungsgesetzes für die Zukunft keine Bedeutung mehr haben. Das Erlöschen der Umstellungsgrundschulden (ß 120 LAG) hat nicht die Wirkung, daß die nach dem Hypothekensicherungsgesetz fällig gewordenen Leistungen gegenstandslos werden.

3. Zum Gesetz zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom 2. September 1948 in der Fassung des Gesetzes vom 10. August 1949 - Hypothekensicherungsgesetz - § 3a (WiGBl. S. 232).

 

Normenkette

LAG §§ 120, 373 Ziff. 2; HypSichG § 3a

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) war Eigentümerin eines durch die Bombenangriffe vom 28. März 1942 stark beschädigten Grundstücks. Sie hat dasselbe am 24. Mai 1950 veräußert mit der Verpflichtung, es lastenfrei zu übergeben. Aus dieser Verpflichtung heraus hat sie gemäß § 3a des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich (HypSichG) vom 2. September 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets S. 87 - WiGBl. -) in der Fassung des änderungsgesetzes vom 10. August 1949 (WiGBl. S. 232) den Antrag auf Verzicht auf die auf dem Grundstück ruhenden Umstellungsgrundschulden gestellt. Das Finanzamt hat den Antrag teilweise entsprochen, die aus der Post Abteilung III Nr. 10 entstandene Umstellungsgrundschuld in Höhe von 1.773 DM jedoch ausgeschieden mit der Begründung, ein Verzicht nach § 3a a. a. O. könne für Umstellungsgrundschulden aus Hypotheken, die erst nach Eintritt des Kriegssachschadens eingetragen worden seien, nicht gewährt werden. Die Bfin. bekämpft diese Auffassung unter Verweisung auf den - wie sie meint - eindeutigen Wortlaut des § 3a a. a. O., der zur Berücksichtigung jeder Umstellungsgrundschuld zwinge, ohne einen Unterschied zwischen vor und nach dem Schaden eingetragenen Hypotheken zu machen. Im übrigen handle es sich bei der Post Nr. 10 nur formal um eine neue Hypothek; der Sache nach hänge sie mit der Post Nr. 8 eng zusammen, sie sei auf die Erbauseinandersetzung nach der früheren Gläubigerin dieser gelöschten Posten zurückzuführen.

Auf die Beschwerde hat die Oberfinanzdirektion die Entscheidung des Finanzamts unter Verweisung auf die sie bindenden Verwaltungsanordnungen bestätigt. Das Finanzgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen die Ablehnung des Antrags aus § 3a sei nur die Dienstaufsichtsbeschwerde gegeben, die Entscheidung über diese sei der Nachprüfung durch die Steuergerichte entzogen.

 

Entscheidungsgründe

Hiergegen richtet sich die mit Rücksicht auf die grundsätzliche Bedeutung des Streitfalles für zulässig erklärte Rechtsbeschwerde (Rb.).

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren nach § 287 der Reichsabgabenordnung beigetreten. Er hat mündliche Verhandlung beantragt. Es erscheint dem Senat jedoch zweckmäßig, zunächst einen Bescheid gemäß § 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung zu erlassen.

I. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsweges vor den Steuergerichten bestehen zwischen der Bfin., der Oberfinanzdirektion und dem Bundesminister der Finanzen keine Meinungsverschiedenheiten. Auch der Senat bejaht die Zuständigkeit der Steuergerichte.

Nach § 3f a. a. O. ist die Entscheidung über den Verzicht auf die Umstellungsgrundschulden den Finanzämtern oder einer durch die Landesregierung mit Zustimmung des Direktors der Verwaltung der Finanzen zu bestimmenden anderen Stelle übertragen.

Im Lande ...... ist eine übertragung an eine andere Stelle nicht erfolgt, es ist vielmehr bei der - primären - Zuständigkeit der Finanzämter verblieben. Es ist richtig, daß anders als für den Erlaß fälliger Leistungen nach § 5 Abs. 4 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich (Erste Durchführungsverordnung zum Hypothekensicherungsgesetz) vom 7. September 1948 (WiGBl. S. 88) die Beschwerde an die obere Finanzbehörde nicht ausdrücklich als das zulässige Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Finanzamts bestimmt worden ist. Dies findet nach Auffassung des Senats seine Erklärung darin, daß § 3a erst zu einer Zeit in das Hypotheken-Sicherungsgesetz aufgenommen worden ist, als die Erste Durchführungsverordnung zum Hypotheken-Sicherungsgesetz längst ergangen war. Die verfahrensmäßige Lage ist jedenfalls nicht anders zu beurteilen, als sie nach den Ausführungen in der Entscheidung III 274/51 S vom 4. Juli 1952 (Bundessteuerblatt III S. 207 hinsichtlich des in § 5 Abs. 4 der Ersten Durchführungsverordnung zum Hypotheken-Sicherungsgesetz gewährten Rechtsanspruchs gegeben ist. Danach ist gegen die Entscheidung der Oberfinanzdirektion das Berufungsverfahren zulässig.

II. Der Bundesminister der Finanzen ist der Meinung, daß der Rechtsstreit durch das Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes gegenstandslos geworden sei. Er verweist auf § 120 und § 373 Ziff. 2 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG). Der Senat vermag weder der einen noch der anderen Bestimmung diese Bedeutung beizumessen.

§ 120 spricht allerdings aus, daß die Umstellungsgrundschulden mit dem Tage des Inkrafttretens des Lastenausgleichsgesetzes (1. September 1952) erloschen sind. Hierdurch wird die Schuld als solche berührt. Es folgt aber nicht daraus, daß damit die nach dem Hypotheken-Sicherungsgesetz fällig gewordenen Leistungen gegenstandslos geworden sind. Sie werden, soweit Zahlung nicht erfolgt ist, weiter geschuldet. Nach § 105 Abs. 1 LAG sind die Leistungen auf Grund des Hypotheken-Sicherungsgesetzes im Regelfalle bis zum 31. März 1952 fort zu entrichten mit der Maßgabe, daß sie als Leistungen auf die Abgabeschuld der Hypothekengewinnabgabe gelten. Das Lastenausgleichsgesetz hat außer der Vorschrift des § 105 eine besondere übergangsregelung nicht getroffen. Würde man den Umfang der Leistungen von dem zufälligen Zeitpunkt der Entscheidung über den nach § 3a HypSichG gestellten Antrag abhängig machen, dann würde dies zu einer ungleichen Belastung der Schuldner führen, die vom Gesetzgeber unmöglich gewollt sein kann. Der Bundesminister der Finanzen hält eine günstige Regelung für die Schuldner, deren Anträge am 1. September 1952 noch nicht erledigt waren, für möglich im Rahmen der in § 141 LAG vorgesehenen Rechtsverordnung. Die Erwartung einer künftigen gesetzlichen Vorschrift rechtfertigt es aber nicht, einem Schuldner Rechtswohltaten zu versagen, auf die er nach den Vorschriften des § 3a HypSichG einen Rechtsanspruch gehabt hat. § 373 Ziff. 2 LAG ist daher nach Auffassung des Senats dahin auszulegen, daß mit dem Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes für die Zukunft die Vorschriften des Hypotheken-Sicherungsgesetzes keine Bedeutung mehr haben, daß sie aber hinsichtlich der auf Grund des Hypotheken-Sicherungsgesetzes fällig gewordenen Leistungen verbindlich bleiben.

Wenn auch der im § 3a HypSichG vorgesehene Verzicht auf Umstellungsgrundschulden nicht mehr ausgesprochen werden kann, nachdem sie nach § 120 LAG erloschen sind, so hält es der Senat mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, daß Leistungen auf Umstellungsgrundschulden noch gefordert werden, die bei schnellerer Abwicklung des Verfahrens infolge ganzen oder teilweisen Verzichts auf die Umstellungsgrundschuld nicht zu entrichten gewesen wären.

III. Sachlich geht der Streit um die Frage, ob die Verwaltungsbehörden berechtigt sind, in Verfahren nach § 3a a. a. O. Umstellungsgrundschulden aus nach dem Schadensfall eingetragenen Hypotheken von der Berücksichtigung auszuschließen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen der Bfin. die Post Nr. 10 stehe im engsten Zusammenhang mit der gelöschten Post Nr. 8, der Sach- und Rechtslage gerecht wird. Der Bundesminister der Finanzen hat bereits darauf hingewiesen, daß auch die Post Nr. 8 erst mehrere Monate nach dem Schadensfall eingetragen worden ist.

Es kommt mithin allein darauf an, ob die von den Verwaltungsbehörden vorgesehene Beschränkung auf die im Zeitpunkt des Kriegsschadens bestehenden Hypotheken gerechtfertigt ist.

Der Senat kommt zu dem Ergebnis, daß die Beschränkung im Gesetz keine Stütze findet. Der Wortlaut des § 3a a. a. O. ist klar und eindeutig, er sieht eine Ausschaltung der später eingetragenen Hypotheken nicht vor. Er stellt im Gegenteil (Abs. 2 Satz 2) für die Berechnung der Schadensquote ausdrücklich auf die am 21. Juni 1948 vorhandene Belastung ab. Es kommt hinzu, daß auch die auf der gleichen Ebene liegende Vergünstigung aus § 3b zur Prüfung der Unwirtschaftlichkeit des zerstörten oder beschädigten Grundstücks eine Ertragsberechnung vorschreibt, die unzweifelhaft die Verpflichtungen aus allen umgestellten Grundpfandrechten - ohne zwischen ihnen nach dem Zeitpunkt der Eintragung der Hypothek zu unterscheiden - umfaßt. Die dort vorgesehene Ertragsrechnung entspricht derjenigen, die in § 5 Abs. 4 Satz 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum Hypotheken-Sicherungsgesetz hinsichtlich der Vergünstigung betreffend die jährlichen Leistungen der Umstellungsgrundschulden vorgesehen ist. Wie die zu der Ersten Durchführungsverordnung zum Hypotheken-Sicherungsgesetz ergangene Begründung, die in der Entscheidung des Senats III 132/51 S (Bundessteuerblatt 1952 III S. 53) mitgeteilt worden ist, erkennen läßt, bezweckt sie, den Eigentümer insbesondere dann von Leistungen auf die Umstellungsgrundschulden zu befreien, wenn die mangelnde Rentabilität des Grundstücks auf einem Kriegsschaden beruht. Es ist niemals bezweifelt worden, daß die Vergünstigung aus § 5 Abs. 4 der Ersten Durchführungsverordnung zum Hypotheken-Sicherungsgesetz auch auf die aus dem nach dem Schadensfall eingetragenen Hypotheken entstandenen Umstellungsgrundschulden Anwendung findet.

Es trifft zu, daß das Lastenausgleichsgesetz hinsichtlich der Wiederaufbauhypotheken, die ja stets nach dem Schadensfall eingetragen worden sind, besondere Vergünstigungen geschaffen, andererseits die übrigen nach dem Schadensfall eingetragenen Hypotheken ausgeschlossen hat (ß 97 Abs. 1 Ziff. 7 und § 100 Abs. 1 LAG).

Es ist auch zuzugeben, daß die steuerpolitischen Gründe, die zu dieser Regelung geführt haben, bereits im Zeitpunkt der Einfügung des § 3a in das Hypotheken-Sicherungsgesetz vom 2. September 1948 vorhanden gewesen sind. Das Hypotheken-Sicherungsgesetz sieht aber eine dem Lastenausgleichsgesetz entsprechende Regelung nicht vor. Der Senat trägt deshalb Bedenken, überlegungen, die auf Grund der mit dem Hypotheken-Sicherungsgesetz gemachten Erfahrungen und nach sich über einen langen Zeitraum hinziehenden Beratungen der mit der Schaffung des Lastenausgleichsgesetzes betrauten Stellen gesetzlich verankert worden sind, rückblickend dem Gesetzgeber des Hypotheken-Sicherungsgesetzes zu unterstellen. Das Hypotheken-Sicherungsgesetz ist wie das Gesetz zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz) ein Notgesetz, das offensichtlich die Durchführung der Sicherung der Forderungen für den Lastenausgleich so einfach wie möglich gestalten wollte.

Der Bundesminister der Finanzen hat auch darauf hingewiesen, das man an die Schaffung des Hypotheken-Sicherungsgesetzes mit den gleichen Gedankengängen herangegangen sei, die zu den Vorschriften über die "Vertragshilfe" geführt haben. Es mag dies richtig sein; entscheidend ist aber, welche Gestalt das Gesetz schließlich gewonnen hat, und der Senat ist der Auffassung, daß es dem Gesetzgeber des Hypotheken-Sicherungsgesetzes vordringlich darauf ankam, ein vorläufiges Gesetz zu schaffen, das die Dinge nicht komplizierte und das eine leichte Handhabung gewährleistete, indem er es dem Lastenausgleichsgesetz überließ, auf Grund der bis dahin gemachten Erfahrungen eine endgültige Regelung für die Behandlung der Gewinne aus RM-Hypotheken zu treffen.

Die Sache ist bei freier Beurteilung spruchreif. Die Umstellungsgrundschuld in Abteilung III Post 10 des belasteten Grundstücks würde bei Anwendung des gleichen Hundertsatzes des Verzichts, wie bei der Post Abteilung III Nr. 4 (85,8 %) 251 DM betragen. Es dürfen von der Bfin. keine Leistungen gefordert werden, die sich auf Grund eines höheren Betrages der Umstellungsgrundschuld errechnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Bundesministers der Finanzen vorgetragen, es sei nicht gerechtfertigt, für die Auslegung des § 3a des Hypothekensicherungsgesetzes die Regelung des § 3b heranzuziehen. Nach seiner Meinung dürfte auch den Vorschriften über die Wirtschaftlichkeitsberechnung in der (ersten) Durchführungsverordnung kein ausschlaggebendes Gewicht beigelegt werden. Endlich hat er auf die Beratungen der Unterkommission für das Lastenausgleichsgesetz verwiesen. Dort habe übereinstimmung dahin bestanden, daß der Eigentümer des Grundstücks als Schuldner von Grundpfandrechten, die nach der Zerstörung des Grundstücks eingetragen worden seien, aus dem Schadensfall keinen Vorteil ziehen dürfe.

Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung gibt dem Senat keine Veranlassung, von dem in dem Bescheid vertretenen Standpunkt abzugehen. Er vermag - unabhängig von der für den Verzicht aus § 3b des Gesetzes und die Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgesehenen Regelung und ohne Rücksicht auf die Beratungen der Kommissionen - nicht anzuerkennen, daß dem § 3a, der in seinem Wortlaut keine Unklarheit erkennen läßt und eine mögliche Regelung enthält, hinsichtlich des Streitpunktes Auslegungsfähigkeit zuzusprechen ist. Zur Frage des Begriffes "Auslegungsfähigkeit" hat der I. Senat in der zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung I 113/52 U vom 10. Februar 1953 Stellung genommen. Er hat in dieser auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Mai 1952 - 2 BvH 2/52 (Entscheidung des Bundesverfassungsgericht Bd. I S. 299/312 verwiesen. Der erkennende Senat hat dem nichts hinzuzufügen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407645

BStBl III 1953, 147

BFHE 1954, 379

BFHE 57, 374

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