Leitsatz (amtlich)

Die Steuerermäßigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KraftStG 1901 war nicht anwendbar auf Lastkraftwagen, welche nach Ihrer Bauart und Ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen zwar zur Beförderung von Abraum und Baumaterial Innerhalb von Baustellen, in gleichem Maße aber auch zur Beförderung von Gütern über größere Entfernungen auf öffentlichen Straßen geeignet und bestimmt waren.

 

Normenkette

KraftStG 1961 § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c; Verkehrsfinanzgesetz 1955 Abschn. I Art. 1 Nr. 4; Verkehrsfinanzgesetz 1971 Art. 8 § 1 Nr. 4

 

Tatbestand

Für die Klägerin wurde im Jahre 1961 ein Lastkraftwagen der Marke Magirus-Deutz zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen. Für das Halten dieses Fahrzeugs setzte das Finanzamt (FA) die Kraftfahrzeugsteuer nach dem um 50 v. H. ermäßigten Steuersatz fest, weil die Klägerin auf einem von der Finanzverwaltung herausgegebenen Vordruck unter Hinweis auf § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KraftStG 1961 geltend gemacht hatte, daß „der Lastkraftwagen … nur zur Beförderung von Abraum- und Baumaterial innerhalb von Baustellen geeignet und bestimmt” sei und von ihr ausschließlich zu diesem Zweck verwendet werde.

Im Jahre 1969 wurden die FA von der Oberfinanzdirektion (OFD) angewiesen, bei der Auslegung des Begriffs „Baustellenfahrzeuge” nach dem Urteil des Finanzgerichts (FG) Hamburg vom 18. Mai 1956 IV 62/56 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1956 S. 291) zu verfahren und „die Tarifermäßigung insbesondere abzulehnen, wenn das Fahrzeug für Transporte auf ausgebauten Straßen über längere Strecken unter Entwicklung der bei Lastkraftwagen üblichen Geschwindigkeit verwendet werden” könne. Die Steuerermäßigung könne mithin „nur für Spezial-Bau-Lastwagen (z. B. Autoschütter, Muldenkipper, Erdschürfwagen)” gewährt werden. Für Fahrzeuge, die sich von Lastkraftwagen normaler Bauart nur hinsichtlich des Antriebs – z. B. Allradantrieb, Sperrdifferential, Geländegang – bzw. nur hinsichtlich der Aufbauten-Kippvorrichtungen, Spezialmuldenaufbauten unterschieden, könne die Tarifermäßigung nicht mehr gewährt werden. Dementsprechend setzte das FA durch Bescheid vom 15. Dezember 1969 mit Wirkung für die Zukunft die Kraftfahrzeugsteuer nach dem allgemeinen Steuersatz auf 209,90 DM (bei monatlicher Entrichtung) lest; den Einspruch wies es zurück.

Auf die Klage hob das FG die Einspruchsentscheidung auf und setzte in Änderung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids die Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 14. November 1969 bis spätestens zum 31. März 1972 auf 104,95 DM (bei monatlicher Entrichtung) fest. Die Voraussetzungen der Steuerermäßigungsvorschrift seien gegeben, insbesondere sei das bezeichnete Fahrzeug zur Beförderung von Abraum und Baumaterial innerhalb von Baustellen geeignet, denn es verfüge über ein „stabiles und verwindungssteifes Fahrgestell, Allradantrieb und Getriebesperrvorrichtungen” so daß es auch in schwierigem Gelände verwendet werden könne. Auf die Geschwindigkeit, die es außerhalb der Baustelle, auf öffentlichen Straßen entwickeln könne, komme es nicht an. Denn das Gesetz fordere keine Beschränkung etwa der Motorleistung oder der Höchstgeschwindigkeit. Zudem entstehe „eine Steuerpflicht für Baustellenfahrzeuge … nur dann, wenn das Fahrzeug nicht ausschließlich innerhalb geschlossener Baustellen, sondern auch auf öffentlichen Straßen” verwendet werde; hier liege es aber, „da die Fahrzeuge bis zu einem Kilometer außerhalb der Baustelle verkehren” dürften, „im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, wenn hierbei eine möglichst normale Geschwindigkeit entwickelt werden” könne. Das diene der Sicherheit und dem schnellen Ablaut des Verkehrs. Im übrigen seien Baustellenfahrzeuge, die durch ihre Konstruktion geeignet seien, schwierige Geländeverhältnisse zu bewältigen, erheblich teurer als Lastkraftwagen, die im normalen Verkehr verwendet würden, so daß es wirtschaftlich wenig sinnvoll wäre, sie zu normalen Transporten zu verwenden.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KraftStG 1961. Das bezeichnete Fahrzeug der Klägerin sei nicht „speziell für die Beförderung von Abraum und Baumaterial konstruiert”, seine Verwendungsmöglichkeit reiche infolgedessen über den Rahmen des begünstigten Verwendungszwecks weit hinaus. Die Steuerermäßigung müsse aber auf solche Lastkraftwagen begrenzt bleiben, die speziell für die Beförderung von Abraum und Baumaterialien konstruiert seien (z. B. Autoschütter, Muldenkipper, Erdschürfwagen).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Das Urteil des FG muß aufgehoben werden, weil nicht auszuschließen ist, daß es auf einer Verletzung des § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c KraftStG 1961 beruht. Nach Satz 1 erster Halbsatz dieser (seit März 1972 aufgehobenen) Vorschrift ermäßigte sich die Kraftfahrzeugsteuer um 50 vom Hundert des allgemeinen Steuersatzes „für Lastkraftwagen, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit, ihnen fest verbundenen Einrichtungen zur Beförderung von Abraum und Baumaterial innerhalb von Baustellen geeignet und bestimmt sind”. Ob das FG diese Vorschrift richtig angewendet hat, kann der erkennende Senat nicht nachprüfen, weil die Tatsachenfeststellungen des FG hierzu nicht ausreichen.

Das FG hat festgestellt, daß es sich bei dem für die Klägerin zugelassenen Fahrzeug um einen Lastkraftwagen handelt, und zwar um einen Magirus-Deutz-Kipper (mit stabilem, verwindungssteifem Fahrgestell, Allradantrieb und Sperrdifferential), dessen verkehrsrechtlich höchstzulässiges Gesamtgewicht 15 000 kg beträgt und der „auf ausgebauter Straße die bei Lastkraftwagen normaler Bauart übliche Geschwindigkeit zu entwickeln vermag”, aber auch „in schwierigem Gelände” verwendet werden kann. Diese Feststellungen rechtfertigen noch nicht den vom FG gezogenen Schluß, daß der Lastkraftwagen „zu dem Kreis der Fahrzeuge gehört, die unter die vorgenannte Gesetzesbestimmung fallen”, die also nach Bauart und Einrichtung zu dem bezeichneten besonderen Zweck nicht nur „geeignet” (d. h. tauglich, brauchbar), sondern auch für ihn „bestimmt” (d. h. für ihn geschaffen, für ihn vorgesehen) sind. Denn die erwähnten Feststellungen des FG erlauben auch den anderen Schluß, daß der Lastkraftwagen nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern der verschiedensten Art auf öffentlichen Straßen über größere Entfernungen „geeignet und bestimmt” und mit Allradantrieb und Sperrdifferential vor allem deshalb ausgerüstet sei, um seine Verwendungsmöglichkeit zu erweitern, ihn z. B. auch in bergigem Gelände und bei ungünstiger Witterung (Schnee, Eis) benutzen zu können.

Zwar setzt die erwähnte Steuerermäßigungsvorschrift – anders als z. B. die Steuerbefreiungsvorschriften des § 2 Nr. 4 und des § 2 Nr. 6 KraftStG – nicht voraus, daß das Fahrzeug nach Bauart und Einrichtung „nur” oder „ausschließlich” für den begünstigten Verwendungszweck geeignet und bestimmt ist; es darf auch für einen anderen Verwendungszweck geeignet und bestimmt sein, z. B. zur Beförderung von Gütern auf öffentlichen Straßen. Aber dieser andere Verwendungszweck darf gegenüber dem begünstigten Verwendungszweck („Beförderung … innerhalb von Baustellen”) nur Nebenzweck sein. Das deutet Satz 2 der Steuerermäßigungsvorschrift an. Danach entfällt die Steuerermäßigung, wenn das Fahrzeug „auf einer öffentlichen Straße … außerhalb eines Umkreises von einem Kilometer von der Baustelle gerechnet” oder „zur Beförderung von anderen als den bezeichneten Gütern” benutzt wird. Noch deutlicher spricht für diese Auslegung der Sinn und Zweck der Steuerermäßigungsvorschrift. Er ist in der Begründung des Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 folgendermaßen umschrieben: „In der Bauwirtschaft werden seit einigen Jahren Spezialkraftwagen verwendet, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen Einrichtungen zur Beförderung von Abraum und Baumaterial innerhalb von Baustellen besonders geeignet sind. Schwache Motorleistung, niedrige Geschwindigkeit, Spezialeinrichtungen und Verwendung auf Baustellen bedingen, daß solche Fahrzeuge die öffentlichen Straßen nur in geringem Maße befahren. Der Entwurf sieht deshalb vor, solche Kraftfahrzeuge nur mit der Hälfte des Steuersatzes für Lastkraftwagen zu besteuern” (Bundestags-Drucksache II/573, Seite 13, linke Spalte). Das entsprach dem allgemeinen Ziel; das mit dem Verkehrsfinanzgesetz erstrebt wurde: die Verkehrsströme stärker von der Straße weg auf die Schiene zu verlagern und kraftfahrzeugsteuerrechtlich eine Regelung zu erreichen, „die in stärkerem Maße der Beanspruchung der Straße durch die sie benutzenden Fahrzeugtypen entspricht” (Bundestags-Drucksache II/573, Seite 10, linke Spalte). Nicht begünstigt werden sollten demnach solche Fahrzeuge, die nach Bauart und Einrichtung nicht nur geeignet und bestimmt waren, Abraum und Baumaterial „innerhalb von Baustellen”, sondern in gleichem Maße solche und andere Güter über größere Entfernungen auf öffentlichen Straßen zu befördern.

Das vom FG gewonnene rechtliche Ergebnis ließe sich demzufolge nur dann aufrecht erhalten, wenn der für die Klägerin zugelassene Lastkraftwagen außer den bereits angeführten Merkmalen weitere Merkmale aufwiese, welche den Schluß erlaubten, er sei nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Abraum und Baumaterial innerhalb von Baustellen geeignet und bestimmt, nicht oder nur in sehr beschränktem Maße dagegen zur Beförderung von Gütern über größere Entfernungen auf öffentlichen Straßen (z. B. wegen verkehrsgefährdenden Umrisses des Fahrzeugs). Um dem FG die Möglichkeit zu geben, seine tatsächlichen Feststellungen zu ergänzen und sie unter den dargelegten rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen, wird die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO; BFH-Urteil vom 5. März 1968 II R 36/67, BFHE 92, 416, BStBl II 1968, 610).

 

Fundstellen

BFHE 1977, 182

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