Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Aufteilung der festen Kosten eines Fernsprechanschlusses in der Wohnung.

Die festen Kosten eines Fernsprechanschlusses in der Wohnung sind in einen betrieblichen (beruflichen) und privaten Nutzungsteil aufzuteilen, soweit der Fernsprecher betrieblich (beruflich) genutzt wird und der betriebliche (berufliche) Kostenanteil nicht nur von ganz untergeordneter Bedeutung ist.

Soweit sich aus den BFH-Urteilen IV 309/55 U vom 8. November 1956 (BFH 64, 147, BStBl III 1957, 56) und VI 60/57 U vom 3. Juli 1957 (BFH 69, 174, BStBl III 1959, 328) etwas anderes ergeben sollte, folgt der Senat dem nicht.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12 Nr. 1; LStDV § 20; FGO § 76

 

Tatbestand

Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -), ein im Ruhestand lebender Lehrer, war im Streitjahr 1959 Angestellter einer Keksfabrik (Arbeitgeberin). Seine Ruhegehaltsbezüge als Lehrer betrugen im Streitjahr 7.472 DM und sein Gehalt bei der Arbeitgeberin 10.540 DM. Der Stpfl. hat in seiner Wohnung einen Fernsprechanschluß und beantragte im Lohnsteuerjahresausgleich für 1959, die Hälfte der Grundgebühren dieses Anschlusses mit 72 DM als Werbungskosten abzuziehen. Er trägt vor, er müsse auch nach Dienstschluß noch zu Hause für die Arbeitgeberin erreichbar sein.

Das Finanzamt (FA) betrachtete die Anschlußkosten als Kosten der privaten Lebensführung, die gemäß § 12 Ziff. 1 EStG das Einkommen nicht mindern dürften. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1964 S. 377 veröffentlicht ist, gab der Berufung statt und führte aus, feste Kosten eines Fernsprechanschlusses in der Wohnung seien nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) IV 309/55 U vom 8. November 1956 (BFH 64, 147, BStBl III 1957, 56) und VI 60/57 U vom 3. Juli 1959 (BFH 69, 174, BStBl III 1959, 328) keine Werbungskosten (Betriebsausgaben), weil es unter den heutigen Verhältnissen üblich sei, einen Fernsprecher in der Wohnung zu haben. Dieser Rechtsprechung sei nicht zu folgen. Wer einen Fernsprecher in der Wohnung gleichzeitig betrieblich (beruflich) und privat benutze, könne die laufenden und die festen Kosten des Anschlusses angemessen aufteilen. Da der Stpfl. monatlich nur 4 DM für Telefongespräche ausgegeben habe, sei bei der geringen Zahl von Gesprächen anzunehmen, daß der Fernsprecher etwa zur Hälfte im Interesse der Arbeitgeberin benutzt worden sei. Die vom Stpfl. geltend gemachten 72 DM seien darum Werbungskosten.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 9 und 12 Ziff. 1 EStG und trägt vor, der Stpfl. habe den Anschluß seit dem Jahre 1955. Die Behauptung, der Fernsprecher werde etwa zur Hälfte für den dienstlichen Verkehr mit der Arbeitgeberin benutzt, treffe wohl nicht zu; denn wenn der Anschluß zu einem wesentlichen Teil beruflich notwendig gewesen sei, hätte die Arbeitgeberin den Anschluß auf ihre Kosten anlegen lassen oder hätte mindestens einen Beitrag zu den Kosten geleistet, wie sie das auch in anderen Fällen tue. Zu Unrecht habe das FG im übrigen aus der geringen Höhe der laufenden Gebühren Schlüsse auf die berufliche Benutzung des Fernsprechers gezogen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das FG hat die Hälfte der Grundgebühr als Werbungskosten anerkannt, ohne festgestellt zu haben, was der Stpfl. bei der Arbeitgeberin im einzelnen zu tun und welchen Umfang seine Tätigkeit dort hat. Es setzt sich vorwiegend mit den BFH-Urteilen IV 309/55 U (a. a. O.) und VI 60/57 U (a. a. O.) auseinander und lehnt sie ab. Die FGe haben als einzige Tatsacheninstanz im steuergerichtlichen Verfahren vor allem die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu treffen, die ihrer eigenen rechtlichen Beurteilung und im Revisionsverfahren vor dem BFH zugrunde zulegen sind. Im Streitfall war die Feststellung unumgänglich, in welchem Umfange der Stpfl. den Fernsprecher im Interesse des Arbeitgebers tatsächlich benutzt hat. Dazu hätte das FG zweckmäßig die Arbeitgeberin gehört, zumal das FA vorträgt, daß die Arbeitgeberin ihren Angestellten die Kosten eines Telefons in der Wohnung, soweit es dienstlich erforderlich ist, gewöhnlich ersetzt. Die Folgerungen, die das FG aus der geringen Zahl von Gesprächen zieht, sind nicht ohne weiteres überzeugend oder gar zwingend. Der Einwand des FA, gerade die geringe Gesprächszahl spreche für die ausschließliche oder jedenfalls ganz überwiegend private Nutzung des Fernsprechers, ist nicht von der Hand zu weisen. Bei der heutigen gehobenen Lebensführung haben viele Steuerpflichtige ein Telefon in der Wohnung, um ihre privaten Angelegenheiten leichter und angenehmer erledigen zu können. Wer sich ein Telefon in der Wohnung hält, benutzt es im allgemeinen mindestens in bescheidenem Maß für private (außerberufliche) Zwecke. Unter diesem Gesichtspunkt verdient die Erwägung des FA ernste überlegung, ob nicht gerade die geringe Zahl von Gesprächen den Schluß nahelegt, daß der Stpfl. den Anschluß ausschließlich oder wenigstens ganz überwiegend für seine privaten (persönlichen) Zwecke benutzt hat. Die Vorentscheidung war aus diesem Grund aufzuheben, damit das FG weitere Ermittlungen anstellt.

Zu der vom FG aufgeworfenen rechtlichen Zweifelsfrage bemerkt der Senat: Wenngleich, wie gesagt, ein Fernsprecher in der Wohnung heute weithin zur gehobenen Lebenshaltung gehört, so schließt das nicht aus, soweit ein solcher Anschluß betrieblich (beruflich) benutzt wird, die dadurch verursachten Kosten als Betriebsausgaben (Werbungskosten) abzusetzen, wie es im Urteil des BFH I 176/55 U vom 8. November 1955 (BFH 61, 466, BStBl III 1955, 379) im einzelnen dargelegt ist. Entsprechend hat auch der IV. Senat im Grundsatzurteil IV 158/61 S vom 13. März 1964 (BFH 79, 605, BStBl III 1964, 455) entschieden, daß bei Wirtschaftsgütern der gehobenen Lebensführung, z. B. Waschmaschinen, Heimbüglern, Kühlschränken, ein betrieblicher (beruflicher) Nutzungsanteil zu berücksichtigen sei, wenn das Wirtschaftsgut zugleich betrieblich (beruflich) und privat benutzt werde, sofern die betriebliche (berufliche) Benutzung nicht nur von untergeordneter Bedeutung und der betriebliche Nutzungsanteil leicht und einwandfrei an Hand von Unterlagen objektiv nachprüfbar - gegebenenfalls durch Schätzung (§ 217 AO) - von den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zu trennen sei. Eine solche Trennung ist bei den laufenden Fernsprechkosten - im Gegensatz etwa zu den laufenden Unterhaltskosten eines Fernsehapparats (BFH-Urteil IV 53/61 U vom 13. August 1964, BFH 80, 146, BStBl III 1964, 528) - möglich.

Aus dem erwähnten BFH-Urteil IV 158/61 S (a. a. O.) ist aber darüber hinaus sinngemäß abzuleiten, daß die festen Kosten eines Fernsprechers in der Wohnung aufgeteilt werden können in einen betrieblichen (beruflichen) und privaten Teil, wie es schon im Urteil des BFH I 176/55 U (a. a. O.) ausgesprochen war. Die BFH- Urteile IV 309/55 U und VI 60/57 U (a. a. O.), gegen die sich das FG wendet, lassen nicht eindeutig erkennen, ob sie grundsätzlich von den BFH-Urteilen IV 536/52 U vom 9. Oktober 1953 (BFH 58, 120, BStBl III 1953, 337) und I 176/55 U (a. a. O.) abweichen sollten oder ob besondere Verhältnisse der Streitfälle die Entscheidungen beeinflußt haben. Soweit rechtliche Abweichungen vorliegen sollten, sind die beiden Urteile jedenfalls durch die Grundsatzentscheidung IV 158/61 S (a. a. O.) überholt.

Jedenfalls darf den Steuerpflichtigen nicht allgemein und ohne weiteres der Nachweis abgeschnitten werden, in welchem Umfang sie einen Fernsprecher in ihrer Wohnung betrieblich oder beruflich benutzt haben. Wie der Nachweis zu führen ist, muß nach den Verhältnissen des einzelnen Falles bestimmt werden. Auf der einen Seite dürfen die Finanzbehörden nicht unangemessen in die Intimsphäre der Steuerpflichtigen eindringen. Auf der anderen Seite können die Steuerpflichtigen aber auch nicht verlangen, daß die Finanzbehörden ihre Behauptungen ungeprüft übernehmen, weil sonst der Willkür Tür und Tor geöffnet würde und die verfassungsrechtlichen Grundsätze der gesetzmäßigen Verwaltung und der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen gefährdet wären. Bei der schwierigen Abgrenzung des beruflichen vom privaten Aufwand im häuslichen Bereich der Steuerpflichtigen spielt der sogenannte Anscheinsbeweis (Primafacie-Beweis) eine besondere Rolle. Wer behauptet, daß bei ihm die Verhältnisse anders lägen als bei der großen Zahl vergleichbarer Steuerpflichtiger, hat die Besonderheiten seines Falles den Finanzbehörden glaubhaft darzutun.

Kommt das FG bei der weiteren Prüfung zu dem Ergebnis, daß der Stpfl. den Fernsprecher ausschließlich privat benutzt habe, so sind die festen Kosten gemäß § 12 Ziff. 1 EStG bei der Ermittlung des Einkommens nicht absetzbar. Das gleiche gilt nach den Grundsätzen des Urteils IV 158/61 S (a. a. O.), wenn der berufliche Nutzungsteil von ganz untergeordneter Bedeutung ist. Nur wenn der berufliche Nutzungsteil ins Gewicht fällt, ist die Aufteilung der festen Kosten gerechtfertigt. Dabei muß das FG vor allem erwägen, ob es bei der Geringfügigkeit des Streitbetrags wirklich feststellen kann, daß der Betrag ins Gewicht fällt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412413

BStBl III 1967, 249

BFHE 1967, 622

BFHE 87, 622

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