Leitsatz (amtlich)

Sind die Rechte aus einer vom Arbeitgeber in Anspruch genommenen Diensterfindung durch Gesamtrechtsnachfolge (Erbfall nach dem Arbeitgeber) auf den Erfinder übergegangen, so hat der Rechtsnachfolger damit die Stellung eines freien Erfinders.

 

Normenkette

Gesetz über Arbeitnehmererfindungen § 4; UStG 1951 § 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum Tode seiner Mutter als Angestellter in der von der Mutter als Alleininhaberin geführten Werkzeugmaschinenfabrik tätig. In den Jahren 1948/49 entwickelte der Kläger einen Antrieb für X-Vorrichtungen für den ihm 1949 ein Bundespatent erteilt wurde. Das Recht auf Auswertung des Patents überließ der Kläger zur Ausnutzung seiner Mutter, die in der Folgezeit X-Vorrichtungen mit dem patentierten Antrieb herstellte. Der Kläger erhielt dafür nach mit seiner Mutter abgeschlossenen Vereinbarungen, zuletzt einem Lizenzvertrag vom Februar 1958, bis zum Ablauf des Patents im Jahr 1967 eine Erfindervergütung in Höhe von 6,5 v. H. des jeweiligen Jahresgesamtumsatzes der Maschinenfabrik. Auf Grund eines Testaments der Mutter hat der Kläger laut Erbschein des Amtsgerichts L. vom 14. Juni 1965 die Mutter als Vorerbe beerbt. Als Nacherbe im Falle seines Todes sind seine vier Töchter eingesetzt.

Vom Todestag der Mutter (21. April 1965) bis zum 14. Juni 1965 leitete der Kläger die Maschinenfabrik als alleiniger Inhaber. Am 15. Juni 1965 verpachtete er den Betrieb mit allen maschinellen Einrichtungen, mit der gesamten Büroeinrichtung und mit allen Warenvorräten durch schriftlichen Vertrag an seine Ehefrau für die Dauer von 5 Jahren. Die Ehefrau trat ferner "in den bekannten Lizenzvertrag" an die Stelle der verstorbenen Mutter ein.

Als Grund für die mit der Ehefrau getroffenen Vereinbarungen gab der Kläger dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) gegenüber an, er sei ausschließlich Techniker, sei durch Bewältigung der arbeitsgebiete Technik und Verkauf voll ausgelastet und nicht in der Lage, darüber hinaus noch die kaufmännische Leitung des Betriebes zu übernehmen. Er habe diese deshalb seiner Ehefrau, die gelernter Kaufmann sei, übertragen und den gesamten Betrieb an die Ehefrau verpachtet.

Als Lizenzgebühren wurden von dem Gewerbebetrieb an den Kläger im Jahre 1965 insgesamt … DM und im Jahre 1966 insgesamt … DM abgeführt. Das FA hat den Kläger mit diesen Beträgen zur Umsatzsteuer herangezogen.

Die nach erfolglosen Einspruchsverfahren erhobenen Klagen hat das FG abgewiesen. Es hat ausgeführt, das Arbeitsverhältnis, das zwischen dem Kläger und seiner Mutter bestanden habe, sei infolge des Erbfalles durch Konfusion erloschen, woran auch die zugunsten der Töchter angeordnete Nacherbfolge nichts ändere. Damit sei die Erfindung des Klägers in sinngemäßer Anwendung von § 8 ArbnErfG vom 25. Juli 1957 (BGBl I 1957, 756) frei geworden, so daß der Kläger seitdem über die Erfindung wieder frei verfügungsberechtigt gewesen sei (§ 8 Abs. 2 ArbnErfG). Der Eintritt der Ehefrau in den mit der verstorbenen Mutter abgeschlossenen Lizenzvertrag habe nicht bewirkt, daß die Erfindung wiederum dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen unterlegen hätte. Denn die einmal freigewordene Erfindung habe nicht wieder den Status einer gebundenen Diensterfindung erlangen können.

Da der Kläger somit seit dem Erbfall in der Verfügung über die Erfindung frei und nicht mehr weisungsgebunden gewesen sei, habe er seitdem die Stellung als "freier Erfinder" eingenommen, habe somit eine selbständige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt und sei Unternehmer i. S. des Umsatzsteuerrechts (§ 2 Abs. 1 UStG 1951). Seine Heranziehung mit den in den Jahren 1965 und 1966 an ihn abgeführten Lizenzgebühren zur Umsatzsteuer sei daher zu Recht erfolgt.

Mit den Revisionen rügt der Kläger wesentliche Verfahrensmängel und unrichtige Anwendung geltenden Rechts. Das FG habe es unterlassen, sich mit der von ihm vertretenen Auffassung auseinanderzusetzen, daß die Rechte und Pflichten aus dem Lizenzvertrag mit der Mutter nicht durch Konfusion erloschen seien, weil er - der Kläger - als Vorerbe nur Inhaber eines zugunsten der Nacherben wirtschaftlich und rechtlich gebundenen Sondervermögens geworden sei. Da sich die Vorentscheidung mit dieser Rechtsauffassung nicht hinreichend auseinandergesetzt habe, sei sie insoweit nicht mit Gründen versehen und daher gemäß § 119 Nr. 6 FGO mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet. Materiellrechtlich fehlerhaft sei die Vorentscheidung insofern, als sie der Vorschrift des § 2143 BGB keine Rückwirkung beilege, während die Vorschrift gerade dahin zu verstehen sei, daß die Beteiligten im Zeitpunkt des Erbfalles die Rechtsverhältnisse so behandeln lassen müßten, als ob sie nicht erloschen seien. Das Wiederaufleben der Rechtsverhältnisse, die zwischen der Erblasserin und dem Vorerben bestanden hätten, sei zumindest dann anzunehmen, wenn der Vorerbe eine Trennung der Vermögen durch schuldrechtliche und dingliche Vereinbarung binnen angemessener Frist nach dem Erbfall durchgeführt habe. Dies sei im Streitfall in dem mit der Ehefrau abgeschlossenen Pachtvertrag geschehen. Da somit durch diesen Vertrag der frühere Rechtszustand - unter Austausch der verstorbenen Mutter durch die Ehefrau - ohne Einschränkung wiederhergestellt worden sei, könne von einer Konfusion keine Rede sein und sei kein Raum für eine sinngemäße Anwendung von § 8 ArbnErfG. Vielmehr käme § 26 dieses Gesetzes zur Anwendung, wonach der Kläger wie zu Lebzeiten der Mutter als Arbeitnehmererfinder zu behandeln sei. Habe sich aber die Rechtslage gegenüber derjenigen zu Lebzeiten der Mutter nicht geändert, so unterlägen die in den Jahren 1965 und 1966 bezogenen Lizenzvergütungen den Vorschriften des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen und den sich hieraus ergebenden steuerlichen Vergünstigungen.

Der Kläger beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sachen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, die Umsatzsteuer für 1965 um … DM und für 1966 um … DM herabzusetzen.

Der Senat hat beschlossen, beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden (§ 73 FGO).

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen haben keinen Erfolg.

Die Auffassung des Klägers, daß die Vorentscheidung wegen - ganz oder teilweise - fehlender Begründung mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet sei, ist nicht stichhaltig. Ein wesentlicher Verfahrensmangel wegen fehlender Begründung ist nur gegeben, wenn das Gericht einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel schlechthin übergangen, also überhaupt nicht gewürdigt hat und dies für die Entscheidung erheblich sein konnte (vgl. Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, Anm. 12 zu § 119 FGO und die dortigen Hinweise). Dagegen liegt keine fehlende Begründung und daher kein Verfahrensmangel vor, wenn das Gericht in den Entscheidungsgründen nicht auf alle Rechtsausführungen der Beteiligten eingegangen ist. Gerade in diese Richtung aber zielen die Beanstandungen des Klägers in bezug auf die seiner Meinung nach unzureichend erörterten Vorschriften des BGB über die Vorerbschaft ab. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluß vom 25. Mai 1956 1 BvR 128/56, BVerfGE 5, 22), der sich der BFH angeschlossen hat (vgl. Urteil vom 13. Dezember 1966 I R 6/66, BFHE 87, 465, BStBl III 1967, 216), ist das Gericht nicht gehalten, die Rechtsausführungen der Beteiligten im einzelnen zu widerlegen, wenn erkennbar ist, daß es sich mit deren Vorbringen beschäftigt hat. So liegt hier der Fall. Denn die im Streitfall einschlägigen Vorschriften über die Vorerbschaft sind in der Vorentscheidung in schlüssiger Form und daher ausreichend erörtert (vgl. S. 6 und 7 der Vorentscheidung). Ein Verfahrensmangel scheidet daher aus.

Die Ausführungen der Vorinstanz zu der erbrechtlichen Vorfrage, nämlich der Bedeutung der Vorerbschaft im Streitfall, erweisen sich im übrigen auch materiellrechtlich als irrtumsfrei. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger als Vorerbe nach § 2100 BGB wahrer Erbe und daher Inhaber der Rechte und Pflichten der Mutter geworden ist. Zwar ist der Kläger als Vorerbe im gesetzlich geregelten Umfang in seiner Verfügungsmacht beschränkt (vgl. §§ 2113 ff. BGB). Diese Verfügungsbeschränkungen sind jedoch für die Entscheidung des Streitfalles insofern ohne Bedeutung, als der Kläger Verfügungen der einschlägigen Art nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt nicht vorgenommen hat. Da der Kläger Erbe der Mutter ist, ist das zwischen ihm und der Mutter bestehende Arbeitsverhältnis durch Vereinigung von Rechten und Verbindlichkeiten erloschen. § 2143 BGB, auf welche Vorschrift sich der Kläger für die Gegenauffassung beruft, ordnet das Wiederaufleben von Rechtsverhältnissen nur für den Fall des Eintretens der Nacherbfolge an, setzt also gerade voraus, daß die Rechtsverhältnisse zunächst - bei Eintritt der Vorerbfolge - erloschen sind (vgl. Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Anm. 1 zu § 2143). Da der genannten Vorschrift keine Rückwirkung beikommt (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Anm. 1 zu § 2143) und die Nacherbfolge in den Jahren 1965 und 1966 unstreitig nicht eingetreten ist, kann der Kläger aus § 2143 BGB nichts für die von ihm vertretene Auffassung herleiten, daß er auch nach dem Erbfall Arbeitnehmer geblieben oder nach einer kurzen Zwischenzeit wieder geworden sei. Bei der für die Heranziehung des Klägers zur Umsatzsteuer allerdings maßgebenden Frage, ob der Kläger nach dem Erbfall eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit ausgeübt hat, ist unbeschadet der Verfügungsbeschränkungen des Vorerben und der Fiktion des § 2143 BGB davon auszugehen, daß der Kläger wahrer Erbe der Erblasserin und daher deren Gesamtrechtsnachfolger geworden ist (§ 2100 i. V. mit § 1922 BGB). Nur hieraus ergab sich im übrigen für den Kläger auch die rechtliche Voraussetzung zum Abschluß des Pachtvertrages mit der Ehefrau.

In dem Pachtvertrag zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau vom Juni 1965 ist vereinbart, daß die Ehefrau in den Lizenzvertrag mit Frau N - der verstorbenen Mutter - eintrete. Ob der Kläger mit den von der Ehefrau gezahlten Erfindervergütungen zur Umsatzsteuer heranzuziehen ist, hängt davon ab, ob er die Vergütungen als freier Erfinder - oder wie zu Lebzeiten der Mutter - als Arbeitnehmererfinder bezogen hat. Die Frage ist im Sinn der ersten Alternative zu entscheiden.

Da der Mutter des Klägers die ausschließliche Verwertung der Erfindung gestattet worden war, hatte sie die Erfindung unbeschränkt in Anspruch genommen und damit alle Rechte aus der Diensterfindung (§ 4 Abs. 2 ArbnErfG) - außer dem Erfinderpersönlichkeitsrecht - mittels dinglichen Rechtsüberganges erworben (§ 7 Abs. 1 ArbnErfG). Durch den Erbfall ist nicht nur das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Erblasserin durch Konfusion erloschen; vielmehr sind auch die der Mutter übertragenen Erfinderrechte im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Kläger übergegangen (§ 1922 BGB). Der Kläger ist somit durch Gesamtrechtsnachfolge wieder unbeschränkter Inhaber der Erfinderrechte geworden. Die Erfindung war seit dem Erbfall keine gebundene Diensterfindung (§ 4 Abs. 2 ArbnErfG) mehr, sondern eine freie Erfindung (§ 4 Abs. 1 und Abs. 3 ArbnErfG). Der Kläger hatte seitdem den Status eines freien Erfinders. Die Rechtslage ist im Ergebnis die gleiche wie im Fall des § 8 ArbnErfG, nach welchem die Rechte aus der Diensterfindung ebenfalls durch Rechtsnachfolge - wenn auch durch Einzelrechtsnachfolge - auf den Erfinder übergehen, dieser damit unbeschränkter Inhaber der Erfinderrechte und die Diensterfindung selbst frei wird. Ist aber - wie ausgeführt - die Erfindung im Streitfall durch den Erbgang frei geworden und der Kläger seitdem freier Erfinder, so kann dieser Status durch Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses nicht mehr geändert werden (vgl. Rosenau, FR 1968, 164; DB 1958, 120; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 186 zu § 19 EStG). Auch die Regelung des § 26 ArbnErfG, auf welche sich der Kläger für seine gegenteilige Rechtsauffassung beruft, ändert hieran nichts, da sie nur die Auflösung des - obligatorischen - Arbeitsverhältnisses, nicht aber den im Streitfall maßgebenden dinglichen Übergang der Erfinderrechte auf den Kläger betrifft. Der Kläger hat somit seit dem Erbfall die Erfindervergütung unbeschadet eines Arbeitsverhältnisses mit der Ehefrau, dessen steuerrechtliche Wirksamkeit auf sich beruhen kann, als freier Erfinder bezogen. Er ist daher selbständig tätig gewesen und damit Unternehmer nach § 2 UStG 1951. Die Umsätze von sonstigen Leistungen, die er mit der Gewährung der Lizenz für die Auswertung der Erfindung bewirkt hat, unterliegen mit 4 v. H. der Umsatzsteuer (vgl. Urteil des BFH vom 13. April 1961 V 94/59, HFR 1961, 262).

Da das FG sonach zum richtigen Ergebnis gelangt ist, waren die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 768

BFHE 1974, 155

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge