Leitsatz (amtlich)

Ein derivativer Geschäftswert, der in den Bilanzen eines Einzelunternehmens aktiviert ist, kann in der Schlußbilanz dieses Unternehmens nicht allein mit der Begründung auf null DM abgeschrieben werden, daß er durch die Einbringung des Unternehmens in eine Personengesellschaft wertlos geworden sei.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) einen in den Bilanzen seiner Einzelfirma jeweils mit 7 000 DM angesetzten derivativen Geschäftswert in der Schlußbilanz zum 30. Juni 1968 für das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli 1967 bis 30. Juni 1968 auf null DM abschreiben darf.

Der Kläger hatte im Jahre 1962 ein Einzelhandelsgeschäft mit Schreibmaschinen und Bürobedarf käuflich erworben. Nach dem notariellen Kaufvertrag hatte er als Teil des Kaufpreises "für die Übernahme der Kundschaft, die Firma und den Geschäftswert" 7 000 DM bezahlt. Er hatte diese 7 000 DM in seiner Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1962 und in den Folgebilanzen unter der Bezeichnung "Firmenwert" aktiviert. In der Schlußbilanz zum 30. Juni 1968 hat er diesen Posten in voller Höhe "aufgelöst".

Zum 1. Juli 1968 gründete der Kläger zusammen mit dem Mechanikermeister K eine OHG zum Betrieb eines Handelsgeschäfts mit Bürobedarf nebst Reparaturwerkstätte. Nach dem notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag vom 11. Juli 1968 brachte der Kläger sein bisheriges Einzelhandelsgeschäft "mit allen Aktiven und Passiven" und der Mitgesellschafter K seine bisher als Einzelfirma betriebene Werkstatt für Büromaschinen "mit allen Aktiven und Passiven" in diese OHG ein. Die Gewinn- und Verlustverteilung ist in diesem Gesellschaftsvertrag dahin geregelt, daß zunächst jeder Gesellschafter eine Verzinsung von 10 v. H. auf seine Kapitalanteile erhält, der danach verbleibende Gewinn bis zu einer Gesamthöhe (einschließlich Kapitalverzinsung) von 52 000 DM im Verhältnis von 77 v. H. für den Kläger und 23 v. H. für den Mitgesellschafter und der den Betrag von 52 000 DM übersteigende Gewinnbetrag im Verhältnis 50 : 50 für die beiden Gesellschafter verteilt wird.

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte bei der in vollem Umfang vorläufigen Einkommensteuerveranlagung der Kläger für 1968 die Abschreibung des Geschäftswerts zunächst an. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung erließ das FA einen endgültigen Bescheid, in dem die Abschreibung des Geschäftswerts nicht mehr anerkannt wurde. Das FA schloß sich der Ansicht des Betriebsprüfers an, daß der Geschäftswert durch die Gründung der OHG nicht wertlos geworden sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Dagegen gab das FG der Klage statt. Es ist zwar der Auffassung, daß angesichts der Entwicklung des Einzelhandelsgeschäfts des Klägers von einer Fehlmaßnahme, die zu einer Abschreibung des Geschäftswerts auf den niedrigeren Teilwert führen könne, nicht gesprochen werden könne. Die Abschreibung auf null DM rechtfertige sich auch nicht aus der Überlegung, daß der erworbene Geschäftswert sich in den vergangenen sechs Jahren verflüchtigt habe und an seine Stelle allenfalls ein vom Kläger selbst geschaffener Geschäftswert getreten sei, der als originärer Geschäftswert nicht aktivierungsfähig sei. Die Abschreibung sei aber im Streitfall im Hinblick auf die besonderen Umstände bei der Einbringung des Einzelhandelsgeschäfts des Klägers in die OHG berechtigt. Denn der Kläger habe nicht erreicht, daß die Gesellschaft ihm gegenüber dem Geschäftswert des eingebrachten Einzelunternehmens Rechnung getragen habe. Das bedeute für ihn im wirtschaftlichen Ergebnis den Untergang seines bisherigen aktivierten Geschäftswerts bei Beendigung seiner Einzelunternehmerschaft. In der Eröffnungsbilanz der OHG seien die eingebrachten Wirtschaftsgüter sowohl des Klägers als auch des Mitgesellschafters mit den Buchwerten angesetzt worden. Der beim Kläger aktivierte Geschäftswert sei nicht angesetzt worden. Das Kapitalkonto des Klägers habe danach 71 886,80 DM betragen, das des Mitgesellschafters 18 439,32 DM. Das ergebe ein Kapitalkontenverhältnis von 79,6 v. H. zu 20,4 v. H. Die in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehene Gewinnverteilung entspreche diesem Verhältnis mit einer leichten Verschiebung zuungunsten des Klägers. Die tatsächliche Gewinnverteilung für die ersten beiden Geschäftsjahre der OHG ergebe sogar noch eine etwas geringere Gewinnbeteiligung des Klägers, weil außer dem Vorab der Kapitalverzinsung noch ein Geschäftsführergehalt von 12 000 DM für jeden Gesellschafter angesetzt worden sei. Daraus gehe hervor, daß von der OHG der Geschäftswert des eingebrachten Einzelunternehmens des Klägers nicht zu dessen Gunsten berücksichtigt worden sei, weder hinsichtlich der Kapitalanteile noch bei der Gewinnverteilung noch in einer sonstigen Weise. Daraus müsse der Rückschluß gezogen werden, daß der Geschäftswert des Einzelunternehmens für den Kläger bereits am 30. Juni 1968 keinen realisierbaren Wert mehr gehabt habe.

Das FA beantragt mit der Revision (sinngemäß) unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen. Es werden Verletzung der Bewertungsvorschriften des EStG über den Geschäftswert, Unterbrechung des Bilanzenzusammenhangs und mangelnde Sachaufklärung gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Die Schlußfolgerung des FG aus dem Gewinnschlüssel auf den Wert der eingebrachten Kapitalien sei nicht zutreffend. Sie verstoße gegen die steuerlichen Grundsätze zur Beurteilung einschlägiger Fälle. Nach diesen Grundsätzen hätte das FG die Möglichkeit des Vorhandenseins von Äquivalenten prüfen müssen, die dem Geschäftswert gleichwertig sein könnten. Zu denken sei dabei an die Möglichkeit, daß in den Buchwerten des Mitgesellschafters stille Reserven gesteckt hätten, die größer gewesen seien als die in den Buchwerten des Klägers enthaltenen stillen Reserven, oder daß sich im Betrieb des Mitgesellschafters ein originärer Geschäftswert oder ein personenbezogener Geschäftswert gebildet habe oder daß die persönliche Leistungsfähigkeit des Mitgesellschafters größer sei als die des Klägers. Das FG habe eine Prüfung in dieser Richtung unterlassen. Wäre sie erfolgt, so hätte sich wahrscheinlich ergeben, daß dem Firmenwert des Klägers ein Äquivalent des Mitgesellschafters entgegengestanden habe, so daß beide Partner sich entschlossen hätten, die Gewinnvereinbarung unter Weglassung beider Werte auszuhandeln. Die Partner seien sich möglicherweise gar nicht bewußt gewesen, daß sie dabei gegen das Einkommensteuerrecht verstoßen hätten. Das FG habe selbst nachgewiesen, daß der Geschäftswert am 30. Juni 1968 dem Grunde und der Höhe nach vorhanden gewesen sei. Ein Bilanzwert, der vorhanden und zutreffend bewertet worden sei, könne nicht abgeschrieben werden. Schließlich habe der Geschäftswert zum Betriebsvermögen des eingebrachten Betriebs des Klägers gehört. Er habe deshalb von der OHG fortgeführt werden müssen. Eine Unterbrechung des Bilanzenzusammenhangs sei nicht gerechtfertigt. Wenn sich im Laufe des Bestehens der OHG der Geschäftswert mindere, so sei er nach den einkommensteuerlichen Vorschriften abschreibbar. Er könne jedoch nicht ausschließlich aufgrund des Zusammenschlusses der beiden bestehenbleibenden Unternehmen abgeschrieben werden.

Die Kläger beantragen (sinngemäß), die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie halten die Vorentscheidung für zutreffend. Sie weisen darauf hin, daß man bei den Vereinbarungen über die Gewinnverteilung davon ausgegangen sei, daß die durchschnittlichen Gewinne der beiden Einzelunternehmen in den letzten drei Jahren zugrunde gelegt werden sollten. Diese Durchschnittsgewinne hätten bei dem Kläger 40 000 DM, bei dem Mitgesellschafter 12 000 DM betragen. Das entspreche dem Verteilungsschlüssel 77 : 23 v. H.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Das FA hat zu Recht eine Abschreibung des derivativ erworbenen Geschäftswerts von 7 000 DM in der Abschlußbilanz zum 30. Juni 1968 des Einzelhandelsunternehmens des Klägers auf null DM nicht zugelassen.

1. Das FG hat zwar im ersten Satz seiner Entscheidungsgründe die Frage offengelassen, ob der Kläger bei unveränderter Fortführung seines bisherigen Einzelhandelsgeschäfts den in seinen Bilanzen aktivierten Geschäftswert zum 30. Juni 1968 hätte abschreiben dürfen. Es hat aber dann mit überzeugender Begründung dargetan, daß angesichts der Entwicklung der Einzelfirma des Klägers in den sechs Jahren seit dem Erwerb des Unternehmens von einer Fehlmaßnahme nicht gesprochen werden kann und daß auch der erworbene Geschäftswert im ganzen nicht unter den aktivierten Betrag gesunken ist. Es liegt also nach Auffassung des FG keine der beiden Voraussetzungen vor, die nach der ständigen Rechtsprechung eine Teilwertabschreibung des Geschäftswerts rechtfertigen könnten (vgl. das vom FG zitierte Urteil des BFH vom 18. Januar 1967 I 77/64, BFHE 88, 198, BStBl III 1967, 334). Das FG hat weiter zutreffend darauf hingewiesen, daß nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt das vom FG zitierte BFH-Urteil vom 2. Februar 1972 I R 96/70, BFHE 104, 442, BStBl II 1972, 381) eine Teilwertabschreibung auf den insgesamt nicht geminderten Geschäftswert nicht damit begründet werden kann, daß geschäftswertbildende Umstände (z. B. der Kundenkreis), die bei dem Erwerb des Unternehmens vorgelegen haben, inzwischen weggefallen und durch einen vom Erwerber selbst geschaffenen Geschäftswert ersetzt worden sind. Das alles wird auch von den Klägern nicht bestritten. Es ist demnach davon auszugehen, daß der derivativ erworbene Geschäftswert in voller Höhe von 7 000 DM am 30. Juni 1968 noch vorhanden war.

2. Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, daß in dieser Beurteilung eine Änderung dadurch eingetreten ist, daß der Kläger zum 1. Juli 1968 sein Einzelhandelsunternehmen in die OHG eingebracht hat.

Nach ständiger Rechtsprechung, auf die der Senat in dem Urteil vom 11. August 1971 VIII 13/65 (BFHE 104, 48, BStBl II 1972, 270) hingewiesen hat, kann die Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft dann als eine bloße Änderung der Rechtsform des Unternehmens behandelt werden, die zu keiner Auflösung der stillen Reserven zwingt, wenn die eingebrachten Wirtschaftsgüter des Einzelunternehmens ausnahmslos mit ihren Buchwerten in die Eröffnungsbilanz der Personengesellschaft übernommen werden. Zu den eingebrachten Wirtschaftsgütern des Einzelhandelsgeschäfts des Klägers gehört aber auch der in den Bilanzen aktivierte derivative Geschäftswert, der nach den Darlegungen oben zu 1. am 30. Juni 1968 noch in voller Höhe vorhanden war. Denn er ist, wie der Senat in dem Urteil VIII 13/65 hervorgehoben hat, von dem Unternehmen nicht zu trennen und muß mit ihm übertragen werden. Wird dieser Geschäftswert nicht mit seinem Buchwert in die Eröffnungsbilanz der OHG übernommen, sondern mit dem nach Auffassung der Beteiligten auf null DM abgesunkenen Teilwert angesetzt, so kann das zwar zur Folge haben, daß die oben erwähnte Rechtsprechung nicht angewandt werden kann, sondern auch alle anderen eingebrachten Wirtschaftsgüter mit ihren Teilwerten in der Eröffnungsbilanz der OHG angesetzt werden müssen. Das kann jedoch nur Auswirkungen auf die einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb der OHG haben, über die im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden ist. Es kann aber keine Auswirkung auf den Gewinn des Klägers im letzten Wirtschaftsjahr seines Einzelunternehmens haben, so daß eine Abschreibung des Geschäftswerts in der Schlußbilanz dieses Einzelunternehmens nicht zulässig ist. Schon aus diesem Grund waren die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen, so daß es auf die weiteren Erwägungen des FG nicht ankommt.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 817

BFHE 1976, 493

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