Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Aufteilung der Vorsteuern nach dem Umsatzschlüssel

 

Leitsatz (NV)

Bei der Aufteilung der Vorsteuern nach dem Umsatzschlüssel sind die steuerpflichtigen Umsätze mit dem Nettoentgelt, d.h. ohne Einbeziehung des Umsatzsteueranteils, zu bemessen.

 

Normenkette

UStG 1967/1973 § 15 Abs. 3; UStG 1980 § 15 Abs. 5

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie unterhält als Unternehmerin drei gewerbliche Betriebe i.S. des § 2 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967/1973, nämlich die Wasserversorgung sowie die Betriebe eines Hallenbades und eines Campingplatzes. Die Umsätze aus der Wasserversorgung und dem Betrieb des Hallenbades sind in Gänze, die Umsätze aus dem Campingplatzbetrieb nur im Hinblick auf die Aufnahme von Kurzcampern umsatzsteuerpflichtig (§ 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1967/1973). Dementsprechend teilte die Klägerin die auf die Unterhaltung des Campingplatzes entfallenden und wegen § 15 Abs. 2 UStG 1967/1973 nur teilweise abziehbaren Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsätzen auf (§ 15 Abs. 3 UStG 1967/1973). Bei der Verhältnisrechnung bemaß sie die steuerpflichtigen Umsätze mit den Bruttoentgelten, also unter Einbeziehung der von ihr den Leistungsempfängern in Rechnung gestellten Umsatzsteuern. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem in seinen geänderten Steuerfestsetzungen 1978 und 1979 vom 11.Januar 1984 nicht und legte bei der Verhältnisrechnung nach dem Umsatzschlüssel die steuerpflichtigen Umsätze mit den Nettoentgelten zugrunde.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren hiergegen erhobenen Klage mit den insoweit in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1990, 392 veröffentlichten Gründen statt.

Hiergegen richtet sich die auf das Streitjahr 1979 beschränkte Revision des FA, mit der es Verletzung des § 15 Abs. 3 UStG 1967/ 1973 rügt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr.1 UStG 1967/1973 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1967/1973 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Gemäß § 15 Abs. 2 Nr.1 UStG 1967/1973 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist u.a. die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Führt der Unternehmer neben Umsätzen, die hiernach zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug nach Abs. 2 führen, auch Umsätze aus, bei denen ein solcher Ausschluß nicht eintritt, so sind die Vorsteuerbeträge nach abziehbaren und nicht abziehbaren aufzuteilen. Das Gesetz bestimmt in § 15 Abs. 3 und 4 UStG 1967/1973 drei verschiedene Aufteilungsmethoden, von denen die ausschließlich nach dem Umsatzschlüssel vorzunehmende Aufteilung (§ 15 Abs. 3 UStG 1967/1973) - anders als nach dem UStG 1980 (§ 15 Abs. 4 und 5 UStG 1980) - die gesetzliche Regelaufteilungsmethode ist. Die nicht abziehbaren Teile der nach dieser Vorschrift aufzuteilenden Vorsteuerbeträge sind einheitlich nach dem Verhältnis der zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden Umsätze zu den übrigen Umsätzen zu ermitteln, sofern dies nicht zu ungerechtfertigten Steuervorteilen führt (§ 15 Abs. 5 UStG 1967/1973). Da diese Methode im Verhältnis zu den Absätzen 1 und 2 des § 15 UStG 1967/1973 zu ungenauen Ergebnissen führen kann, ist dem Unternehmer die Möglichkeit eingeräumt, zur Vermeidung steuerlicher Nachteile beim FA den Antrag auf Anwendung einer der beiden anderen Aufteilungsmethoden zu stellen (s. dazu auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. März 1992 V R 70/87, BFHE 168, 447, BStBl II 1992, 755).

2. Im Streitfall hat die Klägerin sich für die Aufteilungsmethode nach dem Umsatzschlüssel i.S. des § 15 Abs. 3 UStG 1967/1973 entschieden. Dies wird vom FA im Grundsatz auch nicht beanstandet. Die von der Klägerin vorgenommene Aufteilung der Vorsteuern unterscheidet sich von derjenigen des FA lediglich dadurch, daß sie bei den steuerpflichtigen Umsätzen die auf den Nettopreis entfallende Umsatzsteuer hinzugerechnet hat, während das FA sowohl bei den steuerpflichtigen als auch bei den steuerfreien Umsätzen einheitlich von den Nettoentgelten ausgeht. Der Senat hält die vom FA zugrunde gelegten Werte für zutreffend.

a) Nach § 15 Abs. 3 UStG 1967/1973 sind die Umsätze nach steuerpflichtigen und steuerfreien aufzuteilen. Umsätze sind nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 UStG 1967/1973 entgeltliche Lieferungen und sonstige Leistungen. Mit welchen Werten diese Leistungen in die Verhältnisrechnung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967/1973 eingehen, ist dem Wortlaut dieser Regelung nicht zu entnehmen. Die Ausdrucksweise der Vorschrift ist insoweit unscharf. Ein Umsatz als solcher kann bei der Verhältnisberechnung ebensowenig einbezogen werden, wie bei der Steuerberechnung (§ 12 Abs. 1 UStG 1967/1973). Hier wie dort bedarf es der Bewertung des Umsatzes durch eine Bemessungsgrundlage, um ihn als Rechenposition ansetzen zu können (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 15 Rdnr.208). Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967/1973 geschieht dies bei Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr.1 UStG 1967/1973 durch das Entgelt. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967/1973 alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Die Bemessungsgrundlage wird also mit dem Nettowert angesetzt, d.h., die Umsatzsteuer selbst gehört nicht zum Entgelt. Dies ist sämtlichen Bemessungsgrundlagen gemeinsam (vgl. neben § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967/1973 § 10 Abs. 2 Satz 3 zum Tausch und Abs. 4 Satz 2 UStG 1980 zum Eigenverbrauch bzw. zur Mindestbemessungsgrundlage) und stellt den Unterschied zwischen dem umsatzsteuerrechtlichen Entgelt und dem bürgerlich-rechtlichen Preis dar, der in der Regel eine etwaige Umsatzsteuer einschließt (Bundesgerichtshof - BGH -, Urteil vom 10. November 1988 VII ZR 137/87, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1989, 121 m.w.N.; Wagner in Sölch/Ringleb/ List, a.a.O., § 14 Rdnr.15 ff.). Der Ausschluß des Umsatzsteueranteils bei der umsatzsteuerlichen Entgeltsbemessung vermeidet die Steuer von der Steuer.

b) Es besteht keine Veranlassung, bei der Bemessung der Umsätze im Rahmen der Verhältnisrechnung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967/1973 hiervon abweichend von den Bruttoentgelten - unter Einschluß der Umsatzsteuer - auszugehen. Der Senat folgt damit der bisherigen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 14. Februar 1980 V R 49/74, BFHE 130, 107, BStBl II 1980, 533 unter 4. der Entscheidungsgründe) und der ganz einhelligen Auffassung im Schrifttum (vgl. z.B. Wagner in Sölch/List, Ringleb, a.a.O., § 15 Rdnr.208, Bülow in Vogel/Reinisch/Hoffmann/Schwarz, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 15 Rdnr.432; Wenzel in Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, § 15 Rdnr.415; Peter/Burhoff in Peter, Umsatzsteuer 1980, Kommentar, § 15 Rdnr.558; Birkenfeld, Das Große Umsatzsteuer-Handbuch, V Rz.624; Stadie, Das Recht des Vorsteuerabzugs, S. 175 unter Hinweis auf §§ 22 Abs. 3 Satz 3 und 19 Abs. 4 Satz 2 UStG 1980 a.F.; a.A. Forgach, UR 1988, 44). Diese Auffassung deckt sich überdies mit Art.19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern (6. EG-Richtlinie) vom 17. Mai 1977 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1977 Nr.L 145 S. 1).

Die auf das Entgelt entfallende Umsatzsteuer hat für das Vorsteuerverhältnis keine indizierende Wirkung (BFH-Urteil in BFHE 130, 107, BStBl II 1980, 533). Zwar mag der Ansatz der Nettowerte bei der Aufteilung der Vorsteuer in Einzelfällen, wie von der Vorinstanz in Beispielsberechnungen aufgezeigt, für den Steuerpflichtigen ungünstiger sein als der Ansatz der Bruttowerte. Es kann sich hierdurch im Rahmen der Verhältnisrechnung nach § 15 Abs. 3 UStG 1967/1973 auch eine unterschiedliche Vergleichsbasis zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen ergeben, wenn der Unternehmer bei umsatzsteuerfreien Umsätzen die ihm in Rechnung gestellten, aber nicht abzugsfähigen Vorsteuern als kalkulatorische Preisbestandteile vollen Umfanges auf den jeweiligen Abnehmer überwälzt. Dies ist jedoch hinzunehmen. Bei der Aufteilung nach § 15 Abs. 3 UStG 1967/1973 handelt es sich um eine grobe und rein schematische Schätzungsmethode, die dem Steuerpflichtigen im Interesse der Praktikabilität und technischen Erleichterung eine einfache Ermittlung der nicht abziehbaren Vorsteuern ermöglichen soll (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 15 UStG 1967/1973, BTDrucks V/1581, S. 15; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer - Kommentar, 10. Aufl., § 15 Rdnr.348). Diesem Vereinfachungseffekt entspricht es, sowohl bei der Steuerberechnung als auch bei der Vorsteueraufteilung einheitliche Bemessungsgrundlagen nach Maßgabe des § 10 UStG 1967/1973 zugrunde zu legen. Damit verbundene Ungenauigkeiten sind zugunsten, aber auch zu Lasten des Steuerpflichtigen in Kauf zu nehmen. Will der Steuerpflichtige sie vermeiden, war es ihm unbenommen, beim FA eine hiervon abweichende Aufteilung der Vorsteuer nach den Grundsätzen des § 15 Abs. 4 UStG 1967/1973 zu beantragen.

4. Da das FG einen anderen Rechtsstandpunkt vertreten hat, war die Vorentscheidung, soweit sie das Streitjahr 1979 betrifft, aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Das FA hat der Aufteilung nach § 15 Abs. 3 UStG 1967/1973 zu Recht die Umsätze mit den Nettoentgelten zugrunde gelegt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens waren nach § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO zu teilen. Die Klägerin hat insoweit nur die Kosten zu tragen, die auf das Streitjahr 1979 entfallen, weil die Vorentscheidung im übrigen aufgrund der Einschränkung der Revision des FA rechtskräftig wurde.

 

Fundstellen

BFH/NV 1993, 626

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