Entscheidungsstichwort (Thema)

AfaA bei leerstehenden Gebäuden

 

Leitsatz (NV)

1. Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) nach § 7 Abs. 1 S. 5 EStG sind grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem der gesetzliche Tatbestand von § 7 Abs. 1 S. 5 EStG erfüllt ist, spätestens aber in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Steuerpflichtige die außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung entdeckt hat (Anschluß an die Senatsentscheidung vom 1. Dezember 1992 IX R 333/87, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen).

2. An dem erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang der AfaA mit einer Einkunftserzielung fehlt es, wenn ein Gebäude bereits vor seinem technischen oder wirtschaftlichen Verbrauch jahrelang leergestanden hatte, ohne daß sich konkrete Umstände für die Absicht feststellen lassen, das Gebäude in absehbarer Zeit wieder zur Einkunftserzielung zu nutzen (Ergänzung zu den Senatsentscheidungen vom 19. September 1990 IX R 5/86, BFHE 161, 479, BStBl II 1990, 1030 und vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761).

 

Normenkette

EStG 1971 § 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 3, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Eigentümer eines Grundstücks in A und eines weiteren in B. Das Gebäude in B wurde 1976 abgerissen, während das Gebäude in A als Ruine ungenutzt blieb.

Die Kläger hatten die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre (1971 bis 1973) zunächst wegen anderer, hier nicht mehr im Streit befindlicher Besteuerungsgrundlagen angefochten. Erst im Klageverfahren hat der Kläger Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) nach § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für das Gebäude in A verteilt auf die Streitjahre 1971 und 1972, jeweils in Höhe von 13000 DM sowie für das Streitjahr 1973 von 13703 DM und für das Gebäude in B für das Jahr 1973 in Höhe von 69532 DM beantragt. Dem ist das Finanzgericht (FG) gefolgt; es hat zugleich die dem Kläger für das Gebäude B 1976 gewährten AfaA rückgängig gemacht.

Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -), die er auf die Verletzung materiellen Rechts (§ 9 EStG) stützt. Das FG habe den notwendigen Zusammenhang der AfaA mit den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung verkannt. Der Kläger habe weder in den Streitjahren noch später Einkünfte aus den Gebäuden erzielt.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA die Einkommensteuerbescheide der Streitjahre gemäß § 172 Abs. 1 Nr.2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert. Die Kläger haben die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 24. August 1989 und vom 18. September 1989 gemäß §§ 68, 121, Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.

 

Entscheidungsgründe

1. Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich während des Revisionsverfahrens die angefochtenen Bescheide, über deren Rechtmäßigkeit das FG entschieden hat, geändert haben (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Februar 1989 II R 128/85, BFHE 155, 563, 564, BStBl II 1989, 348; vom 14. November 1990 II R 126/87, BFHE 163, 218, 220, BStBl II 1991, 556; vom 31. März 1992 IX R 2/86, BFH/NV 1992, 759). Die während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide vom 24. August und 18. September 1989 sind verfahrensrechtlich neue Verwaltungsakte, die die Steuerfestsetzung der Höhe nach verändert haben. Da dem FG-Urteil noch die Einkommensteuerbescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 1981 zugrunde liegen, ist seine Steuerfestsetzung durch die während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheide des FA überholt.

Der Senat verweist die Sache nach § 126 Abs. 3 Nr.2 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Denn die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann nicht abschließend über die Klage entscheiden, weil es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen dazu fehlt, ob der Kläger die begehrten AfaA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr.7 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 4 Satz 3 EStG abziehen kann.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH setzen AfaA entweder eine Substanzeinbuße eines bestehenden Wirtschaftsgutes (technische Abnutzung) oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (wirtschaftliche Abnutzung) voraus (Senatsentscheidungen vom 1. Dezember 1992 IX R 333/87, BFHE . . ., . . ., BStBl II 1993, . . .; vom 31. März 1992 IX R 164/87, BFHE 168, 104, BStBl II 1992, 830; BFH-Urteile vom 31. Januar 1992 VI R 57/88, BFHE 166, 502, BStBl II 1992, 401; vom 28. Oktober 1980 VIII R 34/76, BFHE 132, 41, BStBl II 1981, 161). Die AfaA sind grunsätzlich in dem Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem der gesetzliche Tatbestand von § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG infolge der außergewöhnlichen technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung erfüllt ist, spätestens aber in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Steuerpflichtige die außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung entdeckt hat (Senatsentscheidung vom 1. Dezember 1992 IX R 333/87, m.w.N.).

Gemäß § 9 Abs. 1 i.V.m. § 7 Abs. 4 EStG ist derjenige befugt, Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 EStG und damit auch AfaA nach § 7 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 EStG abzusetzen, der den Tatbestand der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verwirklicht und der die Anschaffungskosten für das begünstigte Objekt getragen hat (ständige Rechtsprechung des BFH; Urteil vom 28. Juli 1981 VIII R 141/77, BFHE 134, 409, BStBl II 1982, 454; Senatsentscheidung vom 15. Mai 1990 IX R 21/86, BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67; Werndl in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7 Rz.B 153, m.w.N.). AfA erfordern einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer Einkunftserzielung, wie es § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr.1 EStG allgemein für einen Werbungskostenabzug voraussetzen. Hieran fehlt es, wenn ein Gebäude bereits vor seinem technischen oder wirtschaftlichen Verbrauch jahrelang leergestanden hatte, ohne daß sich konkrete Umstände für die Absicht feststellen lassen, das Gebäude in absehbarer Zeit wieder zur Einkunftserzielung zu nutzen (BFH-Urteile vom 19. September 1990 IX R 5/86, BFHE 161, 479, BStBl II 1990, 1030, und vom 4. Juni 1991 IX R 30/89, BFHE 164, 364, BStBl II 1991, 761).

3. Für die Entscheidung des Streitfalles aufgrund der vorstehenden Rechtsgrundsätze fehlen bereits tatsächliche Feststellungen zu der Frage, in welchem Veranlagungszeitraum eine technische oder wirtschaftliche Abnutzung der Gebäude des Klägers eingetreten war. Hierfür reichen die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil nicht aus, die Gebäude seien bereits 1973 unbrauchbar und wertlos gewesen.

Außerdem fehlt es für die Beurteilung eines wirtschaftlichen Zusammenhangs der begehrten AfaA mit einer Einkunftserzielung des Klägers an tatsächlichen Feststellungen, ob und bis wann eine Absicht des Klägers zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anhand objektiver Umstände erkennbar war. Aus dem angefochtenen Urteil läßt sich nicht entnehmen, ob der Kläger in den Streitjahren oder in den vorausgegangenen Veranlagungszeiträumen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durch eine Nutzung der beiden Gebäude erzielt hatte oder ob ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit angestrebten späteren Einkünften in Betracht kommt.

Die Sache geht an das FG zurück, damit es die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachholt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64511

BFH/NV 1993, 646

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