Leitsatz (amtlich)

Die Bereitstellung von Parkräumen, die mit Parkuhren versehen sind oder nur mit Parkscheiben benutzt werden dürfen, sowie von Parkhäusern dient dem öffentlichen Verkehr, wenn die Parkflächen einem unbestimmten Personenkreis offenstehen und damit von jedermann benutzt werden können.

 

Normenkette

KVStG 1959 § 7 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine GmbH, an der ausschließlich die Stadt X beteiligt ist, betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand und Zweck nach § 2 des Gesellschaftsvertrages waren:

a) der Bau von Parkhäusern und Kunstbauten für den ruhenden Verkehr;

b) die Anpachtung und das Betreiben von Parkhäusern und sonstigen Verkehrseinrichtungen;

c) die Nutzung und Bewirtschaftung von bewachten Parkplätzen und Gemeinschaftsanlagen auf öffentlichen Plätzen und privaten Grundstücken;

d) die Bewirtschaftung von Parkuhren auf Straßen und Plätzen.

Das beklagte FA erließ gegen die Klägerin wegen des ersten Erwerbs der Gesellschaftsrechte bei ihrer Gründung einen Gesellschaftsteuerbescheid über 550 DM. Der Einspruch, mit dem die Klägerin Steuerfreiheit nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 geltend machte, weil sie dem öffentlichen Verkehr diene, blieb ohne Erfolg. Die Klage demgegenüber hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA ist unbegründet. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959.

Das FG hat festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß die von der Klägerin geschaffenen Parkflächen zur Benutzung durch einen unbestimmten Personenkreis offenstehen und auch ohne öffentlich-rechtliche Widmung von jedermann benutzt werden können. Seine rechtliche Schlußfolgerung, daß die Klägerin damit dem öffentlichen Verkehr diene, begegnet keinen Bedenken.

Wenn das FA der Auffassung ist, daß Kapitalgesellschaften, die ausschließlich der Regelung des ruhenden Verkehrs dienen, niemals unter § 7 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 fallen können, und sich hierbei vor allem auf das Urteil des RFH vom 21. April 1925 II A 140/25 (RFHE 16, 132) stützt, so vermag der Senat dieser Auffassung nicht zuzustimmen. Der RFH hat sich in diesem Urteil mit der Frage der Auslegung des Begriffs "öffentlicher Verkehr" befaßt, wie er schon in § 4 Abs. 1 Buchst. b KVStG 1922 enthalten war. Er ist unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift zu dem Ergebnis gelangt, daß der Gesetzgeber bei der Verwendung des Begriffs "öffentlicher Verkehr" den Vekehr als Gegenstand öffentlicher Verkehrspolitik gemeint habe. Es gehe um die Gestaltung des Verkehrs durch die öffentliche Hand. Nach der Stempelsteuergesetzgebung seien zunächst nur die Eisenbahnen befreit gewesen. Dann sei die Befreiung auf inländische Kraftwagenlinien mit einem fahrplanmäßig geregelten Verkehr ausgedehnt worden. Schließlich sei es zur Regelung des § 4 Abs. 1 Buchst. b KVStG 1922 gekommen. Unter den Begriff des öffentlichen Verkehrs als Gegenstand der öffentlichen Verkehrspolitik falle aber nicht die Vermietung von Last- und Personenwagen durch freie Einzelverträge.

Der Beklagte mißversteht das Urteil des RFH, wenn er meint, daß ein Unternehmen nur dann dem öffentlichen Verkehr diene, wenn es die Beförderung von Personen oder Gütern zum Gegenstand habe. Mit dieser Auffassung kommt der Beklagte einer vom RFH abgelehnten Betrachtung des Begriffs "öffentlicher Verkehr" nahe, nämlich der von der Entstehungsgrundlage des Verkehrs ausgehenden.

Der RFH hat auf den öffentlichen Verkehr als Gegenstand der öffentlichen Verkehrspolitik abgestellt. Diese Auffassung ist keine statische, sondern eine dynamische. Sie erfordert es, die Entwicklung der Verhältnisse im besonderen Maße in die Betrachtung einzubeziehen. Dies bedeutet, daß nicht nur der Betrieb von Eisenbahn-, Omnibus- und Luftfahrtlinien Gegenstand öffentlicher Verkehrspolitik ist und damit dem öffentlichen Verkehr dient, sondern auch der Betrieb von Flughäfen und mit der zunehmenden Entwicklung des Individualverkehrs auch die Errichtung von Autostraßen einschließlich der Flächen, die dem ruhenden Verkehr zum Parken zur Verfügung stehen.

Dem öffentlichen Verkehr dient ein Unternehmen allerdings nur dann, wenn es unmittelbar diese Zweckbestimmung erfüllt (vgl. Urteil des RFH II A 490/29 vom 3. Dezember 1929, Mrozek-Kartei, Rechtsspruch 1 zu § 4 Abs. 1 Buchst. b KVStG 1922). Als unmittelbar dem öffentlichen Verkehr dienend sind aber nicht nur Unternehmen anzusehen, die die Beförderung von Personen und Gütern selbst betreiben; unter die Befreiungsvorschrift fallen auch Gesellschaften, die die zu diesem Betrieb erforderlichen Anlagen herstellen, erweitern oder verbessern (vgl. schon Kessler, Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz a. F., 2. Aufl. 1927 S. 75, 76, Erl. 7. zu § 4 und Kommentar zum Kapitalverkehrsteuergesetz n. F. S. 80, Erl. 10 zu § 7). So hat bereits der RFH in einem nicht veröffentlichten Urteil eine Flughafen GmbH als dem öffentlichen Verkehr dienend anerkannt. Der erkennende Senat hat sich dieser Auffassung in dem Urteil vom 15. Oktober 1975 II R 127/69 (BFHE 117, 111, BStBl II 1976, 25) angeschlossen.

Der ruhende Verkehr hat sich zu einem brennenden Problem der Verkehrspolitik besonders in den Innenräumen der Städte entwickelt. Er nimmt vielfach nicht nur die Straßenränder, sondern zuweilen auch Teile der Gehwege in Anspruch. Um für die Fahrzeuge Platz zu schaffen, die nur verhältnismäßig kurze Zeit abgestellt werden, z. B. während der Zeit, in der Einkäufe getätigt werden, werden die Straßenränder vielfach mit Parkuhren versehen oder es wird die Verwendung von Parkscheiben vorgeschrieben (vgl. hierzu § 13 der Straßenverkehrs-Ordnung). Durch diese Maßnahmen soll der Verkehrsfluß in den Innenstädten aufrechterhalten werden. Der Senat ist der Auffassung, daß die Bereitstellung von Parkräumen, die mit Parkuhren versehen sind oder nur mit Parkscheiben benutzt werden dürfen, dem öffentlichen Verkehr i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 dient. Keinen Unterschied kann es nach Meinung des Senats machen, ob Parkflächen an Parkuhren bereitgestellt werden oder ob Parkhäuser zum vorübergehenden Parken zur Verfügung gestellt werden. In beiden Fällen steht die Parkfläche einer unbestimmten Anzahl von Verkehrsteilnehmern und damit dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung.

Daß auch Unternehmen Parkhäuser betreiben, die nicht der öffentlichen Hand gehören, steht der Steuerbefreiung ebensowenig entgegen, wie bei den übrigen unter § 7 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 fallenden Gesellschaften.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 219

BFHE 1976, 297

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