Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerberaterprüfung - Besetzung des Prüfungsausschusses

 

Leitsatz (NV)

Die Besetzung des Prüfungsausschusses und die Bewertung der Aufsichtsarbeiten für die Steuerberaterprüfung kann so organisiert werden, daß neben einem festen Stamm von (ordentlichen) Mitgliedern des Prüfungsausschusses eine ausreichende Zahl von Stellvertretern berufen wird, die neben den ordentlichen Mitgliedern mit der selbständigen Begutachtung der Arbeiten und der nachfolgenden Notenfestsetzung im Prüfungsausschuß betraut werden.

 

Normenkette

DVStB §§ 10, 24 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) nahm an der Steuerberaterprüfung 1990 in Rheinland-Pfalz teil. Für die von ihm gefertigten Aufsichtsarbeiten setzte der Prüfungsausschuß des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzministerium) aufgrund der Begutachtung der Arbeiten durch je zwei Prüfer die Noten 4,5, 5 und 4,5 fest. Ein Teil der Prüfer waren stellvertretende Mitglieder des Prüfungsausschusses. Mit Bescheid . . . teilte das Finanzministerium dem Kläger mit, seine Note für die schriftliche Prüfung übersteige die Zahl 4,5. Er sei deshalb nach § 25 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und habe die Prüfung nicht bestanden.

Die Klage des Klägers führte zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung und zur Verpflichtung des Finanzministeriums, den Kläger erneut zu bescheiden. Das Finanzgericht (FG) führte aus, ein wesentlicher Verfahrensmangel ergebe sich daraus, daß im Streitfall keine Vertretungsfälle vorgelegen hätten, die den Einsatz der stellvertretenden Mitglieder des Prüfungsausschusses, die zur Korrektur und Begutachtung der schriftlichen Arbeiten berufen worden seien, gerechtfertigt hätten. Das Finanzministerium habe nur einen Prüfungsausschuß gebildet und wegen der hohen Anzahl der Prüfungskandidaten die (berufenen) Stellvertreter der Mitglieder des Prüfungsausschusses von vornherein arbeitsteilig für die Korrektur und Begutachtung der Klausuren eingesetzt. Der Bestimmung der Vertreter als Korrektoren und Gutachter habe keine Geschäftsordnung des Prüfungsausschusses zugrunde gelegen, die für den Fall der Verhinderung von Mitgliedern des Prüfungsausschusses eine bestimmte Reihenfolge hinsichtlich deren Vertretung geregelt habe. Diese Handhabung entspreche nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein ordentliches Prüfungsverfahren. Ein Vertretungsfall liege nicht vor, wenn die Zahl der Prüflinge so groß sei, daß ein Prüfungsausschuß die Prüfung nur unter Einschaltung von stellvertretenden Mitgliedern bewältigen könne; dieser organisatorischen Schwierigkeit sei durch Bildung mehrerer Prüfungsausschüsse zu begegnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 DVStB). Da im Streitfall an der Bewertung der Aufsichtsarbeiten des Klägers mehrere stellvertretende Mitglieder des Prüfungsausschusses mitgewirkt hätten, sei keine der Aufsichtsarbeiten in der richtigen Besetzung des Prüfungsausschusses bewertet worden. Die Arbeiten müßten deshalb durch einen ordnungsgemäß besetzten Prüfungsausschuß neu bewertet werden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das Finanzministerium geltend, die Vorentscheidung stehe im Widerspruch zu der Auslegung der Verfahrensvorschriften über die Zusammensetzung des Prüfungsausschusses durch das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Juli 1991 VII R 21/91 (BFHE 165, 156, BStBl II 1991, 893). Nach dieser Entscheidung sei die oberste Finanzbehörde befugt, für ein Bundesland (dort: Baden-Württemberg) auch bei einer großen Zahl von Prüflingen nur einen Prüfungsausschuß zu bilden und durch Berufung einer entsprechend hohen Zahl von stellvertretenden Mitgliedern dafür zu sorgen, daß die Begutachtung der Aufsichtsarbeiten durch zwei Prüfer in angemessener Zeit zu bewältigen sei. Auch die erforderliche Arbeitsentlastung der Mitglieder des Prüfungsausschusses sei ein zulässiger Fall der Vertretung. Im Streitfall sei die Zuordnung der schriftlichen Arbeiten zur Korrektur an die einzelnen Prüfer nach bestimmten Regeln erfolgt.

Der Kläger ist der Ansicht, der Streitfall unterscheide sich in einem wichtigen Punkt von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Senats in BFHE 165, 156, BStBl II 1991, 893 zugrunde gelegen habe. Der Senat sei dort bei seiner rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen, daß der Aufgabenbereich der einzelnen Prüfer und die Besetzung des Prüfungsausschusses in den Sitzungen, in denen die Noten für die Aufsichtsarbeiten festgelegt worden seien, ebenso wie bei einer Bildung mehrerer Prüfungsausschüsse von vornherein festgelegt gewesen seien. Die konkrete Besetzungsordnung des Prüfungsausschusses habe sich aus den Berufungserlassen des Finanzministeriums, mit denen vor Beginn der Steuerberaterprüfung alle ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Prüfungsausschusses bestellt worden waren, sowie aus der Verteilung der Erst- und Zweitbegutachtung für die Aufsichtsarbeiten auf die einzelnen Prüfer ergeben. Die Aufteilung der Arbeiten sei in dem vom Senat entschiedenen Fall nach einem bestimmten Prüfungsplan erfolgt, der vor dem Beginn der schriftlichen Prüfung aufgestellt worden sei. Dagegen habe im Streitfall - wie das FG festgestellt habe - der Bestimmung der Vertreter als Korrektoren und Gutachter keine Geschäftsordnung des Prüfungsausschusses zugrunde gelegen, aus der sich für den Fall der Verhinderung von Mitgliedern des Prüfungsausschusses eine bestimmte Vertretungsreihenfolge ergeben habe. Das FG habe daher zu Recht in der Einschaltung der stellvertretenden Mitglieder des Prüfungsausschusses einen Verfahrensfehler gesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Finanzministeriums ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das Finanzministerium hat in dem angefochtenen Prüfungsbescheid aufgrund der Noten für die schriftlichen Arbeiten, die der Prüfungsausschuß festgesetzt hat, zu Recht entschieden, daß der Kläger bei einer schlechteren Gesamtnote für die schriftliche Prüfung als 4,5 von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen sei und die Steuerberaterprüfung 1990 nicht bestanden habe (§ 25 Abs. 1 und 2 DVStB). Entgegen den Ausführungen des FG ist der Prüfungsausschuß bei der Festsetzung der Noten für die Aufsichtsarbeiten des Klägers nicht deshalb fehlerhaft besetzt gewesen, weil an den Sitzungen auch Personen teilgenommen und an der Bewertung der Arbeiten mitgewirkt haben, die nach den Berufungserlassen des Finanzministeriums (nur) zu stellvertretenden Mitgliedern des Prüfungsausschusses bestellt worden waren.

1. Wie der Senat in seinen Urteilen in BFHE 165, 156, BStBl II 1991, 893, und vom 22.Oktober 1991 VII R 10/91 (BFH/ NV 1992, 275) für mit dem Streitfall vergleichbare Fälle der Steuerberaterprüfung in Baden-Württemberg entschieden hat, sind auch solche Personen, die durch den behördlichen Bestellungsakt (§ 10 Abs. 3 Satz 2 DVStB) zu stellvertretenden Mitgliedern berufen worden sind, Mitglieder des Prüfungsausschusses i.S. des § 24 DVStB, wenn der Vertretungsfall eintritt und die Personen mit der Begutachtung von Prüfungsarbeiten betraut werden, mit der Folge, daß sich ihre Tätigkeit nicht nur auf die Begutachtung der Aufsichtsarbeiten beschränken darf. Sie müssen vielmehr auch an der Festsetzung der Note nach § 24 DVStB beteiligt werden (vgl. auch die Neufassung des § 24 Abs. 1 DVStB aufgrund der Änderungsverordnung vom 19. August 1991, BStBl I 1991, 899, 901; ebenso: Senatsurteil vom 11.Juli 1989 VII R 109/88, BFHE 157, 477, BStBl II 1989, 858).

Der Vertretungsfall, der die Mitwirkung von stellvertretenden Mitgliedern des Prüfungsausschusses an dessen Sitzungen zur Bewertung von Aufsichtsarbeiten rechtfertigt, ist im Gegensatz zur Vorentscheidung auch dann gegeben, wenn im Hinblick auf den Arbeitsanfall wegen der großen Zahl von Prüflingen die Begutachtung der schriftlichen Arbeiten durch mindestens zwei (ordentliche) Mitglieder des Prüfungsausschusses - wie in § 24 Abs. 1 Satz 1 DVStB a.F. (jetzt Abs. 2 Satz 1) vorgeschrieben - in angemessener Zeit nicht möglich wäre. Nach der Rechtsprechung des Senats ist es zulässig, die Besetzung des Prüfungsausschusses und die Bewertung der Aufsichtsarbeiten - wie es das beklagte Finanzministerium getan hat - so zu organisieren, daß neben einem festen Stamm von (ordentlichen) Mitgliedern des Prüfungsausschusses eine ausreichende Zahl von Stellvertretern berufen wird, die neben den ordentlichen Mitgliedern mit der selbständigen Begutachtung der Arbeiten und der nachfolgenden Notenfestsetzung im Prüfungsausschuß betraut werden. Die Einschaltung der stellvertretenden Mitglieder des Prüfungsausschusses bei der Bewertung der Prüfungsarbeiten nach einem vorher festgelegten Plan ist demnach auch dann zulässig, wenn sie im Hinblick auf die Anzahl der berufenen Mitglieder des Prüfungsausschusses, ihrer Stellvertreter und der zu prüfenden Kandidaten von vornherein absehbar ist.

2. Das Finanzministerium war also befugt, auch die schriftliche Steuerberaterprüfung 1990 durch einen Prüfungsausschuß abwickeln zu lassen, der wegen seiner Besetzung mit einer ausreichenden Zahl von Stellvertretern in der Lage war, die Begutachtung der Aufsichtsarbeiten durch je zwei Prüfer und die anschließende Notenfestsetzung in angemessener Zeit zu bewältigen. Dabei stellt - wie oben ausgeführt - der Anfall einer großen Zahl von Aufsichtsarbeiten, die von den ordentlichen Mitgliedern des Prüfungsausschusses innerhalb der zur Abwicklung des Prüfungsverfahrens zur Verfügung stehenden Zeit nicht begutachtet werden könnten, einen ausreichenden Grund zur Einschaltung der Stellvertreter dar.

Auch bei der im Streitfall vorliegenden Organisation des Prüfungsverfahrens waren - entgegen der Auffassung des Klägers - der Aufgabenbereich der einzelnen Prüfer und die Besetzung des Prüfungsausschusses in den Sitzungen, in denen die Noten für die Aufsichtsarbeiten festgesetzt wurden, von vornherein festgelegt, so daß Manipulationen seitens der Prüfungsbehörde zu Lasten einzelner Prüflinge nicht vorgenommen werden konnten. Eine vom Senatsurteil in BFHE 165, 156, BStBl II 1991, 893 abweichende Sachverhaltsgestaltung liegt somit entgegen der Revisionserwiderung des Klägers nicht vor. Die konkrete Besetzungsordnung des Prüfungsausschusses ergab sich auch hier aus dem Berufungserlaß des Finanzministeriums, mit dem - wie das FG festgestellt hat - vor Beginn der Steuerberaterprüfung 1990 alle ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Prüfungsausschusses bestellt waren, sowie aus der Verteilung der Erst- und Zweitbegutachtung für die Aufsichtsarbeiten auf die einzelnen Prüfer nach einem bestimmten Prüfungsplan. Dem steht nicht entgegen, daß eine Geschäftsordnung des Prüfungsausschusses für die Vertretungsregelung nicht vorgelegen hat. Wie oben ausgeführt, reicht eine Aufteilung der Korrekturaufgaben auf die Mitglieder und Stellvertreter des Ausschusses aus Gründen der Arbeitsteilung und fristgemäßen Arbeitsbewältigung aus.

Nach den Feststellungen des FG hat der Prüfungsausschuß zur Begutachtung der Aufsichtsarbeiten aus den verschiedenen Prüfungsgebieten jeweils vier Mitglieder und Stellvertreter dazu bestimmt, aus deren Kreis auch die Gutachter für die Klausuren des Klägers entnommen worden sind. Nach welchen Gesichtspunkten den Prüfern im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Prüfungsarbeiten der einzelnen Kandidaten zugeteilt worden sind, hat das FG nicht festgestellt. Es bedarf hierzu auch keiner tatsächlichen Feststellungen, da die Verteilung der Prüfungsarbeiten auf die einzelnen Prüfer nach bestimmten Kriterien aus organisatorischen Gründen notwendig und selbstverständlich erscheint, zumal hierfür der Gesichtspunkt der Arbeitsteilung ausreichend ist. Damit stand die konkrete Besetzung des Prüfungsausschusses für die Begutachtung und Notenfestsetzung der Aufsichtsarbeiten eines jeden Prüfungskandidaten jedenfalls vor dem Beginn der Korrekturarbeiten fest. Dabei ist - wie der Senat entschieden hat - die Besetzung des Ausschusses für die Bewertung der jeweiligen Aufsichtsarbeit maßgebend (§ 24 Abs. 1 DVStB); denn die nach § 25 Abs. 1 DVStB für die schriftliche Prüfung zu bildende Gesamtnote errechnet sich nach § 15 Abs. 2 DVStB - ohne Beurteilungsspielraum des Prüfungsausschusses - nach dem arithmetischen Mittel der Einzelnoten (BFHE 165, 156, BStBl II 1991, 893, 896).

Da Anhaltspunkte für eine willkürliche, die Chancengleichheit möglicherweise beeinträchtigende Zuweisung der Aufsichtsarbeiten an die einzelnen Prüfer nicht vorliegen und auch vomKläger nicht vorgetragen worden sind, kann der Senat ohne weitere Sachaufklärung entscheiden, daß der Prüfungsausschuß bei der Bewertung der schriftlichen Aufsichtsarbeiten des Klägers nicht fehlerhaft besetzt gewesen ist. Die Klage ist deshalb unter Aufhebung des FG-Urteils, das eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418717

BFH/NV 1993, 500

BFH/NV 1993, 501

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