Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Werden alle Anteile einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, zu deren Vermögen Grundstücke gehören, in der Hand von Ehegatten vereinigt, so ist eine steuerpflichtige Anteilsvereinigung im Sinn des § 1 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG gegeben.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 3

 

Tatbestand

Der am 22. April 1952 verstorbene Anton H. und sein Schwiegersohn Walter S. waren in Gesellschaft des bürgerlichen Rechts Eigentümer eines Grundstücks. Erben des Anton H. waren seine beiden Töchter Gisela S., geb. H., und Else D., geb. H., je zur Hälfte. Beide Töchter wurden in Erbengemeinschaft an Stelle des Anton H. als Miteigentümer in das Grundbuch eingetragen. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 14. Februar 1953 zwischen Walter S., Gisela S. und Else D. wurde das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragschließenden neu geregelt. In dem bezeichneten Vertrage wurde u. a. vereinbart, daß Frau Else D. gegen eine Abfindung von 35.000 DM aus der Erbengemeinschaft ausscheidet. Diese Regelung erstreckte sich, wie der Vertrag ausdrücklich ergibt, auch auf den Anteil des verstorbenen Anton H. an der vorerwähnten Gesellschaft des bürgerlichen Rechts.

Das Finanzamt erblickte in dem Vertrag vom 14. Februar 1953 einen nach § 1 Abs. 3 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerpflichtigen Vorgang, ließ einen Grundstücksbruchteil, der den seitens der Ehefrau S. von Todes wegen und durch Erbauseinandersetzung erworbenen Anteilen entsprach (= 1/2 des Gesellschaftsvermögens), nach § 3 Ziff. 2 und 3 GrEStG steuerfrei und legte den halben Einheitswert (= 1/2 von 243.700 DM) der Steuerberechnung zugrunde.

Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist ohne Erfolg.

I. - Die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG ist zu Recht bejaht worden. Nach dieser Vorschrift unterliegt der Steuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf übertragung eines oder mehrerer Anteile einer Gesellschaft begründet, und zwar auch einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, wenn durch die übertragung alle Anteile der Gesellschaft in einer Hand vereinigt werden. Ein Erwerb aller Anteile in einer Hand liegt auch dann vor, wenn die Anteile in der Hand des Erwerbers und seiner Ehefrau vereinigt werden.

Das Finanzgericht führt hierzu zutreffend aus, daß mit dem Tode des Schwiegervaters Anton H., d. h. am 22. April 1952, die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die zwischen diesem und seinem Schwiegersohn Walter S. bestand, nach § 727 Abs. 1 BGB aufgelöst wurde, weil, wie auch die Beschwerdeführer (Bf.) anerkennen, im Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben des zuerst versterbenden Gesellschafters nicht vorgesehen war. Die Gesellschaft ging aber, worauf das Finanzgericht gleichfalls mit Recht hinweist, nicht unter, sondern blieb nach § 730 Abs. 2 BGB als Abwicklungsgesellschaft zum Zweck der Verteilung ihres Vermögens erhalten. An dieser Gesellschaft waren der Gesellschafter Walter S. und die Erben des Mitgesellschafters Anton H., nämlich seine Töchter Gisela S. und Else D., beteiligt; die letzteren bildeten eine Erbengemeinschaft im Sinne der §§ 2032 ff. BGB. Die Einheit und Selbständigkeit des Gesellschaftsvermögens blieben somit erhalten. Dieses Vermögen stand den an der Abwicklungsgesellschaft Beteiligten in der Rechtsform zur gesamten Hand zu, die bis zum Tode des Anton H. für die Anteilsrechte der Gesellschafter bestanden hatte. Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts galt somit trotz der Auflösung als fortbestehend, soweit der Zweck der Auseinandersetzung es erforderte. Demgemäß trat im Falle der Auflösung der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht sofort eine Vollbeendigung der Gesellschaft ein; vielmehr blieb die Gesellschaft bis zur Durchführung der Auseinandersetzung als Abwicklungsgesellschaft aufrechterhalten. Siehe dazu das Urteil des Reichsgerichts VII 13/22 vom 15. Dezember 1922 (Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 106 S. 63), die Urteile des Bundesgerichtshofs II ZR 10/50 vom 4. April 1951 (Bundesgerichtshof in Zivilsachen Bd. 1 S. 324) und II ZR 260/51 vom 12. November 1952 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1953 S. 102), sowie Palandt, BGB, 16. Aufl. 1957, Vorbem. 2 vor § 723 (S. 590). Vgl. außerdem das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 214/19 vom 5. November 1919 (Slg. Bd. 1 S. 261) sowie das Urteil des erkennenden Senats II 294/55 U vom 25. Juli 1956 (Slg. Bd. 63 S. 229, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 285).

Ob die Miterben die gesellschaftliche Stellung ihres Erblassers sowohl in den personenrechtlichen als auch in den vermögensrechtlichen Beziehungen fortsetzen, wie das Finanzgericht meint, oder ob sie, wie die Bf. einwenden, die Mitgliedschaft nur in den vermögensrechtlichen Beziehungen ausüben, kann dahingestellt bleiben; eine abweichende rechtliche Beurteilung würde sich, auch wenn die Rechtsauffassung der Bf. zutrifft, für den Streitfall nicht ergeben. Die Bf. haben aus ihrer abweichenden Ansicht grunderwerbsteuerrechtliche Folgerungen gleichfalls nicht gezogen. Durch den Erbfall ist eine Vereinigung aller Anteile in einer Hand im Sinn des § 1 Abs. 3 Ziff. 1 GrEStG schon deshalb nicht eingetreten, weil am Vermögen der Abwicklungsgesellschaft nicht lediglich der Gesellschafter Walter S. und dessen Ehefrau, sondern auch deren Schwester, Frau Else D., beteiligt waren. Eine Anteilsvereinigung ist auch deshalb nicht möglich, weil die Erbengemeinschaft, die zwischen den Ehefrauen Gisela S. und Else D. bestand, grunderwerbsteuerlich als besonderer Rechtsträger anzusehen ist (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 409/33 vom 18. Mai 1934, Slg. Bd. 36 S 151, Reichssteuerblatt - RStBl - 1934 S. 957), so daß als Gesellschafter der Abwicklungsgesellschaft außer Walter S. nicht die Ehefrauen Gisela S. und Else D., sondern eine aus diesen gebildete steuerlich selbständige Rechtsperson in Betracht kam. Daß die Erbengemeinschaft keine Gesellschaft im Sinn des § 1 Abs. 3 GrEStG ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 210/54 S vom 13. Juli 1955, Slg. Bd. 61 S. 182, BStBl 1955 III S. 269), ändert nichts daran, sie grunderwerbsteuerlich als selbständigen Rechtsträger zu behandeln.

II. - Durch den Vertrag vom 14. Februar 1953, durch den die Miterbin Frau Else D. ihren Anteil an dem Nachlaß ihres Vaters im Wege der Erbauseinandersetzung gegen Zahlung eines Geldbetrages an die Miterbin Frau Gisela S. abtrat - was nach § 2033 Abs. 1 BGB rechtlich zulässig ist - vereinigte sich die Erbschaft in der Hand der Ehefrau S. mit der Folge, daß der gleiche Rechtszustand eintrat, der bestanden hätte, wenn der Nachlaß einem Alleinerben zugefallen wäre. Vgl. das Urteil des Reichsgerichts Rep. IV 361/15 vom 21. Februar 1916 (Reichsgericht in Zivilsachen Bd. 88 S. 116) sowie Palandt, siehe oben, Anm. 1 zu § 2033 (S. 1456).

Durch den Vertrag vom 14. Februar 1953 wurde außerdem die Abwicklungsgesellschaft der aufgelösten Gesellschaft des bürgerlichen Rechts wieder in eine eigentliche Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zurückverwandelt; die aufgelöste Gesellschaft wurde damit in ihrer ursprünglichen Form fortgesetzt. Daß eine Abwicklungsgesellschaft bürgerlich-rechtlich in eine gewöhnliche Gesellschaft zurückverwandelt werden kann, ist anerkannten Rechtes. Siehe dazu das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 214/19 vom 5. November 1919 (vgl. oben) sowie Palandt, a. a. O., Vorbem. 2 vor § 723 (S. 590). Im gleichen Sinn hat sich das Reichsgericht in dem bereits angeführten Urteil VII 13/22 vom 15. Dezember 1922 ausgesprochen. Dabei ist ohne Bedeutung, daß Gesellschafter, wie hier die Erbengemeinschaft, aus der Abwicklungsgesellschaft ausscheiden und neue Gesellschafter - hier die Ehefrau Gisela S. - in diese eintreten. Das Reichsgericht hat in dem vorerwähnten Urteil vom 15. Dezember 1922 eine Zurückverwandlung sogar als zulässig anerkannt, wenn in die Abwicklungsgesellschaft, eine Kommanditgesellschaft, der u. a. die Erben des verstorbenen Komplementärs angehören, ein Dritter als neuer Komplementär aufgenommen und gleichzeitig die Gesellschaftsfirma geändert wird.

III. - Die Feststellung des Finanzgerichts, daß die durch den Tod des Mitgesellschafters Anton H. aufgelöste Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zwischen H. und Walter S. unter änderung der Person ihrer Mitglieder in eine gewöhnliche Gesellschaft zurückverwandelt wurde, ist frei von Rechtsirrtum.

Daß es zulässig ist, eine Abwicklungsgesellschaft unter Aufrechterhaltung ihrer Identität in eine gewöhnliche Gesellschaft zurückzuverwandeln, ist bereits dargelegt. Selbst wenn gefordert wird, daß alle Teilnehmer der Abwicklungsgesellschaft, insbesondere auch solche, die an der Abwicklungsgesellschaft nicht mehr teilnehmen, ihr Einverständnis erklären (Reichsgericht VII 13/22 vom 15. Dezember 1922, siehe oben), so sind diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben. Der Vertrag ist unter Beteiligung aller Teilnehmer der Abwicklungsgesellschaft abgeschlossen; für den 1940 in Afrika vermißten Ehemann der Miterbin Else D. hat ein Abwesenheitspfleger seine Zustimmung erklärt.

Richtig ist allerdings, daß der Reichsfinanzhof in dem Urteil II A 515/27 vom 30. Dezember 1927 (Slg. Bd. 22 S. 312), auf das Bezug genommen wird, die Auffassung vertreten hat, daß die Erwähnung der OHG und der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts im § 3 GrEStG 1919/1927 (jetzt § 1 Abs. 3 GrEStG 1940), als nicht geschrieben anzusehen sei. Vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs II A 374/28 vom 7. August 1928 (Slg. Bd. 24 S. 66). Dieser Auslegung, die der Reichsfinanzhof übrigens bereits vor Inkrafttreten des GrEStG 1940 aufgegeben hat, wurde im Schrifttum nachdrücklich widersprochen (vgl. Ott, Handbuch des gesamten Grunderwerbsteuerrechts, 4. Aufl., 1936, Anm. 11 zu § 3 GrEStG 1927, S. 154). Das GrEStG 1940 hat sich dieser Auffassung, wie der Wortlaut des § 1 Abs. 3 unmißverständlich ergibt, gleichfalls nicht angeschlossen (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs II 42/42 vom 18. Juni 1942, Slg. Bd. 52 S. 38, RStBl 1942 S. 749). Vereinigen sich somit, wie im Streitfall, die Anteile an einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts in der Hand von Ehemann und Ehefrau, so ist damit eine Anteilsvereinigung im Sinne des § 3 Abs. 1 Ziff. 1 bzw. 2 GrEStG gegeben.

IV. - Andererseits ist bei der Steuerfestsetzung der Tatsache Rechnung getragen worden, daß die Ehefrau S. ihren Anteil teils im Wege der Erbfolge, teils im Wege der Erbauseinandersetzung erworben hat und daß in diesen Fällen der Erwerb eines Grundstücks nach § 3 Ziff. 2 und 3 GrEStG von der Steuer befreit ist. Demgemäß ist ein diesen Anteilen entsprechender Grundstücksbruchteil (= 1/2 des Grundstücks) von der Steuer freigelassen worden. Vgl. die Urteile des Reichsfinanzhofs II A 654/30 vom 14. April 1931 (Slg. Bd. 29 S. 33, RStBl 1931 S. 479) und II 42/42 vom 18. Juni 1942 (siehe oben).

Welche steuerlichen Wirkungen eingetreten wären, wenn die Beteiligten einen anderen Weg gewählt hätten, insbesondere wenn sie die allgemeine Gütergemeinschaft eingeführt oder die Abwicklungsgesellschaft nicht als gewöhnliche Gesellschaft des bürgerlichen Rechts fortgesetzt, sondern eine neue Gesellschaft gegründet hätten, kann dahingestellt bleiben. Es kommt lediglich darauf an, welcher Weg tatsächlich gewählt wurde, nicht aber darauf, welche Wege ebenfalls möglich gewesen wären.

V. - Zu Unrecht machen schließlich die Bf. geltend, daß nicht der Einheitswert nach dem Stand vom 1. Januar 1953, nämlich 243.700 DM, sondern der Einheitswert nach dem Stand vom 21. Juni 1948, nämlich 7.800 DM, als Ausgangswert der Besteuerung zugrunde gelegt werden mußte. Wird die Steuerpflicht bejaht, so ist Stichtag der Besteuerung nicht der Todestag des Anton H. (d. h. der 22. April 1952), sondern der Tag der Anteilsvereinigung (d. h. der 14. Februar 1953). Maßgeblich ist der Einheitswert, der auf den dem Erwerbsvorgang unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt festgestellt wurde (ß 12 Abs. 1 GrEStG). Das ist der auf den 1. Januar 1953 festgestellte Einheitswert. Daß der Einheitswertbescheid erst nach dem 22. April 1952 zugestellt wurde, ist ohne Einfluß. Vgl. auch § 218 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung (AO). Würde aber der auf den 1. Januar 1953 festgestellte Einheitswert nicht anwendbar sein, so müßte gemäß § 12 Abs. 3 GrEStG ein Stichtagswert ermittelt werden, der in seiner Höhe dem auf den 1. Januar 1953 festgesetzten Einheitswert entsprechen würde.

Die Rb. war demnach als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 249

BFHE 1958, 42

BFHE 65, 42

StRK, GrEStG:1 R 48

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