Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Die Wiederaufbauvergünstigung nach § 104 LAG kann nur für die Beseitigung von Kriegsschäden beansprucht werden.

§ 104 LAG findet auch bei Schäden Anwendung, die unter der durch § 100 Abs. 5 LAG bezeichneten Grenze (Bagatellschäden) liegen.

§ 14 der 18. AbgabenDV-LA enthält keine Begrenzung für die Herabsetzung von Abgabeschulden in den Fällen, in denen nach § 2 der 18. AbgabenDV-LA eine Herabsetzung der Hypothekengewinnabgabe auf Null ohne Durchführung einer besonderen Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzunehmen ist.

 

Normenkette

LAG §§ 104, 129; 18-AbgabenDV-LA 2; 18-AbgabenDV-LA 14

 

Tatbestand

Von den auf einem Grundstück der Abgabepflichtigen errichteten 12 Einfamilien-Doppelhäusern wurden im Jahre 1944 zwei Häuser zerstört bzw. schwer beschädigt. Der Wiederaufbau bzw. die Wiederherstellung dieser Gebäude erforderte einen Kostenaufwand von 30.500 DM, wovon nach Prüfung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung gemäß § 27 des Ersten Wohnungsbaugesetzes n. F. ein Teilbetrag von 6.000 DM von der Landestreuhandstelle für Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen in X. als öffentliches Baudarlehen teilweise zinsfrei zur Verfügung gestellt wurde.

Nachdem die Gebäude im Jahre 1955 als Dauerbauten wiederhergestellt waren, beantragte die Abgabepflichtige, die aus der Umstellung der in Abt. III Nr. 1 eingetragenen Hypothek von ursprünglich 90.000 RM entstandene Abgabeschuld, die gegenwärtig etwa 43.000 DM beträgt, gemäß § 104 Abs. 4 Ziff. 4 LAG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Ziff. 1 der Achtzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (18. AbgabenDV-LA) auf Null herabzusetzen. Diesen Antrag hat das Finanzamt abgelehnt. Auch der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzamt ist der Auffassung, daß eine Herabsetzung der Abgabeschuld nach § 104 LAG nicht in Betracht komme, weil die nach § 100 Abs. 2 LAG festgestellte Schadensquote nur 8,3 v. H. betrage. Wenn im Falle des § 100 LAG eine Minderung der Abgabeschuld ausgeschlossen sei, so müsse dasselbe auch für eine Herabsetzung der Abgabeschuld nach § 104 LAG gelten, weil der Gesetzgeber in den Bestimmungen der §§ 100 Abs. 5 und 103 Abs. 4 LAG seine grundsätzliche Auffassung zum Ausdruck gebracht habe, daß unbedeutende Kriegsschäden bei der Hypothekengewinnabgabe unberücksichtigt bleiben sollten. Im übrigen verstoße eine Herabsetzung der Abgabeschuld auf Null gemäß § 2 der 18. AbgabenDV-LA gegen § 14 daselbst, weil die Herabsetzung nach Durchführung einer besonderen Wirtschaftlichkeitsberechnung durch § 14 auf ein Höchstmaß beschränkt sei, das Ausmaß der Herabsetzung aber in beiden Fällen gleich sein müsse.

Der Berufung wurde stattgegeben. Das Finanzgericht führt aus, die Abgabeschuld müsse ohne Durchführung einer besonderen Wirtschaftlichkeitsberechnung auf 0 DM herabgesetzt werden, da zum Wiederaufbau ein teilweise zinsfrei gewährtes Wiederaufbaudarlehen verwendet worden sei. Auch eine Beschränkung der Herabsetzung auf ein Höchstmaß gemäß § 2 der 18. AbgabenDV-LA hat das Finanzgericht nicht anerkannt, weil nach § 14 Ziff. 2 a. a. O. die Herabsetzung der Abgabeschuld über einen für den Wiederaufbau verwendeten Betrag hinaus erfolge, ohne daß ein Höchstbetrag festgelegt sei.

Der Vorsteher des Finanzamts hat Rb. eingelegt. Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten und trägt sinngemäß folgendes vor: Es handle sich nicht um einen Wiederaufbau oder eine Wiederherstellung, sondern um bloße Instandsetzung. Der Unterschied sei allein ein gradueller. Wiederaufbau und Wiederherstellung dienten der Beseitigung größerer Schäden; Gegenstand der bloßen Instandsetzung sei die Beseitigung "kleiner" Schäden. Da § 104 LAG kein Abgrenzungsmerkmal zwischen Wiederaufbau oder der Beseitigung größerer Kriegsschäden einerseits und zwischen der Instandsetzung oder der Beseitigung kleinerer Kriegsschäden andererseits enthalte, müsse dieses Merkmal anderwärts gesucht werden. Aus den wohnungsrechtlichen Vorschriften sei für die Hypothekengewinnabgabe und die Gewinnung eines aus der Verordnung über Wirtschaftlichkeits- und Wohnflächenberechnung nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz (Erste Berechnungsverordnung) - I. BVO - selbst nicht zu entnehmenden Abgrenzungsmerkmales lediglich zweierlei richtungweisend: (1.) Es komme für die Abgrenzung gegenüber der bloßen Instandsetzung auf das Vorliegen eines größeren oder kleinen Schadens an. (2.) Wo eine Unterscheidung durchgeführt werden müsse, messe man die Höhe des Schadens nicht absolut, sondern relativ an dem Wert des Objektes, für das die Berechnung aufgestellt werde.

Im LAG selbst gebe es außerhalb des § 104 Vorschriften, in denen für Zwecke der Hypothekengewinnabgabe zwischen Kriegsschäden normalen Ausmaßes und Kriegsschäden, die als Bagatellschäden behandelt würden, unterschieden werde. Bei der Kriegsschadenminderung nach § 100 LAG und bei der Herabsetzung wegen eines noch nach der Währungsreform eingetretenen Kriegsschadens nach § 103 a. a. O. bleibe ein Kriegsschaden außer Betracht, auf Grund dessen der Einheitswert des Grundstückes nicht um mindestens 10 v. H. bzw. 5 v. H. gesenkt sei. Diese Regelung müsse auch für § 104 LAG gelten. Mit dieser Abgrenzung der nicht berücksichtigungsfähigen Bagatellschäden habe der Gesetzgeber darauf abgestellt, ob der die Ertragsfähigkeit maßgeblich beeinflussende Belastungsgrad des Grundstücks eine Schadensbeseitigung mit Hilfe der laufenden Erträge als möglich erscheinen lasse, oder ob angesichts des Belastungsgrades und der Schadensquote eine nicht mittels der Erträge behebbare Vermögensbeeinträchtigung angenommen werden müsse. Nur in dem zuletzt genannten Falle der nicht schon demnächst unter Einsatz der Erträge behebbaren Vermögensbeeinträchtigung halte er einen Vermögensausgleich durch die Minderung des Kapitalbetrages der Hypothekengewinnabgabe für angebracht. Diesen Tatbestand der nicht mittels der laufenden Erträge behebbaren Vermögensminderung sehe er generell als vorliegend an, wenn die Schadensquote 10 % übersteige, jedoch bei einem zu mehr als 70 % belasteten Grundstück schon dann, wenn sie mehr als 5 % ausmache.

Aus dieser Schadensberücksichtigung ergebe sich auch die Beantwortung der Frage, in welcher Weise nach § 104 LAG oder nach § 129 LAG gegebenenfalls die Behebung des Schadens durch Maßnahmen bei der Hypothekengewinnabgabe ermöglicht werde. Die Beseitigung eines Schadens, bei dem der Gesetzgeber von einer nicht mittels der laufenden Erträge behebbaren Vermögensbeeinträchtigung ausgegangen sei, erfordere eine Herabsetzung nach § 104 LAG und dabei den Verzicht auf den entsprechenden Kapitalbetrag der geschuldeten Hypothekengewinnabgabe; in Höhe der durch die Herabsetzung wegfallenden Hypothekengewinnabgabebelastung sei das Vermögen zum Einsatz für die Schadensbeseitigung freigeworden. Dagegen genüge eine Belassung laufender Grundstückserträge bei einem nach § 129 LAG durchgeführten Ertragslageerlaß in denjenigen Fällen, in denen nach den obigen Vorstellungen des Gesetzgebers ihr Einsatz zur Beseitigung des Schadens ausreiche. Hier wäre eine Herabsetzung nach § 104 LAG und eine Vermögensbalance, der sie diene, keine Maßnahme gewesen, die dem Schadensumfange und der Möglichkeit seiner Beseitigung angemessen sei. Danach sei es der Wille des Gesetzgebers gewesen, daß dasselbe Merkmal bei der Abgrenzung größerer und kleinerer Kriegsschäden wie in den §§ 100 und 103 LAG auch für die Anwendung von §§ 104 und 129 LAG gelte. § 104 LAG dürfe nicht zugebilligt werden, falls § 129 LAG in Anspruch genommen werden könnte. Wechselweise müsse die eine Vergünstigung ausgeschlossen sein, wenn die andere zugelassen sei.

Auch das Material über die Entstehung des § 104 LAG nötige zu diesem Schluß. Dem widerspreche nicht der Umstand, daß nach dem ursprünglichen Regierungsentwurfe (Anlage 1 a zu Bundestagsdrucksache Nr. 1800) § 98 die Wiederaufbauvergünstigung noch ausdrücklich für die Beseitigung anderer Schäden als Kriegsschäden und für Bagatellfälle ausgeschlossen habe und daß es an einem solchen ausdrücklichen Ausschluß in der Ausschußfassung fehle. Angesichts des gegenüber § 98 des Regierungsentwurfes in anderer Hinsicht stark erweiterten Wortlautes von § 137 der Ausschußfassung sei man bestrebt gewesen, alles wegzulassen, wofür man eine ausdrückliche Regelung nicht zu benötigen geglaubt habe. Von Interesse bleibe lediglich der letzte Absatz der Begründung des Regierungsentwurfes zu § 98, wonach bei Bagatellschäden die Wiederaufbauvergünstigung "ebensowenig, wie ... eine Vergünstigung nach den §§ 93 oder 97 gewährt wird", in Betracht komme und man angesichts der gegen die Auslegung von § 3 b Abs. 1 des Hypothekensicherungsgesetzes (HypSichG) erhobenen Zweifel jedenfalls für das LAG die Klarstellung gewünscht habe, daß "auch bei der Wiederaufbauvergünstigung alle Tatbestandsvoraussetzungen der Kriegsschadenvergünstigung erfüllt sein" müßten.

Die Ausführungen im Ausschußbericht müßten dahin verstanden werden, daß die bisherige Rechtslage nach dem HypSichG gewahrt werden sollte. Die §§ 3 a und 3 b HypSichG seien durch das Gesetz zur änderung des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich vom 10. August 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - S. 232) geschaffen worden. Die Begründung zu dem als Gesetz angenommenen Entwurf führe aus: "Auf die Einbeziehung von Bagatellschäden, die den Einheitswert vor dem Schadensfall um nicht mehr als 10 % vermindert haben, soll das Gesetz keine Anwendung finden, da es dem Eigentümer und den Mietern zugemutet werden kann, solche Schäden auf eigene Kosten zu beseitigen." Hier sei also nicht von der Versagung des Schadensausgleichs die Rede, soweit ein Kriegsschadenverzicht nach § 3 a HypSichG in Betracht kommen könnte, sondern darüber hinaus von einer Schadensbeseitigung und der Beseitigung der Bagatellschäden auf eigene Kosten, also gerade nicht mit Hilfe öffentlicher Subsidien in Gestalt des Wiederaufbauverzichts. Diese Auslegung der bisherigen Vorschriften halte auch die Regierungsvorlage für zutreffend.

Es sei gegebenenfalls zu prüfen, inwieweit der Umfang der Herabsetzung durch § 14 der 18. AbgabenDV-LA beschränkt sei. Soweit die Bestimmungen der §§ 2, 14 und 15 der 18. AbgabenDV-LA einer Beschränkung der Herabsetzung auf die tatsächlich aufgewendeten Gesamtherstellungskosten entgegenständen, verstießen sie gegen das LAG. Es könne nicht Sinn und Zweck des Gesetzes sein, Abgabeschulden nach § 104 LAG auf 0 DM in den Fällen herabzusetzen, in denen der Herabsetzungsbetrag ein Vielfaches der Gesamtherstellungskosten ausmache. In diesen Fällen würden nicht nur die Kriegsschäden abgegolten, sondern darüber hinaus die Herabsetzung zu einem "Geschäft" des Abgabepflichtigen führen.

Die Bgin. trägt vor, die Herabsetzung der Abgabeschuld nach § 104 LAG sei im Gegensatz zu der Regelung des § 103 Abs. 4 LAG nicht an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 100 a. a. O. gebunden. Sie beruft sich für ihre Rechtsansicht auf die Entstehungsgeschichte des § 104 LAG. Der Gesetzgeber habe mit dieser Vorschrift eindeutig seinen Willen zum Ausdruck gebracht, allgemein einen Anreiz für den Wiederaufbau oder die Wiederherstellung zerstörter oder beschädigter Gebäude zu geben und den Aufbauwillen durch Herabsetzung der Abgabeschuld zu fördern. Der Gesetzgeber habe gewissermaßen die Herabsetzung als Prämie für den Wiederaufbau bzw. die Wiederherstellung geschaffen. Deshalb erstrecke sich die Vergünstigung auf jede Art von Gebäuden auf dem belasteten Grundstück, gleichgültig, ob der Schaden durch den Krieg oder ein anderes Ereignis herbeigeführt sei; sie sei auch nicht etwa auf Wohngebäude beschränkt.

Bei ihr seien alle durch den Gesetzgeber für die Gewährung der Herabsetzung der Abgabeschuld geforderten Voraussetzungen erfüllt, so daß sie auf die Herabsetzung einen Rechtsanspruch habe. Es könne auch entgegen der durch die 18. AbgabenDV-LA getroffenen Regelung die Herabsetzung nicht auf ein Höchstmaß begrenzt werden, denn § 14 der 18. AbgabenDV-LA verweise ausdrücklich nur auf die in den §§ 3 bis 13 der Verordnung geregelten Fälle der Herabsetzung.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Senat verbleibt bei der im Vorbescheid vertretenen Ansicht, daß § 104 LAG nur zur Anwendung kommt, wenn das Grundstück durch den Krieg zerstört oder beschädigt worden ist. Das LAG hatte im Rahmen des § 104 keinen Anlaß, andere als Kriegsschäden zu entschädigen. Wenn dies auch in dem ersten Satze des § 104 LAG nicht ausdrücklich gesagt ist, so kommt bereits in der Präambel des Gesetzes mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, daß für die durch den Krieg und seine Folgen entstandenen Lasten ein Ausgleich gewährt werden soll. Es ist auch nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber den Ausgleichsfonds (ß 5 LAG) durch andere als Kriegsschäden beeinträchtigt sehen wollte. Zudem zeigt aber auch der letzte Satz des Abs. 1 des § 104 LAG, daß der Vorschrift die gleiche Absicht zugrunde liegt wie dem § 3 b HypSichG, der durch seine Bezugnahme auf § 3 a HypSichG nur für Kriegsschäden angewendet werden kann. Für den vorliegenden Fall spielt diese Frage keine entscheidende Rolle, weil das hier in Rede stehende Grundstück unbestritten von einem Kriegsschaden betroffen ist.

In der Hauptfrage, ob § 104 LAG anzuwenden ist, kann den Ausführungen der Rb. nicht gefolgt werden. Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 104 Abs. 1 Satz 1 LAG die Abgabeschuld auf Antrag herabzusetzen ist, wenn auf dem Grundstück, durch das die umgestellte Verbindlichkeit gesichert war, ein zerstörtes oder beschädigtes Gebäude in der Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum 31. Dezember 1960 als Dauerbau wiederaufgebaut worden ist; es hat die Voraussetzungen dieser Vorschrift zu Recht als erfüllt angesehen.

Wenn der Bundesminister der Finanzen vorträgt, es läge kein Wiederaufbau oder keine Wiederherstellung, sondern nur eine Instandsetzung vor, so kann ihm darin nicht gefolgt werden. Daß nach den wohnungsrechtlichen Vorschriften eine Abgrenzung zwischen Wiederaufbau und Instandsetzung nicht möglich ist, hat er selbst vorgetragen. Eine Abgrenzung läßt sich aber auch nicht dadurch erreichen, daß die Unterscheidung der §§ 100 und 103 LAG zwischen berücksichtigungsfähigen und Bagatellschäden bei § 104 LAG übernommen wird; weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus dem Wortlaut kann eine derartige Auslegung hergeleitet werden. Die Bgin. hat mit Recht ausgeführt, daß die Regierungsvorlage für den Bundesrat in der Fassung der Bundestagsdrucksache Nr. 1080/50 in ihrem § 98 die Herabsetzung bei Wiederaufbau als Ergänzungsmaßnahme zu §§ 93 bzw. 97 des Entwurfes angesehen hat. Damit sollte nach ausdrücklicher Vorschrift des § 98 Abs. 5 des Referentenentwurfes die überschreitung der Bagatellgrenze in gleicher Weise wie bei der Minderung (Herabsetzung der Abgabeschulden bei Kriegsfolgeschäden nach dem Währungsstichtage) notwendige Voraussetzung für die Anwendung des § 98 sein. Demgegenüber hat der Ausschuß für den Lastenausgleich eine änderung der Vorschrift in Gestalt des § 137, des sog. Zwischentextes vom 15. Februar 1952 und des Ausschußberichtes vom 26. März 1952 (Bundestagsdrucksache Nr. 3300) beschlossen. Er hat die Bezugnahme auf den damaligen § 93 oder § 97 (jetzigen § 100 und § 103) in den Eingangsworten der Regierungsvorlage ("ist in den Fällen des § 93 oder 97 ...") gestrichen. Die Bgin. hat in der mündlichen Verhandlung durch Vorlage weiterer Fassungsvorschläge des Bundesministers der Finanzen dargetan, daß die Bezugnahme auf §§ 93, 97 (jetzt §§ 100 und 103) seither stets unterblieben ist. Der sog. Zwischentext ist in dem jetzigen § 104 LAG Gesetz geworden. Wenn aber der Gesetzestext in einem bedeutsamen und umstrittenen Punkt im Gegensatz zum Referentenentwurf eine solche ausdrückliche Abweichung enthält, so muß dem eine materiell-rechtliche Bedeutung beigemessen werden. Die Bezugnahme auf §§ 93 und 97 im Referentenentwurf war ausdrücklich begründet. Wenn diese Bezugnahme in das Gesetz nicht aufgenommen worden ist, so kann das nicht mit dem Hinweis erklärt werden, man hätte bestrebt sein müssen, alles wegzulassen, "wofür man eine ausdrückliche Regelung nicht zu benötigen glaubte". Die Rechtsprechung ist an das veröffentlichte Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Ist der Wortlaut klar und eindeutig, so können nur ganz besondere Umstände eine Auslegung gegen den Wortlaut rechtfertigen. Würde sich der Senat ohne hinreichende Begründung über den Wortlaut des Gesetzes hinwegsetzen, so würde er sich an die Stelle des Gesetzgebers stellen, was dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung widersprechen würde.

Es kann dem Bundesminister der Finanzen auch nicht darin zugestimmt werden, daß die §§ 104 und 129 LAG korrespondierende Vorschriften sind. § 129 LAG bildet sicherlich die Ergänzung zu den §§ 100 und 103, was auch durch § 8 Abs. 3 der 17. AbgabenDV-LA bestätigt wird. Es deutet aber im Gesetz nichts darauf hin, daß sich die §§ 104 und 129 LAG gegenseitig ausschlössen. Die Begründung zu § 8 der 17. AbgabenDV-LA (Bundesratsdrucksache Nr. 282/55) beruht auf der auch im Kommentar von Kühne-Wolff in Anm. 10 zu § 104 LAG zum Ausdruck gekommenen Ansicht, daß bei Schäden unter 10 v. H. § 104 nicht verwendbar sei; diese Ansicht wird aber vom Senat nicht geteilt. Daher kann die oben bezeichnete Begründung kein Beweismittel für die Ansicht des Bundesministers der Finanzen sein. § 104 LAG darf vielmehr als selbständige Förderungsmaßnahme angesehen werden, die nicht nur den Schadensausgleich des Eigentümers, sondern auch den Wiederaufbau anstrebt. § 129 LAG kann deshalb auch noch zur Anwendung kommen, wenn trotz der Herabsetzung der Abgabeschuld nach § 104 LAG für einzelne Erlaßzeiträume die Ertragslage des Grundstücks hinter der auf Grund der Vorausrechnung erwarteten Wirtschaftlichkeit zurückbleibt.

Auch der Hinweis auf die Ausführungen in dem Lastenausgleichs-Kommentar von Harmening (LAG § 104, II, 1), daß der Erwerber eines zerstörten Grundstücks bei der Beseitigung des Kriegsschadens durch die Wiederaufbauvergünstigung unter Umständen mehr erlangen könnte als ihn die Beseitigung des Kriegsschadens gekostet hat, ist keine hinreichende Begründung, gegen den Wortlaut zu entscheiden. Abgesehen davon, daß ein Veräußerer beim Kaufvertrage die Wiederaufbauvergünstigung berücksichtigen kann, muß insbesondere an jene Abgabepflichtigen gedacht werden, die im Vertrauen auf das Gesetz ihre Dispositionen getroffen und den Wiederaufbau durchgeführt haben. Diesen gegenüber ist es nicht berechtigt, eine im Gesetz nicht ausgesprochene Einengung der Vergünstigung zuzulassen. Daß bei der Inanspruchnahme des § 104 LAG auch die Schadensgrenzen des § 100 Abs. 5 LAG überschritten sein müßten, kann darum nicht anerkannt werden.

Auch in der Frage, ob das Maß der Herabsetzung durch § 14 der 18. AbgabenDV-LA begrenzt ist, kann dem Beschwerdeführer nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber hat in § 104 Abs. 4 Ziff. 4 LAG die Ermächtigung geschaffen, Abgabeschulden in Fällen des öffentlich geförderten und steuerbegünstigten Wohnungsbaus ohne Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsberechnung auf Null herabzusetzen. Von diesem Recht hat der Verordnungsgeber in § 2 der 18. AbgabenDV-LA Gebrauch gemacht. Sinn der Vorschrift ist, beim Wiederaufbau die Hypothekengewinnabgabe nur in der Höhe auf dem betroffenen Grundstück zu lassen, in der sie aus dem Ertrag des Grundstücks erwirtschaftet werden kann. Im vorliegenden Falle ist die Herabsetzung auf Grund des § 2 a. a. O. erfolgt. Eine Begrenzung dieser Herabsetzung kann nicht aus § 14 a. a. O. gefolgert werden, da diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nur zum Zuge kommt, wenn die Abgabeschulden auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsberechnung (§§ 3 - 13 der Verordnung) herabgesetzt werden, nicht aber im Falle der Herabsetzung auf Null nach § 2 a. a. O.

Der Tenor des angefochtenen Urteils ist insofern unvollständig, als er nicht angibt, für welchen Stichtag das Soll herabgesetzt wird. Nach § 104 Abs. 5 LAG erfolgt die Herabsetzung mit Wirkung vom Beginn des Monats, in dem mit dem Wiederaufbau begonnen ist. Baubeginn ist der 9. Juni 1955, so daß die Herabsetzung mit Wirkung vom 1. Juni 1955 zu erfolgen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409595

BStBl III 1960, 143

BFHE 1960, 381

BFHE 70, 381

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