Leitsatz (amtlich)

Ein Verein, der nach seiner Satzung und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung die Feuerbestattung und die Friedhofskultur fördert und die Gemeinden bei der Errichtung und dem Betrieb von Krematorien berät, dient ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken.

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; StAnpG § 17; GemV § 1 ff.

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein, verfolgt nach § 2 seiner Satzung den Zweck, "die Feuerbestattung und die Friedhofskultur zu fördern und Anhänger der Feuerbestattung zu sammeln, ferner die Beratung der Gemeinden bei der Einrichtung und dem Betrieb von Krematorien und damit die Förderung der Allgemeinheit durch die mit dem Errichten und Betreiben von Krematorien verbundenen Einsparungen an Grundstücksflächen im Vergleich zu Friedhofsanlagen für Erdbestattungen". Diesen Zweck will er insbesondere durch die Veranstaltung von Kongressen und Kolloquien, durch Herausgabe von aufklärenden und werbenden Schriften sowie durch Beratung, Erfahrungs- und Informationsaustausch erreichen. Mitglied des Klägers können alle volljährigen, geschäftsfähigen natürlichen Personen und juristische Personen werden (§ 3 Abs. 1 der Satzung).

Auf Anforderung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) hatte der Kläger erstmals für die Jahre 1970 bis 1972 Körperschaftsteuererklärungen eingereicht. Das FA hatte ihn zur Körperschaftsteuer herangezogen.

Die Sprungklage des Klägers war erfolgreich. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 38 (EFG 1977, 38) veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA eine unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Die Bestattung gehöre zu den hoheitlichen Aufgaben. Das Eintreten für eine bestimmte Lösung dieser Aufgaben sei für sich betrachtet nicht gemeinnützig.

Das FA beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Aus dem Zweck des Klägers (§ 2 der Satzung) ergebe sich - wie in dem von ihr vorgelegten Rechtsgutachten nachgewiesen werde - die unmittelbare Förderung der Allgemeinheit. Diese liege darin, daß die Förderung der Feuerbestattung gleichzeitig zu einer erheblichen Einsparung von Friedhofsfläche führe. Eine Feuerbestattung werde heute nicht mehr von weiten Kreisen der Bevölkerung abgelehnt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide zu Recht aufgehoben. Der Kläger hat nach seiner Satzung und seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken gedient und war daher von der Körperschaftsteuer befreit (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG).

1. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG waren von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienten. Die Voraussetzungen für diese Steuerbefreiungen ergaben sich im einzelnen aus den §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und aus der Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes (Gemeinnützigkeitsverordnung - GemV -) vom 24. Dezember 1953 (BGBl I 1953, 1592, BStBl I 1954, 6), zuletzt geändert durch Art. 5 des Steueränderungsgesetzes 1969 (StÄndG 1969) vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477).

Danach waren gemeinnützig solche Zwecke, durch deren Erfüllung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wurde (§ 17 Abs. 1 StAnpG). Anzunehmen war eine Förderung der Allgemeinheit dann, wenn die Tätigkeit dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet nützte (§ 17 Abs. 2 StAnpG). In § 17 Abs. 3 StAnpG waren Beispielsfälle aufgezählt, in denen "insbesondere" die Förderung der Allgemeinheit und damit grundsätzlich auch die Gemeinnützigkeit anzuerkennen war.

2. Der Kläger hat in den Streitjahren (1970 bis 1972) nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung die Allgemeinheit gefördert und dem allgemeinen Besten genutzt. Das steht im Einklang mit dem richtigen Verständnis des unbestimmten Gesetzesbegriffes "Förderung der Allgemeinheit" (§ 17 Abs. 2 StAnpG), durch den der unbestimmte Wertbegriff "gemeinnützige Zwecke" in § 17 Abs. 1 StAnpG im wesentlichen umschrieben und definiert wird. ... - Begründung hierzu ist gleichlautend mit Abschn. I Nr. 4 a) des vorstehenden Urteils I R 39/78 - (s. S. 482 [484]).

3. Entsprechend dieser Rechtsauffassung des Senats zur Förderung der Allgemeinheit kann dem Kläger im Hinblick auf die in der Bundesrepublik Deutschland geübte Totenverehrung und die Beisetzungsgepflogenheiten eine Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nicht abgesprochen werden.

a) Soweit der Kläger nach seiner Satzung und seiner tatsächlichen Geschäftsführung die Feuerbestattung und die Friedhofskultur fördert, handelt er - wovon auch das FG zutreffend ausgegangen ist - gemeinnützig.

b) Der Kläger dient darüber hinaus auch insoweit gemeinnützigen Zwecken, als er die Gemeinden bei der Einrichtung und dem Betrieb von Krematorien berät.

Zutreffend hat das FG dahingestellt sein lassen, ob durch die Verbreitung des Gedankens der Feuerbestattung den Gemeinden erhebliche Kosten für den Erwerb und die Unterhaltung von Friedhofsflächen erspart werden und die Betätigung des Klägers schon deshalb als gemeinnützig anzusehen ist. Ein solches Ziel des Klägers ist der Satzung nicht zu entnehmen.

Der Kläger will vielmehr durch sein Hinwirken auf eine Vermehrung der Feuerbestattungen und durch die Beratung von Gemeinden bei der Einrichtung und beim Betrieb von Krematorien dazu beitragen, Grundstücksflächen einzusparen, die andernfalls für Erdbestattungen beansprucht werden müßten. Aufgrund der allgemeinen Entwicklung in den vergangenen drei Jahrzehnten hat diese Zielsetzung in städtebaulicher und raumplanerischer Hinsicht erhebliche Bedeutung erlangt. Die satzungsmäßige Tätigkeit des Klägers soll zu einer Lösung der damit verbundenen Fragen führen. Das im wesentlichen durch Landflucht hervorgerufene stete Wachstum der Stadtgemeinden und - dadurch bedingt - die ständige Zunahme der Bevölkerungsdichte, insbesondere in den Großstädten, lösen hinsichtlich des Bestattungswesens für die meisten Gemeinden in der Bundesrepublik Deutschland große Probleme aus. Die Gemeinden haben - zum Teil neben den Kirchen - für eine angemessene und würdige Möglichkeit der Totenbestattung zu sorgen und dazu die erforderlichen Friedhöfe bereitzustellen und deren Benutzung im einzelnen zu regeln. Die Kapazität bestehender Friedhöfe wird durch die allgemein übliche Mindestruhedauer von 25 Jahren in kurzer Zeit ausgeschöpft. Der Grund und Boden für die Anlage neuer Friedhöfe kann insbesondere in Großstädten regelmäßig nur mit erheblichen Schwierigkeiten beschafft werden. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, daß die Friedhöfe als Andachts- und Erinnerungsstätte für die Bevölkerung leicht erreichbar sein und deshalb möglichst im Bereich der jeweiligen Gemeinde liegen sollten. Daß der regelmäßige Flächenbedarf für die Beisetzung einer Urne tatsächlich wesentlich geringer ist als die Fläche, die für die Beisetzung eines Sarges erforderlich ist, ist offenkundig. Entsprechenden Darlegungen des Klägers ist das FA nicht entgegengetreten. Die Bestrebungen des Klägers, durch eine Steigerung der Feuerbestattungen den Bedarf an Friedhofsfläche zu vermindern, sollen diesen Schwierigkeiten entgegenwirken, die Wahl zwischen Erd- und Feuerbestattung aber ebensowenig beeinträchtigen wie die Möglichkeit einer angemessenen und würdigen Bestattung. Sie liegen deshalb im Interesse der Allgemeinheit und nutzen dem allgemeinen Besten.

Das entspricht auch der Anschauung der Bevölkerung von der Feuerbestattung. Zu Recht geht das FG davon aus, daß große Teile der deutschen Bevölkerung einer Feuerbestattung nicht (mehr) ablehnend gegenüberstehen. Diese Auffassung beruht auf dem umfangreichen und überzeugenden Zahlenmaterial, wie es in dem Rechtsgutachten zusammengestellt ist. Die entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des FG hat das FA nicht wirksam angegriffen. Von ihnen hat deshalb der Senat auszugehen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Danach sind insoweit die entsprechenden Erwägungen in der früheren Rechtsprechung des RFH (Urteile vom 28. Oktober 1930 I A 255-256/30, RStBl 1931, 25; vom 9. Januar 1931 I A 458/30, RStBl 1931, 230; vom 23. Juni 1932 III A 198/32, RStBl 1932, 787; vom 21. Juni 1933 III A 105/33, RStBl 1933, 1347; vom 16. Mai 1935 III A 355/34, RStBl 1935, 1403) und des BFH (amtlich nicht veröffentlichte Entscheidung vom 22. Januar 1960 III 64/57) durch die Entwicklungen in den letzten Jahrzehnten überholt.

Demgegenüber greift das Vorbringen des FA zur Begründung seiner Revision, die Bestattung gehöre zu den hoheitlichen Aufgaben, und das Eintreten für eine bestimmte Art der Bestattung sei für sich betrachtet nicht gemeinnützig, nicht durch. Zwar werden durch Landesrecht, das dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, Fristen für die Bestattung von Leichen vorgeschrieben und durch Anstaltsordnungen die Benutzung der Grabplätze festgelegt. Die mögliche Wahl der Bestattungsart bleibt davon aber - von besonderen Fällen abgesehen - unberührt.

4. Das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73143

BStBl II 1979, 491

BFHE 1979, 348

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