Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Wird die einem ausscheidenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer OHG oder seiner Witwe zugesagte Versorgung nach der Produktions- oder Absatzmenge des Unternehmens bemessen, so kann nur eine aus dem laufenden Ertrag zu leistende betriebliche Versorgungsrente vorliegen.

 

Normenkette

EStG §§ 4-5, 6/1/3, § 6a

 

Tatbestand

Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung 1956, ob für die Versorgung der Witwe eines verstorbenen Gesellschafters eine Rückstellung gebildet werden darf.

Das Unternehmen der Bfin, einer KG, wurde im Streitjahr noch als OHG der Brüder A und B, die je zur Hälfte am Gewinn und Verlust beteiligt waren, betrieben. Am 6. August 1956 starb der Gesellschafter A. Alleinerbin war auf Grund Testaments vom 24. Juni 1954 seine Ehefrau. Den Anteil an der Bfin. vermachte A seinen Kindern.

Die Bfin. passivierte in der Bilanz zum 31. Dezember 1956 eine nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnete Versorgungsverpflichtung gegenüber der Witwe A in Höhe von 644 204 DM. Sie ging davon aus, daß die Verpflichtung zur Hälfte den Gesellschafter B belastet, und minderte daher den steuerpflichtigen Gesamtgewinn und darin in derselben Höhe den Gewinnanteil des B nur um 322 102 DM. Die Hälfte der im Streitjahr bereits geleisteten Zahlung behandelte die Bfin. in entsprechender Weise als Betriebsausgaben. Die Gesellschaft stützt sich auf den Gesellschaftsvertrag vom 15. Juli 1951 und auf eine Gesellschaftervereinbarung vom 11. Januar 1957. In § 4 des Gesellschaftsvertrages hieß es: "Die Witwe des verstorbenen Gesellschafters A oder B erhält vorab eine Vergütung von 0,75 je hl ausgestoßenen oder vertriebenen Bieres, und zwar unabhängig, ob sie als persönlich haftende Gesellschafterin ... oder lediglich als Kommanditistin der Gesellschaft angehört". In der Vereinbarung vom 11. Januar 1957 wurde bestimmt: "Es besteht Einverständnis darüber, daß der Witwe des Gesellschafters A die in § 4 des Gesellschaftsvertrages vom 15. 7. 1951 vorgesehene hl-Vergütung (en) ... zu Lasten des Reingewinns monatlich nachträglich ... zu zahlen sind, ... unabhängig davon, ob sie der Gesellschaft als Komplementärin oder Kommanditistin angehört oder nicht ..."

In seinem Testament nahm der Gesellschafter A auf § 4 des Gesellschaftsvertrages Bezug und traf ergänzende Anordnungen vor allem für den Fall, daß die Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht ausreichen sollten.

Das Finanzamt erkannte die Passivierung nicht an. Es vertrat die Auffassung, daß zwar eine betriebliche Verbindlichkeit zugrunde liege, diese jedoch nicht passivierungsfähig sei. Vielmehr seien nur die auf den Gesellschafter B entfallenden Zahlungen als betriebliche Versorgungsrenten (Betriebsausgaben) abzugsfähig.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung anders als das Finanzamt damit, daß der Passivposten nicht gebildet werden könne, weil es im Streitjahr an einer rechtlich eindeutigen Vereinbarung gefehlt habe. Eine rechtsverbindliche Verpflichtung der Bfin., der Witwe A die in § 4 des Gesellschaftsvertrages festgelegte Vergütung zu zahlen, habe am Ende des Streitjahres 1956 noch nicht bestanden.

Mit der Rb. macht die Bfin. geltend, daß die Rentenverpflichtung nicht auf der Vereinbarung vom 11. Januar 1957, sondern auf dem Gesellschaftsvertrag vom 15. Juli 1951 beruhe. Es sei, was in der Formulierung des § 4 des Gesellschaftsvertrags nicht deutlich zum Ausdruck komme, beabsichtigt gewesen, den Ehefrauen verstorbener Gesellschafter in jedem Falle unabhängig von ihrer Gesellschafterstellung eine Witwenpension zuzuwenden. Das werde durch das Testament des Gesellschafters A bestätigt. Die Vereinbarung vom 11. Januar 1957 stelle nur eine Bekräftigung der Auffassung der Beteiligten dar. Die Bfin. habe - wie schon in der Vorinstanz vorgetragen - auf Grund des Ländererlasses vom 2. Mai 1962 (Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen S. 2138 - 7 - VB 1), der aus Anlaß des Urteils des Bundesfinanzhofs I 141/58 U vom 16. Juni 1959 (BStBl 1962 III S. 271, Slg. Bd. 75 S. 4) ergangen sei, durch Vereinbarung vom 28. Juni 1962 die Pensionszusage rückwirkend dahin ergänzt, daß die Rentenleistungen unabhängig von der Auflösung der Gesellschaft zu erbringen seien. Der Witwengeldberechnung liege ein fester, von der erzeugten oder vertriebenen Produktionsmenge abhängiger DM-Betrag zugrunde. Einer Liquidation des Unternehmens müsse eine Ersatzbemessungsgrundlage gesucht werden. Die Passivierungspflicht ergebe sich auch aus dem Handelsrecht. Das Wahlrecht, das der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 27. Februar 1961 II ZR 292/59 (Der Betrieb 1961 S. 498) gewährt habe, beziehe sich nur auf Pensionsanwartschaften. Sei der Versorgungsfall eingetreten, müsse die Last passiviert werden. Andernfalls würde das Vermögen der Gesellschaft zu hoch ausgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Bfin. ist unbegründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie das Finanzgericht ausführte, die Passivierung deshalb nicht zulässig sei, weil am Bilanzstichtag des Streitjahres noch keine Zahlungsverpflichtung bestanden habe. Denn auch bei Bestehen einer Verpflichtung zu diesem Zeitpunkt kommt eine Passivierung nicht in Betracht, weil es sich um eine betriebliche Versorgungsrente und nicht um eine echte Pension handelt.

Aus diesem Grunde braucht der Senat auch nicht darauf einzugehen, was die Bfin. verkennt, daß unterbliebene Pensionsrückstellungen weder vor noch nach Eintritt des Versorgungsfalles nachgeholt werden können und daß deshalb selbst bei Vorliegen einer echten Pensionslast eine Rückstellung allenfalls in Höhe des sich nach der Vorschrift des § 6 a EStG 1955 bemessenden, auf das Streitjahr entfallenden Zuführungsbetrages in Frage kommen könnte. Handelsrechtliche Grundsätze stehen nicht entgegen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 237/62 U vom 27. Mai 1964, BStBl 1964 III S. 489, Slg. Bd. 80 S. 41).

Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs ist die Last, die durch eine betriebliche Versorgungsrente zugunsten ausgeschiedener Gesellschafter und ihrer Familienangehörigen begründet wird, nicht zu passivieren. Die Rentenzahlungen belasten als Betriebsaufwand das Wirtschaftsjahr, in dem sie geleistet werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 347/56 U vom 8. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 440, Slg. Bd. 65 S. 535, und die dort angeführte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs; VI 346/62 U vom 3. Juli 1964, BStBl 1964 III S. 548, Slg. Bd. 80 S. 202; IV 47/62 U vom 3. Dezember 1964, BStBl 1965 III S. 91, Slg. Bd. 81 S. 251). Die Versorgungsrente beruht auf dem Gedanken der betrieblichen Fürsorge (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1355/32 vom 18. August 1933, RStBl 1933 S. 1195). Der betriebliche Charakter der Rente setzt nicht voraus, daß der Rentenverpflichtete das Betriebsvermögen des Ausgeschiedenen übernimmt, obgleich dies meist der Fall sein wird. Er kann sich auch aus den sonstigen Umständen ergeben. Wesentlich ist, daß der Umfang der Rentenleistungen in engem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung und der durch sie bedingten Leistungsfähigkeit des Unternehmens steht.

Eine zur Bildung einer Rückstellung berechtigende Pension kann auch nach der bisherigen Rechtsprechung nur dann in Betracht kommen, wenn eindeutige vertragliche Vereinbarungen getroffen sind, nach denen die Ansprüche von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und von der Auflösung der Gesellschaft unabhängig sind, sich also bei einer Liquidation rechtlich auswirken (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs I 347/56 U; I 141/58 U). Da diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, braucht zu der Frage, ob die bisherige Rechtsprechung über die Passivierung von Pensionszusagen an Gesellschafter einer Personengesellschaft aufrechterhalten werden kann, nicht Stellung genommen zu werden.

Die Koppelung der Rente mit der Produktions- oder Absatzmenge bewirkt eine enge Bindung an die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens. Im Falle eines Rückgangs der Produktion, der bei dem konjunkturabhängigen Unternehmen der Bfin. nicht ausgeschlossen werden kann, vermindern sich entsprechend die Rentenzahlungen. Auch nach der Vorstellung der Beteiligten mußte damit gerechnet werden, daß Umstände eintreten können, die dem Unternehmen nicht mehr gestatten, angemessene Versorgungsleistungen aufzubringen. Diese Erwägung bildete auch den Grund für verschiedene Anordnungen des Gesellschafters A in seinem Testament. Da die Abhängigkeit der Renten von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zu erheblichen Schwankungen nach oben wie nach unten führt, ist nicht zu erkennen, auf welchen Berechnungsgrundlage die Bfin. im Falle einer Auflösung des Unternehmens und einer Einstellung der Produktion und des Absatzes ihrer Rentenverpflichtung nachkommen soll. Auch wenn man davon ausgeht, daß die Zusatzvereinbarung vom 28. Juni 1962 rückwirkend für das Streitjahr anzuerkennen ist, fehlte es gleichwohl an einer eindeutigen Festlegung, in welchem Umfange alsdann die Rentenzahlungen zu erbringen sind.

Der Senat ist deshalb der Auffassung, daß eine typische Versorgungsrente vorliegt, die soweit sie den Gesellschafter B. belastet, aus den laufenden Erträgen des Unternehmens zu zahlen ist und deren Kapitalwert nicht zu Lasten des Gewinnes eines Wirtschaftsjahres passiviert werden kann.

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 192

BFHE 1966, 526

BFHE 84, 526

BB 1966, 436

DB 1966, 648

DStR 1966, 346

StRK, EStG:4 R 884

BFH-N, Nr. 3 zu

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