Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Befinden sich in einem Fabrikgebäude in nicht unbeachtlichem Umfang Kontorräume, die nicht mit der Fabrikation zusammenhängen, so entfällt die Bewertungsfreiheit, auch wenn bei Zurechnung dieser Kontorräume zu den nach § 12 Abs. 1 EStDV 1950 und 1951 unschädlichen Kontorräumen die Grenze von 20 v. H. der Herstellungskosten des Gebäudes nicht überschritten wird.

 

Normenkette

EStG § 7e; EStDV § 12 Abs. 1, § 22/1, § 12a

 

Tatbestand

I. Bescheid

Der Streit geht um die Zulässigkeit einer Sonderabschreibung nach § 7e des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 auf die Herstellungskosten eines Gebäudes, das die Beschwerdeführerin (Bfin.) bei Herstellung ihrer Fabrikanlage 1950 mit einem Aufwand von rund 65.000 DM erbaut hat. Das Gebäude hat einen umbauten Raum von insgesamt 1.357,08 cbm. Das Finanzgericht hat Konstruktions- und Zeichensäle sowie die Arbeitszimmer der technischen Betriebsleitung usw. als unmittelbar der Fertigung dienende Räume (911,03 cbm) anerkannt. Es hat ferner Räume (244,05 cbm) als Kontorräume, die mit der Herstellung zusammenhängen, behandelt; sie bestehen aus einem Wartezimmer, einem Raum, in dem Modelle aufbewahrt und ausgestellt werden, aus Kontoren der Einkaufsabteilung, der Buchführung, der Finanzabteilung und der allgemeinen Registratur sowie aus dem Zimmer des Geschäftsführers. Weitere Räume (202 cbm - Heizung, Telefonzentrale und Garderoben) hat das Finanzgericht verhältnismäßig aufgeteilt und der Fabrikation 159,33 cbm und den Kontorräumen 42,67 cbm hinzugerechnet. Dadurch entfielen 286,72 cbm umbauten Raumes auf Kontore, das sind 21,13 v. H. des gesamten umbauten Raumes. Das Finanzgericht verneinte deshalb die Bewertungsfreiheit nach § 7e EStG 1950 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Buchstabe a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1950 und 1951.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich dagegen, daß das Finanzgericht bestimmte Räume nicht als der Fabrikation unmittelbar dienend angesehen hat. Es handelt sich dabei um das Wartezimmer und die Modellkammer (52,5 und 22,5 cbm) sowie um Windfang, Flur, Garderobe, Telefonzentrale und Herstellungsräume, gegen deren anteilige Zurechnung zu den nicht der Fabrikation dienenden Räumen sich die Bfin. wendet.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Im Streitjahr 1951 konnten Gewerbetreibende nach § 12a EStDV 1951 die Bewertungsfreiheit nach § 7e EStG 1950 unter anderem für Fabrikgebäude noch in Anspruch nehmen, wenn mit der Herstellung des Gebäudes vor dem 1. Juli 1951 begonnen und das Gebäude vor dem 1. Januar 1952 fertiggestellt war. Die zeitlichen Voraussetzungen für die Bewertungsfreiheit nach § 7e EStG 1950 sind im Streitfall gegeben. In übereinstimmung mit Abschn. 77 der Einkommensteuer-Richtlinien 1950 und 1951 hat das Finanzgericht zutreffend die Konstruktions- und Zeichensäle als der Fabrikation dienend angesehen. Mit Recht hat es für die Berechnung auch nicht die Fabrikanlage im ganzen zugrunde gelegt. § 7e EStG 1950 stellt auf einzelne Gebäude, nicht auf die Gesamtheit der zu einer Fabrikanlage zusammengefaßten Baulichkeiten ab.

Rechtsirrig ist aber, daß das Finanzgericht sämtliche Kontorräume in dem fraglichen Gebäude als mit der Fabrikation zusammenhängende übliche Kontorräume angesehen hat, z. B. auch die von der Geschäftsleitung und von der kaufmännischen Abteilung (Vertrieb) genutzten Räume.

§ 12 EStDV 1950 und 1951 läßt die Bewertungsfreiheit nach § 7e EStG 1950 zu, wenn auf die neben den eigentlichen Fabrikationsräumen in dem Gebäude befindlichen, mit der Fabrikation zusammenhängenden üblichen Kontor- und Lagerräume weniger als 20 v. H. der Herstellungskosten entfallen. Vorausgesetzt wird also, daß es sich um mit der Fabrikation zusammenhängende übliche Kontor- und Lagerräume handelt. Sind andere Kontor- und Lagerräume in dem Gebäude vorhanden, so entfällt die Bewertungsfreiheit ohne weiteres. Es hätte der Betonung des Zusammenhangs zwischen den fraglichen Kontor- und Lagerräumen mit der Fabrikation nicht bedurft, wenn der Verordnungsgeber ohne Einschränkung Kontor- und Lagerräume, einerlei welchen Zwecken sie im Betrieb dienen, in diesem Rahmen als unschädlich hätte erklären wollen.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 74/57 U vom 5. August 1958 (BStBl 1958 III S. 417, Slg. Bd. 67 S. 372) steht dem nicht entgegen. Hier wurde für den lagerhaltenden Großhandel ausgesprochen, daß schwer zu unterscheiden sei, welche Kontorräume beim Großhandel unmittelbar oder mittelbar mit der Lagerung zusammenhängen. Das Urteil hat deshalb für die Anwendung des § 12 Abs. 1 Buchstabe b EStDV 1950 und 1951 bei Häusern des lagerhaltenden Großhandels alle Kontorräume, die dem Großhandel dienen, in die 20 v. H. - Grenze einbezogen. Die Entscheidung berücksichtigt also die besonderen Verhältnisse des Großhandels. Die Grundsätze können auf Fabrikgebäude nicht ohne weiteres übertragen werden, weil dort die Verhältnisse anders liegen als beim lagerhaltenden Großhandel. Dort lassen sich die der Fabrikation dienenden Kontor- und Lagerräume im allgemeinen ohne Schwierigkeit von denen, die dem Vertrieb und der Verwaltung dienen, trennen.

Im Streitfall befinden sich in dem fraglichen Gebäude neben den der Herstellung dienenden Konstruktions- und Zeichensälen auch Räume für den Vertrieb, die Buchhaltung und die allgemeine Geschäftsleitung in nicht unwesentlichem Umfang. Dadurch entfällt die Anwendbarkeit des § 7e EStG 1950. Es erübrigt sich infolgedessen nachzuprüfen, welche Räume des Gebäudes unmittelbar der Fabrikation dienen und innerhalb der 20 v. H. - Grenze unschädlich sein würden.

II. Urteil In der mündlichen Verhandlung brachte die Bfin. vor, daß sie keine Wirtschaftsgüter in Serienfabrikation herstelle, um deren Vertrieb sie sich bemühen müsse, sondern lediglich auf Grund von Aufträgen nach Planung für den Einzelfall fabriziere. Danach stehe die Fertigung einschließlich der Planung so sehr im Mittelpunkt ihres Betriebes, daß Einkauf, Finanzierung und Rechnungswesen nur ein Anhängsel zur Fabrikation ohne selbständige Bedeutung darstellten. Demzufolge seien auch die diesen Nebenzwecken dienenden Kontorräume als mit der Fabrikation zusammenhängende übliche Kontorräume anzusehen. Die Grundsätze der für den lagerhaltenden Großhandel ergangenen Entscheidung vom 5. August 1958 müßten daher auch in ihrem Falle angewandt werden.

Der Senat verbleibt bei der Rechtsauffassung des Bescheids.

Die Bewertungsfreiheit nach § 7e EStG 1950, § 12 EStDV 1950 und 1951 entfällt, wenn in dem Fabrikgebäude sich auch andere als mit der Fabrikation zusammenhängende übliche Kontorräume und Lagerräume befinden. Es ist nicht möglich, bei Anwendung dieser Bestimmung die Betriebe nach Umfang und Bedeutung der sonstigen Funktionen gegenüber der Fertigung zu unterscheiden. In dem Gebäude der Bfin. nehmen die Kontorräume, die für den Einkauf, die Buchhaltung, das Finanzwesen und die allgemeine Registratur benutzt werden, einen nicht unbeachtlichen Teil des gesamten Nutzungsraumes, nämlich rund 205 cbm von insgesamt 1.357 cbm ein. Diese Räume können nach ihrer Nutzungsart nicht als mit der Fabrikation zusammenhängende übliche Kontorräume angesehen werden.

Anmerkung: Bescheid und Urteil sind auszugsweise veröffentlicht.

 

Fundstellen

BStBl III 1959, 420

BFHE 1960, 427

BFHE 69, 425

StRK, EStG:7e R 28

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