Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Die änderung des § 206 LAG durch das 3. ändGLAG bietet keine Handhabe, rechtskräftige Feststellungen vom Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 21. Juni 1948 zu berichtigen, bei denen die die Kreditgewinnabgabe übersteigenden Umstellungsgrundschulden auf Grund der ursprünglichen Fassung des § 206 LAG zum Abzug zugelassen worden sind.

 

Normenkette

StAnpG § 4 Abs. 3 Ziff. 2; LAG § 206

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Inhaberin eines gewerblichen Betriebs (Hotel). Das Finanzamt hat bei Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs zum 21. Juni 1948 im Bescheid vom 12. Juni 1953 zunächst zwei das Hotelgrundstück der Stpfl. belastende, mit dem gewerblichen Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehende Umstellungsgrundschulden von 24.366 DM und 33.900 DM entsprechend dem § 206 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) in seiner damaligen Fassung (ursprünglichen Fassung des LAG) vom Rohvermögen abgezogen. Der Feststellungsbescheid vom 12. Juni 1953 ist rechtskräftig geworden. In dem auf § 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) gestützten Berichtigungsbescheid vom 17. Oktober 1953 hat das Finanzamt alsdann unter Hinweis auf die dem § 206 LAG durch das Dritte Gesetz zur änderung des Lastenausgleichsgesetzes und des Feststellungsgesetzes (3. ändGLAG) vom 24. Juli 1953 (Bundesgesetzblatt - BGBl - 1953 I S. 693, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 I S. 269) gegebene Fassung die Schulden um die erwähnten beiden Umstellungsschulden gekürzt. Der Einspruch der Stpfl., mit dem sie auf die Rechtskraft des Einheitswertbescheids vom 12. Juni 1953 hingewiesen und die Anwendbarkeit des § 4 StAnpG bestritten hat, ist erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Stpfl. hin hat das Finanzgericht die Einspruchsentscheidung und den Berichtigungsbescheid des Finanzamts aufgehoben. Gegen dieses Urteil des Finanzgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts, mit der unrichtige Rechtsanwendung gerügt und Aufhebung der finanzgerichtlichen Entscheidung begehrt wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Die Rb. pflichtet dem Urteil des Finanzgerichts nunmehr insoweit bei, als dieses den § 4 Abs. 3 Ziff. 2 StAnpG für unanwendbar erklärt hat. Der beschwerdeführende Vorsteher des Finanzamts ist jedoch der Meinung, daß durch das mit rückwirkender Kraft ausgestattete 3. ändGLAG der Rechtskraft des ursprünglichen Bescheids vom 12. Juni 1953 der Boden entzogen worden sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der erkennende Senat hat schon in seinem Urteil III 81/50 S vom 19. Juni 1951 (Slg. Bd. 56 S. 59, BStBl 1952 III S. 25) ausgeführt, daß es eine Rückwirkung von Rechtsnormen im wörtlichen Sinn nicht gibt, es sich bei der sogenannten Rückwirkung vielmehr um die Fiktion handelt, daß in der Vergangenheit liegende Tatbestände so zu beurteilen sind, als wären sie erst unter der Herrschaft des neuen Gesetzes eingetreten. Hieraus sowie aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft folgt, daß ein in der Vergangenheit liegender, bereits der Besteuerung rechtskräftig zugrunde gelegter Tatbestand auch bei einer rückwirkenden Gesetzesänderung nicht zum Nachteil des Abgabepflichtigen neu aufgerollt werden kann. Das 3. ändGLAG enthält keine Bestimmung, daß es die Rechtskraftwirkung von vor seinem Ergehen erlassenen Bescheiden in diesem Sinne durchbrechen wolle. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob einer solchen Vorschrift, wenn sie ergangen wäre, nicht wegen Verfassungswidrigkeit die Anerkennung hätte versagt werden müssen (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 1952, Bd. 1 Nr. 35 S. 280). Es ist auch auf das Urteil des Bundesfinanzhofs II 113/53 U vom 10. Juni 1953 (Slg. Bd. 57 S. 558, BStBl 1953 III S. 214) hinzuweisen, das dem Gedanken der Rechtskraftwirkung den Vorrang vor den Interessen der Steuerverwaltung und dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung einräumt. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Beschluß vom 12. Dezember 1957 - I BvR 678/57 - (BStBl 1958 I S. 52) den Gedanken der Rechtssicherheit (Rechtskraft) dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz voran.

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die änderung der ursprünglichen Fassung des § 206 LAG durch das 3. ändGLAG bezweckte, den u. U. zu niedrigen Abzug des Ersatzwerts der Kreditgewinnabgabe - in Gestalt der Umstellungsgrundschulden - bei der Einheitsbewertung der gewerblichen Betriebe auf den 21. Juni 1948 zugunsten der Abgabepflichtigen durch den Abzug der (höheren) Kreditgewinnabgabe selbst zu ersetzen (vgl. Abschn. B - zu Nr. 8-13 - der Anlage zur Bundestagsdrucksache Nr. 4460 der Wahlperiode 1949). Die Fälle, in denen bei der Einheitsbewertung der gewerblichen Betriebe auf den 21. Juni 1948 die mit einem gewerblichen Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden, die Kreditgewinnabgabe übersteigenden Umstellungsgrundschulden bereits rechtskräftig zum Abzug zugelassen worden sind, hat der Gesetzgeber des 3. ändGLAG dagegen überhaupt nicht treffen wollen.

 

Fundstellen

BStBl III 1958, 222

BFHE 1958, 574

BFHE 66, 574

StRK, :4 R 5

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