Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Vorsteuerabzug bei einem berufsfremden Leistungsbezug

 

Leitsatz (NV)

1. Die für den Vorsteuerabzug maßgebende Zuordnung zum Unternehmen darf der Unternehmer grundsätzlich stets dann vornehmen, wenn die bezogene Leistung in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht und diese fördern soll. Der Zuordnung stehen standesrechtliche Vorschriften oder die ertragsteuerrechtliche Beurteilung nicht entgegen.

2. Die Zuordnung einer Leistung zum Unternehmen scheidet lediglich dann aus, wenn die Leistung nach den gesamten Umständen allein für die nichtunternehmerische Verwendung bestimmt ist oder wenn der vorgesehenen Verwendung für das Unternehmen eine nur unwesentliche Bedeutung zukommt.

3. Umsätze aus der Ausführung eines Hilfsgeschäftes durch einen Steuerberater unterlagen nach dem UStG 1973 dem allgemeinen Steuersatz.

 

Normenkette

UStG 1973 § 12 Abs. 1, 2 Nr. 5, § 15 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war als Steuerberater selbständig tätig. Im Jahre 1974 erwarb der Kläger Einrichtungsgegenstände aus einer bis dahin betriebenen Bäckerei zum Preis von 555 DM; 55 DM Umsatzsteuer waren gesondert ausgewiesen. Am selben Tag veräußerte er die Gegenstände um 1 500 DM zuzüglich 165 DM Umsatzsteuer an den Mandanten S, den er kurz zuvor kennengelernt und mit dem er einen Beratungsvertrag geschlossen hatte.

Kurze Zeit später erwarb der Kläger weiteres Bäckereiinventar um 6 500 DM zuzüglich 715 DM Umsatzsteuer. Diese Gegenstände veräußerte er zum selben Preis an S weiter. S zahlte bis zum 31. Dezember 1974 ratenweise insgesamt nur . . . DM; weitere Zahlungen sind nicht erfolgt.

In der Umsatzsteuererklärung 1974 hat der Kläger u. a. die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von zusammen 770 DM als Vorsteuer abgezogen. Aufgrund einer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) den Vorsteuerabzug und erließ einen entsprechenden Änderungsbescheid. Das FA vertrat die Auffassung, der An- und Verkauf der Einrichtungsgegenstände gehöre nicht zum Unternehmen des Klägers. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Auf die Klage änderte das Finanzgericht (FG) den Steuerbescheid und setzte die Umsatzsteuer um 770 DM niedriger fest. Das Gericht führte in seiner Entscheidung aus, der Ankauf des Bäckereiinventars sei für das Unternehmen des Klägers erfolgt; daher könne die in Rechnung gestellte Vorsteuer abgezogen werden.

Mit der Revision rügt das FA, das FG-Urteil sei widersprüchlich, weil das Gericht zwar die Vorsteuern, nicht jedoch die beim Kläger durch die Weiterlieferung entstandene Umsatzsteuer berücksichtigt habe.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger die ihm für die Lieferungen der Bäckereieinrichtungsgegenstände in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge abziehen kann (§ 15 Abs. 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1973 - UStG 1973 -). Die Lieferungen sind für das Unternehmen des Klägers ausgeführt worden.

a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Lieferung für das Unternehmen ausgeführt, wenn sie der Unternehmer für Zwecke seines Unternehmens in Anspruch nimmt. Das ist der Fall, wenn sie für die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmens bezogen wird. Hierüber entscheidet der Unternehmer; er trifft die für die Umsatzsteuer maßgebende Zuordnung zum unternehmerischen Bereich. Diese Zuordnung zum Unternehmen darf der Unternehmer vornehmen, wenn die Lieferung in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit steht und diese fördern soll (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Dezember 1985 V R 25/78, BFHE 145, 255, BStBl II 1986, 216; vom 18. Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350; vom 30. April 1987 V R 154/78, BFHE 150, 178, BStBl II 1987, 688, und vom 25. März 1988 V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649).

Die Zuordnung einer Lieferung zum Unternehmen scheidet lediglich dann aus, wenn die Lieferung nach den gesamten Umständen allein für die nichtunternehmerische Verwendung bestimmt ist oder wenn der vorgesehenen Verwendung für das Unternehmen eine nur unwesentliche Bedeutung zukommt (vgl. insbesondere BFH-Urteil in BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350).

b) Der Kläger hat die Bäckereieinrichtungsgegenstände für sein Unternehmen bezogen. Ob sie mittelbar oder unmittelbar der Tätigkeit des Klägers als Steuerberater gedient haben, ist unerheblich; er hat sie nach den Feststellungen des FG erworben, um einen neuen Mandanten zu gewinnen und an sein Unternehmen zu binden. Die damit vorgesehene Verwendung der Gegenstände für Zwecke des Unternehmens war auch nicht unwesentlich. Gegenteiliges läßt sich aus den Feststellungen des FG nicht entnehmen. Ob bei der Anschaffung der Gegenstände Umstände der Lebensführung nicht nur unbedeutend hineingespielt haben (§ 12 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes), ist für die umsatzsteuerrechtliche Zuordnung ebensowenig entscheidend wie standesrechtliche Überlegungen oder die ertragsteuerrechtliche Beurteilung, ob Betriebsvermögen vorliegt oder nicht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 145, 255, BStBl II 1986, 216; in BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350, und in BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649). Eine den Vorsteuerabzug ausschließende Verwendung der vom Kläger bezogenen Gegenstände zur Ausführung steuerfreier Umsätze (§ 15 Abs. 2 UStG 1973) liegt nicht vor.

2. Die Vorentscheidung war aufzuheben, weil das FG, obwohl es festgestellt hat, daß der Kläger die Einrichtungsgegenstände an S gegen Entgelt geliefert hat, bei seiner Entscheidung die hierauf entfallende Umsatzsteuer nicht berücksichtigt hat. Als entgeltliches Hilfsgeschäft (siehe dazu BFH-Urteil in BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649) ist die Weiterlieferung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 steuerbar und steuerpflichtig. Da es sich bei der Ausführung des Hilfsgeschäfts nicht um eine sog. berufstypische Tätigkeit des Klägers als Steuerberater handelt, kommt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1973 nicht in Betracht; anzuwenden ist vielmehr der allgemeine Steuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG 1973 (BFH-Urteil vom 13. März 1987 V R 33/79, BFHE 149, 313, BStBl II 1987, 524).

3. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen.

Der erkennende Senat ist an einer abschließenden Entscheidung der Sache gehindert, da das finanzgerichtliche Urteil keine Feststellungen darüber enthält, ob in den Rechnungen des Klägers an S Umsatzsteuer offen ausgewiesen ist oder nicht. Entsprechend errechnet sich die Höhe der Steuer unterschiedlich.

Weiter wird das FG festzustellen haben, ob der Kläger seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuert hat oder ob ihm gestattet war, die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen (§ 20 Abs. 1 UStG 1973). Für den Fall, daß die Versteuerung nach vereinbarten Entgelten erfolgt ist, wird das FG weiter festzustellen haben, in welchem Veranlagungszeitraum der Kläger mit seinen Forderungen gegen S endgültig ausgefallen ist.

Entsprechend wäre die Berichtigung vorzunehmen (§ 17 Abs. 2 UStG 1973).

 

Fundstellen

BFH/NV 1989, 135

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