Leitsatz (amtlich)

Personen, die in der fiskalischen Verwaltung tätig sind, leisten keine öffentlichen Dienste im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG. Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) gehören zur fiskalischen Verwaltung.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 12; LStDV § 4 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Steuerpflichtiger) ist im Jahr 1963 Mitglied des Vorstands der Städtischen Sparkasse X gewesen. Er hat neben seinem Gehalt eine als Aufwandsentschädigung bezeichnete Zulage von 2 500 DM erhalten.

Bei der Einkommensteuerveranlagung und im Einspruchsverfahren versagte das FA die begehrte Steuerfreiheit für die Aufwandsentschädigung mit der Begründung, der Steuerpflichtige leiste keine öffentlichen Dienste im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG (§ 4 Nr. 1 Satz 2 LStDV).

Das FG beschloß, die Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen, ob die Bestimmung des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG 1957 ff. mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren sei. Es hielt diese Vorschrift zwar nicht unmittelbar für anwendbar, war aber der Meinung, daß, wenn diese Vorschrift mit der Verfassung zu vereinbaren sei, die Steuerfreiheit der aus anderen öffentlichen Kassen als Bundes- und Landeskassen geleisteten Aufwandsentschädigungen mit Rücksicht auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG nicht von wesentlich strengeren Voraussetzungen abhängig gemacht werden dürfe, als sie nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG für die Steuerfreiheit der dort geregelten Aufwandsentschädigungen, insbesondere für die sogenannten Ministerialzulagen, gälten.

Das BVerfG entschied (Beschluß 2 BvL 10/67 vom 14. Januar 1969), daß die Vorlage unzulässig sei. Eine Norm sei nur entscheidungserheblich und eine Vorlage nur zulässig, wenn das Gericht nach seiner Auffassung im Ausgangsverfahren bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müßte als bei deren Gültigkeit (vgl. BVerfGE 22, 175 [176 f.] und die dort angeführten Entscheidungen). Diesem Erfordernis entspreche die Begründung der Vorlage nicht. Das vorlegende Gericht sage zwar genügend deutlich, daß es bei Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Bestimmung entsprechend der Auffassung des FA die Klage abweisen werde. Für den Fall ihrer Verfassungsmäßigkeit wolle es dagegen "eine an § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG ... orientierte Auslegung der für die Aufwandsentschädigung des Kl. maßgeblichen Vorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ... durchaus in Betracht" ziehen. Welche Auslegung das Gericht erwäge und zu welcher Entscheidung sie führen solle, sage das Gericht nicht ausdrücklich; jedoch könne dem Vorlagebeschluß entnommen werden, das Gericht werde annehmen, daß es wegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht gestattet sei, die Steuerfreiheit der hier in Frage stehenden Aufwandsentschädigung von wesentlich strengeren Voraussetzungen abhängig zu machen, als sie für die Fälle des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG gelten. Die Frage, ob das gestattet sei, werde vom Gericht "vorweg verneint", weil es keinen sachlichen Grund für die weitergehende Steuerbefreiung nach Satz 1 gebe. Von dieser Auffassung aus wäre aber § 3 Nr. 12 EStG insgesamt verfassungswidrig, und das Gericht müßte auch in diesem Fall die Klage abweisen. Demnach könne nach der Begründung des Vorlagebeschlusses § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG nicht entscheidungserheblich sein.

Daraufhin gab das FG der Klage insoweit statt, als es einen Teilbetrag der Aufwandsentschädigung von 500 DM nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG als steuerfrei ansah und die Einkommensteuer dementsprechend ermäßigte. Das FG bezog sich zunächst auf die Entscheidung des Senats VI R 288/66 vom 15. März 1968 (BFH 92, 11, BStBl II 1968, 437), in der die bisherige Rechtsprechung des RFH und des BFH aufgegeben wurde, die die Anwendung der Vorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG auf Personen beschränkte, die obrigkeitliche Aufgaben erfüllen. Es war der Auffassung, daß der Steuerpflichtige öffentliche Dienste in diesem erweiterten Sinne leiste. Das FG setzte sich dann erneut mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG auseinander, beurteilte die Vorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG als Ausnahmeregelung und lehnte mit dieser Begründung die von dem Steuerpflichtigen erstrebte verfassungskonforme Auslegung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG im Sinne einer Einschränkung des dort vorgesehenen Prüfungsrechts der FÄ ab. Es ließ sich vom Steuerpflichtigen die Aufwendungen benennen, die er als tatsächlichen Dienstaufwand für 1968 geltend und glaubhaft macht. In diesem Jahre war der Steuerpflichtige Vorsitzender des Sparkassenvorstands der Stadtsparkasse Y und bezog als solcher eine Aufwandsentschädigung von 6 000 DM. Der Steuerpflichtige bestätigte dem FG, daß die Aufwendungen ihrer Art nach mit den für 1963 nicht mehr im einzelnen belegbaren Aufwendungen übereinstimmten. Die geltend gemachten nicht ersetzten Reisekosten von 941,72 DM bezog das FG überwiegend auf die Mitnahme der Ehefrau zu auswärtigen Tagungen und sonstigen dienstlichen Veranstaltungen. Es führte aus, diese Aufwendungen seien als Kosten der Lebensführung nicht abzugsfähig. Es sah es jedoch als glaubhaft an, daß der Steuerpflichtige nur die ihm zustehenden Tage- und Übernachtungsgelder liquidiere, daß er für ein ihm ohne Rücksicht auf diese Sätze von dritter Seite vermitteltes teueres Hotel mehr bezahlen müsse und daß ihm bei seinen häufigen Dienstreisen, insbesondere im Ausland, noch die eine oder andere weitere Ausgabe entstehe, die durch die Tage- und Übernachtungsgelder nicht gedeckt sei. Es schätzte diesen Mehraufwand für das Streitjahr auf 200 DM. - Einen geltend gemachten Mehraufwand von 735 DM für 1968 wegen zusätzlichen Bedarfs an Bekleidung, Wäsche, Kleiderpflege usw. rechnete das FG der allgemeinen Lebensführung zu, weil es sich nicht um Arbeitskleidung handele. - Bewirtungsspesen von 1 022 DM z. B. für die Bewirtung von Kollegen, Mitarbeitern usw. aus Anlaß der Beförderung, Geburtstagsgeschenke an Kollegen, an die Sekretärin, rechnete das FG ebenfalls überwiegend der privaten Sphäre zu. Es bezweifelte jedoch nicht, daß der Steuerpflichtige gelegentlich auch im Rahmen des rein geschäftlichen Kontaktes mit Sparkassenkunden gewisse Aufwendungen dieser Art zu machen habe, die dann ausschließlich der dienstlichen Sphäre zuzurechnen seien. Diese Aufwendungen schätzte das FG auf 300 DM jährlich. - Den gesamten Aufwand des Steuerpflichtigen, der hiernach Werbungskostencharakter habe und eine Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung rechtfertige, schätzte das FG dementsprechend auf insgesamt 500 DM.

Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige Verletzung des Art. 3 GG, des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG und des § 12 Nr. 1 EStG. Er ist der Meinung, seine Aufwandsentschädigung sei durch Verwaltungsanweisungen der zuständigen Ministerien und Aufsichtsbehörden limitiert und müsse daher wie die unter § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG fallenden Zulagen steuerfrei bleiben. Hierbei handele es sich um eine Pauschalierung, die nach dem BFH-Urteil VI R 288/66 (a. a. O.) auch von dem FG anerkannt werden müsse. Die Bestimmung in den Anweisungen, daß die Aufwandsentschädigungen den einschlägigen Steuergesetzen unterlägen, bedeute nicht, daß sie in voller Höhe steuerpflichtig seien. Der Satz 2 enthalte eine (vereinfachende) Beweisregelung in dem Sinne, daß dem FA der Beweis obliege, daß die Aufwandsentschädigung den Aufwand offenbar übersteige. Eine verfassungskonforme Auslegung, die dem Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung trage, liege nur dann vor, wenn bei dem Personenkreis nach Satz 1 und nach Satz 2 gleiche Maßstäbe angelegt würden. Darüber hinaus gebe es innerhalb des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG noch Differenzierungen und Rechtsverschiedenheiten, da bei einem Personenkreis ein strenger Beweis verlangt, bei anderen auf Grund von Verwaltungsanweisungen aber großzügig darauf verzichtet werde. Unter einem Aufwand, der durch die Aufwandsentschädigung steuerfrei abzudecken sei, könne nur ein Aufwand verstanden werden, der einem Steuerpflichtigen mit Rücksicht auf sein Amt entstehe. Die Vorschrift des § 12 Nr. 1 EStG könne hier nicht einbezogen werden. Entstünden einem Steuerpflichtigen mit Rücksicht auf das Amt Aufwendungen, so könne man nicht unterscheiden nach Aufwendungen, die steuerfrei seien, und Aufwendungen, die nicht steuerfrei seien. Wenn nur noch reine Werbungskosten als nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei behandelt würden, so führe das zu einer im Vergleich zu § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG geradezu grotesken Einengung. Außerdem werde die Dienstaufwandsentschädigung im Interesse der Sparkasse und nicht des einzelnen Bediensteten gezahlt.

Das FA hat (unselbständige) Anschlußrevision eingelegt. Es beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und - auf die Anschlußrevision - die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das FA rügt Verletzung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG. Es führt u. a. aus: Die Sparkasse sei ein Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 5 Abs. 1 KStDV. Die Erfüllung von Aufgaben in einem Betrieb gewerblicher Art könne, selbst wenn es sich bei dem Betrieb um eine öffentlichrechtliche Körperschaft handele, nicht als eine Ausübung öffentlicher Dienste im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG, auch nicht im Rahmen einer nur schlichten Hoheitsverwaltung angesehen werden.

Das FA rügt ferner Fehlerhaftigkeit der Tatsachenfeststellungen des FG hinsichtlich des von ihm geschätzten absetzbaren Aufwands. Teilweise ließen die Urteilsgründe nicht erkennen, wie das FG zu seiner Schätzung gekommen sei, teilweise seien die vom FG aus dem als glaubhaft angesehenen Vorbringen des Steuerpflichtigen gezogenen Schlußfolgerungen offensichtlich nicht schlüssig. In der mündlichen Verhandlung habe der Steuerpflichtige es abgelehnt, die Namen der Sparkassenkunden anzugeben, für deren Bewirtung er 1968 Aufwendungen gemacht haben wolle.

Der Steuerpflichtige verweist auf seine Beamteneigenschaft und ist der Auffassung, daß seine Tätigkeit der Hoheitsverwaltung bzw. mindestens der schlichten Hoheitsverwaltung zuzurechnen sei. Die Benennung der bewirteten Kunden könne geschäftsschädigend wirken. Das FA verlange auch sonst bei Geschenken bis 20 DM keine namentliche Aufstellung. Da ein großer Teil der von ihm geltend gemachten Rechnungen unter 20 DM pro Person liege, sei das Verlangen nach Namensnennung unbillig. Sparkassen seien Universalkreditinstitute und bereits in Größenordnungen hineingewachsen, bei denen auch die Pflege der menschlichen Beziehungen zu den dienstlichen Obliegenheiten der Sparkassendirektoren und Abteilungsleiter gehöre. Bei größeren Veranstaltungen gehörten oft die Ehefrauen zum festen Programm der Tagung, mithin also zur Repräsentation für die Sparkasse.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

I. Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 3 Nr. 12 EStG sind aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlte Bezüge, die in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen werden, steuerfrei. Das gleiche gilt für andere Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, daß sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der erste Satz der Vorschrift auf den Steuerpflichtigen nach dem eindeutigen Wortlaut nicht anwendbar ist. Die streitige Aufwandsentschädigung ist weder aus einer Bundeskasse noch einer Landeskasse, sondern aus einer Kasse der Stadt X gezahlt worden. Sie ist auch nicht als Aufwandsentschädigung von der Bundesregierung oder einer Landesregierung im Haushaltsplan ausgewiesen worden. Der weiteren Auffassung des FG jedoch, daß die Aufwandsentschädigung unter den zweiten Satz der genannten Vorschrift falle, kann nicht zugestimmt werden, da der Steuerpflichtige keine öffentlichen Dienste im Sinne dieser Vorschrift leistet.

In seiner Entscheidung VI R 288/66 vom 15. März 1968 (a. a. O.) hat der Senat die Auffassung des RFH und des BFH aufgegeben, nach der öffentliche Dienste nur solche Personen leisten, die ausschließlich oder überwiegend mit öffentlich-rechtlichen (hoheitlichen) Aufgaben befaßt sind. Er hat vielmehr die Auffassung vertreten, daß auch solche Personen öffentliche Dienste leisten, die Aufgaben der sogenannten schlichten Hoheitsverwaltung erfüllen. Die Bundesregierung hat auf Grund dieser Änderung der Rechtsprechung die auf der bisherigen Rechtsprechung beruhende Vorschrift des § 4 Nr. 1 Satz 2 LStDV 1968 gestrichen (§ 1 Nr. 2 Buchst. b der Verordnung zur Änderung und Ergänzung der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung vom 28. Juli 1969, BStBl I 1969, 387). In der genannten Entscheidung hat der Senat im einzelnen zu der Frage, wieweit der Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung zu erstrecken ist, nicht Stellung genommen. Er hat lediglich ausgeführt, daß der Kreis der hoheitlichen Verwaltung wesentlich weiter sei als die rein obrigkeitliche Tätigkeit. Mit diesen Überlegungen hat er die Tätigkeit eines leitenden Landwirtschaftsdirektors und stellvertretenden Kammerdirektors einer Landwirtschaftskammer zur schlichten Hoheitsverwaltung gerechnet und anerkannt, daß dieser öffentliche Dienste im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG leistet. Diese Überlegungen bedürfen im Streitfall der Ergänzung. Während der Steuerpflichtige sich auf seine Beamteneigenschaft und den Charakter der Sparkasse als einer öffentlich-rechtlichen Anstalt beruft, verweist das FA darauf, daß die Sparkasse ein Betrieb gewerblicher Art im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG ist und im Wettbewerb mit privaten Bank- und Kreditinstituten steht.

Der Senat hält an der Auffassung fest, daß zu den öffentlichen Diensten im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nicht nur die Ausübung einer eigentlichen hoheitlichen Tätigkeit gehört, sondern daß dieser Begriff, wie in der Entscheidung VI R 288/66 (a. a. O.) ausgeführt, den Gesamtbereich der hoheitlichen Verwaltung einschließlich der sogenannten schlichten Hoheitsverwaltung umfaßt. Er vermag aber eine Betätigung in einem Betrieb gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG) nicht als öffentlichen Dienst im Sinne der genannten Vorschrift anzuerkennen.

Wenn die Vorschrift des § 3 Nr. 12 EStG sich in ihrer Anwendung auf öffentliche Dienste leistende Personen beschränkt, so zeigt sie Ähnlichkeiten mit der Vorschrift des Art. 34 GG, die die sogenannte Staatshaftung begründet, wenn jemand "in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes" die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Dieser Vorschrift ist die Regelung des Art. 131 der Weimarer Reichsverfassung vorausgegangen. Sowohl Art. 131 der Weimarer Reichsverfassung, obwohl sie noch von Ausübung "öffentlicher Gewalt" sprach, als auch Art. 34 GG sind vom RG und vom BGH in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt worden, daß darunter zwar die hoheitliche Tätigkeit einschließlich einer untergeordneten oder einer nur mittelbar der Verwirklichung hoheitlicher Aufgaben dienenden, nicht aber auch fiskalische Tätigkeiten gehören (Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, Kommentar von Hamann-Lenz, 3. Aufl., 1970, Art. 34 Anm. B 3). Der BGH hat im Urteil III ZR 221/60 vom 5. Februar 1962 (NJW 1962, 796) den Transport von Straßenbaumaterial durch die Bediensteten eines Straßenbauamtes noch zur hoheitlichen Tätigkeit gerechnet. Er hat ausgeführt, daß die Unterhaltung der öffentlichen Wege, die dem Straßen- und Wasserbauamt obliegt, eine hoheitliche Tätigkeit sei. Der notwendige Zusammenhang hiermit sei nicht nur dann gegeben, wenn eine Tätigkeit unmittelbar der Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe der Behörde dient, sondern vielmehr auch dann, wenn die - für sich allein keine Ausübung hoheitlicher Tätigkeit darstellende - Beförderung von Personen oder Gütern der hoheitlichen Aufgabe unmittelbar dient. Die Ziele des Art. 34 GG, der öffentlichen Hand die volle Verantwortung bei widerrechtlichen und schuldhaften Eingriffen im Zuge der eigentlichen staatlichen Betätigung aufzubürden und den Bediensteten dem unmittelbaren Angriff des Verletzten zu entziehen, würden vielfach nicht erreicht werden, wenn die Sonderregelung auf diejenigen Einzelhandlungen von Bediensteten der öffentlichen Hand beschränkt würde, die unmittelbar die Verwirklichung eines staatshoheitlichen Zweckes zum Gegenstand haben. Der BGH fährt wörtlich fort: "Es ist deshalb nicht auf die Eigenart der verletzenden Einzelhandlung, sondern darauf abzustellen, welchem der beiden großen Gebiete der staatlichen Betätigung sie angehört, der Ausübung der öffentlichen Gewalt, die auch die sogenannte schlichte Hoheitsverwaltung einschließt, oder der fiskalischen Verwaltung."

Diese Grenzziehung muß auch im Falle des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG Platz greifen. Der Senat hat in der Entscheidung VI R 288/66 (a. a. O.) die Anwendung dieser Vorschrift im Falle der sogenannten schlichten Hoheitsverwaltung u. a. damit begründet, daß Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen im allgemeinen nicht übersetzt seien und daß nicht einleuchte, warum dies nur bei Betätigung in Ausübung öffentlicher Gewalt gelten solle. Diese Überlegung kann aber nur für den Bereich der schlichten Hoheitsverwaltung zu einer ausdehnenden Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG führen. Es erscheint nicht vertretbar, die Vorschrift auch auf den Bereich der fiskalischen Verwaltung, die in einer Betätigung gewerblicher Art besteht, anzuwenden. Wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt sich gewerblich betätigt, so kann sie damit in Konkurrenz zu anderen Unternehmen treten, die voll den Grundsätzen des Privatrechts unterliegen und für deren Bedienstete eine der Vorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG vergleichbare Steuerbefreiungsvorschrift nicht besteht. Es kann nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber durch eine ungleiche Behandlung der Bediensteten von miteinander in Konkurrenz stehenden Unternehmen etwa in den freien Wettbewerb der wirtschaftlichen Betätigung eingreifen wollte. Diese Überlegung stützt das schon aus einem Vergleich mit Art. 34 GG gewonnene Ergebnis, daß öffentliche Dienste im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nur solche Personen leisten, die im Bereich der Hoheitsverwaltung einschließlich der schlichten Hoheitsverwaltung tätig sind, nicht aber Personen, die sich im Bereich der fiskalischen Verwaltung betätigen.

Das Körperschaftsteuerrecht berücksichtigt den Unterschied zwischen Hoheitsverwaltung und fiskalischer Verwaltung, indem es in § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG nur Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts der unbeschränkten Steuerpflicht unterwirft. Der Senat hält es für geboten, angesichts der vergleichbaren systematischen Bedeutung der Vorschriften die zu § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG anerkannten Auslegungsgrundsätze auch bei Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG zugrunde zu legen, soweit es sich um den Begriff "öffentliche Dienste leistende Personen" handelt.

Bei der Zuordnung zur Hoheitsverwaltung oder zur fiskalischen Verwaltung kommt es - entgegen der Auffassung des Steuerpflichtigen - bei der Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ebensowenig wie bei der Anwendung des Art. 34 GG darauf an, ob die Personen, deren Betätigung zu beurteilen ist, Beamter im Sinne des öffentlichen Rechts ist oder nicht. Im Falle des Urteils III ZR 221/60 (a. a. O.) hat der BGH die Tätigkeit eines Kraftfahrers, der nicht Beamter war, der schlichten Hoheitsverwaltung zugerechnet. Im umgekehrten Sinne kann aber auch die Verleihung des Beamtenstatus nicht dazu führen, daß nur aus diesem Grunde die Ausübung öffentlicher Dienste angenommen wird. Ebenso unbeachtlich ist es, ob das Unternehmen, in dem die Betätigung ausgeübt wird, als solches im Rahmen des öffentlichen Rechts als selbständige Körperschaft oder Anstalt organisiert ist oder ob es sich dabei um eine gewerbliche Betätigung unselbständiger Art im Rahmen einer im übrigen hoheitlich tätigen öffentlichen Körperschaft handelt (vgl. § 5 Abs. 1 KStDV).

Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ergibt sich folgendes: Es ist nicht zweifelhaft, daß öffentliche Sparkassen zu den öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten gehören, die unter § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG fallen (Hermann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 1 KStG, Anm. 52, Lfg. 91, August 1970). Die Sparkasse X, deren Bediensteter der Steuerpflichtige im Streitjahr war, ist also ein Betrieb gewerblicher Art der Gemeinde X. Dieser Feststellung steht die Tatsache nicht entgegen, daß die Sparkasse auf Grund des Hessischen Sparkassengesetzes, worauf der Steuerpflichtige hinweist, eine kommunalpolitische Aufgabe zu erfüllen hat. Solche Aufgaben haben regelmäßig z. B. auch öffentliche Versorgungs- oder Verkehrsbetriebe zu erfüllen, ohne daß dadurch ihre Zugehörigkeit zu den Betrieben gewerblicher Art berührt wird (vgl. § 2 KStDV). Die Beurteilung stimmt überein mit dem bürgerlichen Recht, das im Rahmen der Staatshaftung (Art. 34 GG) ebenfalls bei öffentlichen Sparkassen sowie kommunalen Versorgungs- und Verkehrsbetrieben den privatrechtlichen Charakter betont (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 30. Aufl. 1971, § 839 Anm. 2 A b cc; Entscheidung des RG III 336/17 vom 21. Dezember 1917, RGZ 91, 341). Die Bediensteten dieser Behörde, und damit auch der Steuerpflichtige, leisten daher keine öffentlichen Dienste im Sinne des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG. Die Auffassung des Senats wird auch in den zur Auswirkung des Urteils VI R 288/66 (a. a. O.) herausgegebenen Erlassen (z. B. Erlaß des Hessischen Ministers der Finanzen vom 31. Oktober 1969 - S 2337 A - 10 - II A 23, DStZ B - Eildienst - 1969 S. 452) geteilt. Eine (volle) Anerkennung der Aufwandsentschädigung als steuerfrei kommt schon aus diesen Erwägungen nicht in Betracht.

Die Voraussetzungen für eine Vorlage an das BVerfG zur Entscheidung der Frage, ob die Vorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ganz oder zum Teil dem GG widerspricht, sind nicht gegeben. Eine solche Vorlage wäre nur zulässig, wenn der Senat bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müßte als bei deren Gültigkeit (vgl. BVerfGE 22, 175). Wenn aber die Vorschrift des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ungültig wäre, so käme für den Steuerpflichtigen eine Steuerfreiheit seiner Aufwandsentschädigung ebenfalls nicht in Betracht, weil es dann von vornherein an einer Vorschrift fehlen würde, auf die die Steuerbefreiung gestützt werden könnte. Es bedarf daher keines Eingehens auf die vom FG und vom Steuerpflichtigen zur Frage der Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift angestellten Erwägungen.

Soweit der Steuerpflichtige hilfsweise die Anerkennung eines höheren steuerfreien Betrages als 500 DM begehrt, kann seinem Antrage in der gestellten Form aus den vorgenannten Überlegungen heraus nicht entsprochen werden. Der Senat hat diesen Antrag aber auch unter dem Gesichtspunkt geprüft, daß damit höhere Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG geltend gemacht werden sollen, als sie bisher anerkannt waren. Auch in dieser Form mußte dem Antrag aber aus den insoweit überzeugenden Gründen des FG der Erfolg versagt bleiben. Der Steuerpflichtige erkennt selbst an, daß jedenfalls die vom FG nicht berücksichtigten Aufwendungen keinen Werbungskostencharakter haben. Das FG hat diese angeblichen Aufwendungen zutreffend dem nach § 12 Nr. 1 EStG nicht zu den Werbungskosten gehörenden Bereich der Lebensführungsaufwendungen zugerechnet. Die von dem Steuerpflichtigen in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, ob nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nur Beträge, mit denen echter Werbungskostenaufwand abgegolten wird, steuerfrei bleiben dürfen, kann hier schon deshalb dahinstehen, weil die Vorschrift nicht anwendbar ist.

II. Die Anschlußrevision des FA ist zulässig (vgl. BFH-Urteil I R 188/67 vom 9. Juli 1969, BFH 96, 397, BStBl II 1969, 690) und begründet.

Nachdem entsprechend den Ausführungen unter I. eine Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung nicht in Betracht kommt, hat der Senat geprüft, ob die Herabsetzung der Steuer, die das FG vorgenommen hat, unter dem Gesichtspunkt eines um den geschätzten Betrag von 500 DM erhöhten Werbungskostenaufwands (§ 9 EStG) gerechtfertigt war. Das ist indessen zu verneinen. Der Steuerpflichtige hat selbst vorgetragen, daß ihm ein Einzelnachweis seines tatsächlichen Dienstaufwands nicht und schon gar nicht für das weit zurückliegende Jahr 1963 zuzumuten sei. Die vom Steuerpflichtigen für das Jahr 1968 mitgeteilten Aufwendungen können nicht als Grundlage einer Schätzung der Aufwendungen des Jahres 1963 verwendet werden. Mit Recht hat das FA darauf hingewiesen, daß die fünf Jahre zurückliegende Tätigkeit als dritter Mann im Vorstand der Sparkasse einer Mittelstadt (X) nicht mit der Tätigkeit als Vorsitzender des Vorstands der Sparkasse einer Großstadt (Y) verglichen werden kann.

Der Senat hat angesichts dieser Sachlage geprüft, ob das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und zwecks Vornahme weiterer Feststellungen an die Vorinstanz zurückzuverweisen war. Er ist jedoch zu dem Ergebnis gelangt, daß angesichts der eigenen Einlassungen des Steuerpflichtigen weitere Feststellungen für das Streitjahr 1963 nicht möglich sind. Der Senat hat deshalb in der Sache selbst entschieden.

Die vom FG getroffenen Feststellungen können seine nach § 217 AO vorgenommene Schätzung, nach der weitere Werbungskosten von 500 DM angefallen sind, nicht tragen. Zwar gestattet die Vorschrift des § 217 AO grundsätzlich auch die Schätzung von Aufwendungen, die im einzelnen nicht oder nicht mehr ermittelt werden können. Voraussetzung einer jeden Schätzung ist aber, daß Anhaltspunkte vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, daß Aufwendungen überhaupt angefallen sind. An derartigen Anhaltspunkten fehlt es hier sowohl hinsichtlich des vom FG geschätzten erhöhten Dienstreiseaufwands als auch des ausschließlich dienstlich bedingten Bewirtungsaufwands. Den Ausführungen der Vorinstanz, es sei glaubhaft, daß der Steuerpflichtige gelegentlich höhere Übernachtungskosten entrichten müsse, als nach den Reisekostenvorschriften ersetzt würden, ist entgegenzuhalten, daß das öffentliche Reisekostenrecht für derartige Fälle unter bestimmten Voraussetzungen auch die Erstattung höherer Sätze vorsieht. Wenn der Steuerpflichtige, wie er ausführt, es nicht für zumutbar hält, die Voraussetzungen für eine derartige höhere Erstattung nachzuweisen, so ist das seine private Angelegenheit, die aber nicht zur Begründung höherer Werbungskosten angeführt werden kann. Die Schätzung des FG kann auch nicht mit den drei Auslandsreisen des Steuerpflichtigen begründet werden, zumal das Reisekostenrecht bei Auslandsreisen zum Teil erheblich höhere Erstattungssätze vorsieht, als sie bei Inlandsreisen gelten. Wegen einer Berücksichtigung dienstlich bedingter Bewirtungskosten fehlt es ebenfalls an jedem Anhalt dafür, daß für den Steuerpflichtigen im Jahre 1963 derartige Aufwendungen angefallen sind. Es kann dahingestellt bleiben, welche Bedeutung etwa der Weigerung des Steuerpflichtigen, die Geschäftsfreunde zu benennen, für deren Bewirtung er im Jahre 1968 Aufwendungen erbracht haben will, beizumessen wäre. Diese Frage könnte nur für die Besteuerung des Jahres 1968 von Bedeutung werden. Aus den Verhältnissen des Jahres 1968 kann aber nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß unter den ganz anderen Verhältnissen des Jahres 1963 ähnliche Aufwendungen angefallen sein müssen.

Die Klage war hiernach auch insoweit abzuweisen, als das FG ihr entsprochen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69603

BStBl II 1971, 818

BFHE 1972, 165

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge