Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Erwirbt eine natürliche Person, die zu Beginn des 21. Juni 1948 weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland oder in Berlin (West) gehabt hat, zwischen dem 20. Juni 1948 und dem 1. April 1949 in Westberlin Vermögen der im § 77 Abs. 2 BewG bezeichneten Art, so ist sie als beschränkt abgabepflichtig mit dem ihr am 1. April 1949 in Berlin (West) gehörigen Inlandsvermögen zur Vermögensabgabe heranzuziehen.

 

Normenkette

LAG §§ 17, 20, 80

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist bis Juli 1948 im Sowjetsektor Berlins wohnhaft gewesen. Er hat dort einen Betrieb innegehabt, nach dessen Enteignung durch die sowjetzonalen Behörden der Bf. nach West-Berlin übersiedelte. Hier gründete er am 10. September 1948 gemeinsam mit seinem Geschäftspartner H die "Y-Lichtspiele", eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Mit dem Anteil am Betriebsvermögen dieser Gesellschaft, der nach dem Stande vom 1. April 1949 88.200 DM betrug, ist der Bf. zum Lastenausgleich herangezogen worden. In einem vorläufigen Bescheid vom 14. Januar 1954 hat das Finanzamt die darauf zu entrichtenden Vorauszahlungen zur Vermögensabgabe auf vierteljährlich 220,50 DM festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid legte der Bf., der seine Abgabepflicht in vollem Umfange bestreitet, beim Landesfinanzamt Berlin Beschwerde mit der Begründung ein, daß er am 21. Juni 1948 nicht in Berlin wohnhaft gewesen und daß er mangels irgendwelcher abgabepflichtiger Vermögensteile im Gebiet West-Berlins zu diesem Zeitpunkt auch nicht beschränkt abgabepflichtig gewesen sei.

Die Beschwerde hatte ebensowenig Erfolg wie die im Anschluß daran erhobene Klage (Berufung) beim Verwaltungsgericht Berlin.

Beide Instanzen vertraten übereinstimmend die Auffassung, daß zwar für die Frage, welche Personen überhaupt für die beschränkte oder unbeschränkte Abgabepflicht in Betracht kommen, die Verhältnisse vom 21. Juni 1948 sowohl im Geltungsbereich des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) als auch in Berlin (West) maßgeblich seien, daß aber die Frage, ob und in welchem Umfange abgabepflichtiges Vermögen vorhanden sei, in Berlin (West) abweichend von dem Rechtszustand in der Bundesrepublik nach dem Stande vom 1. April 1949 entschieden werden müsse. Da der Bf. in diesem Zeitpunkt einen Anteil am Betriebsvermögen der "Y-Lichtspiele" innegehabt habe, sei er als beschränkt Steuerpflichtiger mit diesem Vermögen zur Vermögensabgabe heranzuziehen.

 

Entscheidungsgründe

Auch der Rechtsbeschwerde (Rb.), die unter Wiederholung des bisherigen Sachvortrags vom Bf. zusätzlich auf die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3 GG gestützt wird, muß der Erfolg versagt bleiben.

Maßgebender Zeitpunkt für die Erhebung der Lastenausgleichsangaben ist grundsätzlich der 21. Juni 1948. Dieser Zeitpunkt ist im Geltungsbereich des GG entscheidend für die Entstehung der Abgabepflicht überhaupt, für die Bestimmung der persönlichen Abgabepflicht und ebenso auch für den Umfang des abgabepflichtigen Vermögens. Für Berlin (West) gilt grundsätzlich das Gleiche mit der Einschränkung, daß das abgabepflichtige Vermögen nach den Verhältnissen vom 1. April 1949 zu ermitteln ist. Diese Besonderheit erklärt sich aus dem von den Verhältnissen der Bundesrepublik abweichenden Verlauf der Währungsentwicklung in Berlin (West), die erst am 1. April 1949 zur völligen und endgültigen Trennung der Westberliner Währung von der Ostwährung geführt hat. Dieser Termin, der als der eigentliche Zeitpunkt der Währungsumstellung in West-Berlin angesehen werden muß, ist daher mit gutem Grunde als der für die Feststellung des abgabepflichtigen Vermögens in Berlin (West) maßgeblich bestimmt worden. Der Gesetzgeber hat indessen davon abgesehen, den Zeitpunkt der Entstehung der Abgabepflicht in Berlin (West) gleichfalls auf den 1. April 1949 zu verlegen. Für die Entstehung der Abgabepflicht wie auch für die Frage der beschränkten oder unbeschränkten Abgabepflicht bleibt vielmehr, wie im Gebiet des GG, maßgeblicher Stichtag der 21. Juni 1948 auch für Berlin (West). Jedenfalls läßt sich aus der Fassung der §§ 16, 17, 20 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG), das von einer Sonderregelung für Berlin insoweit abgesehen hat, nichts anderes entnehmen.

Diese gesetzliche Regelung hat allerdings zur Folge, daß eine Person, die am 21. Juni 1948 ihren Wohnsitz im Sowjetsektor Berlins hatte, auch dann als beschränkt vermögensabgabepflichtig zu behandeln ist, wenn sie nach dem 21. Juni 1948, jedoch vor dem 1. April 1949 Vermögen der in § 80 Abs. 2 Ziff. 3 LAG bezeichneten Art in Berlin (West) erworben hat, während sie mit einem Vermögenserwerb im Gebiet der Bundesrepublik nach dem 20. Juni 1948 zur Vermögensabgabe nicht herangezogen würde. Dieses Ergebnis mag vielleicht bei oberflächlicher Betrachtung überraschend erscheinen, ist jedoch als vom Gesetzgeber gewollt zu erachten.

Im Schrifttum wird die gleiche Ansicht von Kühne-Wolff ("Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich" Ausg. A § 17 Anm. 3) mit der Begründung vertreten, daß die beschränkte Abgabepflicht positiv lediglich das Vorhandensein abgabepflichtigen Inlandsvermögens voraussetze und für letzteres im Falle des § 80 Abs. 2 Ziff. 3 LAG der Stand zu Beginn des 1. April 1949 maßgebend sei.

Der Bf. versucht dieser Rechtsansicht mit der Begründung entgegenzutreten, daß, selbst wenn sie dem Willen des Gesetzgebers entsprechen sollte, damit der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verletzt werde. Dieser Auffassung des Bf. vermag sich der Senat schon deshalb nicht anzuschließen, weil, wie oben bereits angeführt, die Währungsentwicklung in Berlin (West) einen anderen Verlauf genommen hat als im Geltungsbereich des GG. Der Gesetzgeber war deshalb, auch wenn er - ebenso wie die Organe der Rechtsprechung - den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG zu beachten hat, an einer abweichenden Regelung des Lastenausgleichs für Berlin (West) im Hinblick auf den späteren Zeitpunkt der Währungsumstellung in Berlin nicht gehindert. Alle Personen, die zwischen dem 20. Juni 1948 und dem 1. April 1949 Vermögen in Berlin (West) erworben haben, werden insofern grundsätzlich gleich behandelt, als ihrem Stichtagsvermögen zum 1. April 1949 auch der zwischen dem 20. Juni 1948 und 1. April 1949 erfolgte Vermögenserwerb hinzugerechnet wird. Denn auch unbeschränkt Abgabepflichtige müssen die Vermögensabgabe auf das in dieser Zeit in Berlin (West) erworbene Vermögen entrichten, und der einzige Unterschied zwischen ihnen und den beschränkt Abgabepflichtigen besteht darin, daß sie grundsätzlich mit jedem zum Gesamtvermögen gehörigen Vermögenserwerb zur Vermögensabgabe herangezogen werden, während beschränkt Abgabepflichtige nur insoweit der Vermögensabgabe unterliegen, als es sich bei ihrem Vermögenserwerb um Gegenstände handelt, die zum sogenannten Inlandsvermögen der im § 77 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) bezeichneten Art gehören. Daß die gesetzliche Regelung der Lastenausgleichsabgaben für Berlin (West) eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bedeute, vermag der Senat unter diesen Umständen nicht anzuerkennen.

Soweit sich etwa aus dieser Regelung im Einzelfalle Härten für einen beschränkt Abgabepflichtigen ergeben sollten, können sie nur im Wege allgemeiner Billigkeitsmaßnahmen beseitigt werden. Im Streitfalle ist ausschließlich über die Rechtsfrage nach dem Bestehen der Abgabepflicht zu entscheiden, die unter Bejahung der beschränkten Abgabepflicht zu Ungunsten des Bf. beantwortet werden muß.

Die Rb. war daher mit der Kostenfolge aus § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408463

BStBl III 1956, 170

BFHE 1956, 459

BFHE 62, 459

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