Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Werden gewerblich genutzte Räume (z. B. ein Ladenzimmer), die außerhalb einer an sich steuerbegünstigten Wohnung oder steuerbefreiten Kleinwohnung liegen, nebenbei auch für Wohnzwecke (Aufenthalt tagsüber usw.) mitbenutzt, so rechtfertigt eine solche Mitbenutzung in der Regel nicht die Zurechnung der gewerblich genutzten Räume zur Wohnung.

 

Normenkette

WoBauG § 7 Abs. 3, § 11/1; GSWBY 2/3; GSWBY 3

 

Tatbestand

Der Metzgermeister H. K. betreibt in N. zusammen mit seinem Sohne eine Metzgerei. H. K. und seine drei Töchter (darunter Frau H. geb. K.) waren zu je 1/4 Anteil Eigentümer eines unbebauten Grundstücks in N. Auf diesem Grundstück errichteten die vier Miteigentümer (Beschwerdeführer - Bf. -) einen Neubau, der im August / September 1953 bezugsfertig wurde. Der Neubau (gemischt-genutztes Grundstück) enthält:

im Erdgeschoß einen Metzgereiladen, Ladenzimmer, Kühlraum, Küche, Flur und Toilette;

in den drei Obergeschossen und im Dachgeschoß je eine abgeschlossene Wohnung mit Wohnflächen unter 75 qm.

In den Räumen des Erdgeschosses unterhalten H. K. und Sohn eine Filiale ihres Metzgereibetriebs, die von Frau H. (Tochter bzw. Schwester der Betriebsinhaber) geleitet wird. Der modern eingerichtete Laden ist mit einer Imbißecke versehen. Die Küche dient zum Heißmachen und Braten von Fleisch- und Wurstwaren, zum Herrichten von Fleischsalaten, zum Bereiten von Warmwasser sowie zum Reinigen und zur Aufbewahrung des benötigten Küchengeschirrs. In der Küche befindet sich auch eine Heizungsanlage für das Erdgeschoß, die eine Beheizung der Wohnung im ersten Obergeschoß zuläßt.

Die Wohnung im ersten Obergeschoß hat Frau H. inne, während die übrigen Wohnungen anderweitig vermietet sind. Der Haushalt der Frau H. besteht aus drei Personen (Frau H. und zwei Söhne). Die Mahlzeiten für diese drei Personen werden in der Küche des Erdgeschosses mit zubereitet und im Ladenzimmer eingenommen. Auch die im Laden beschäftigte Verkäuferin, die nicht im Hause wohnt, wird mitverköstigt. Der als Küche vorgesehene Raum in der Wohnung des ersten Obergeschosses ist als Küche vorgerichtet, hat Terrazzofußboden und sämtliche Anschlüsse für Gas, Wasser und Elektrizität. An Stelle des Spülbeckens ist vorläufig nur ein Waschbecken angebracht. Auch ein Kochherd ist vorerst nicht aufgestellt, weil die Wohnungsinhaberin solange sie die Metzgereifiliale leitet, die Küche des Erdgeschosses mitbenutzen und dort die Mahlzeiten für sich und ihre beiden Söhne zubereiten kann.

Das zuständige Bauaufsichtsamt hatte bescheinigt, daß bei den vier Wohnungen des Neubaus die Voraussetzungen für die Befreiung von der Grundsteuer nach dem Bayerischen Gesetz über die Grundsteuerfreiheit und Gebührenfreiheit für den sozialen Wohnungsbau (GSW) gegeben seien. Trotzdem gewährte das Finanzamt die Befreiung nur für die drei Wohnungen im zweiten und dritten Obergeschoß und im Dachgeschoß, nicht aber für die Wohnung im ersten Obergeschoß.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt stellte sich auf den Standpunkt, daß zu den Wohnräumen des ersten Obergeschosses (70,3 qm Wohnfläche) die Küche des Erdgeschosses mit 9,2 qm Fläche hinzugerechnet werden müsse. Zu der Frage, ob in diesem Falle (Bezugsfertigkeit im August / September 1953 und Wohnfläche von 79,5 qm) die strittige Wohnung nicht nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz (WoBauG) steuerbegünstigt ist, nahm das Finanzamt keine Stellung.

Auch die Berufung blieb erfolglos, und zwar versagte das Finanzgericht für die strittige Wohnung sowohl die Grundsteuerbefreiung nach dem GSW als auch die Steuervergünstigung nach dem WoBauG. Es stellte sich auf den Standpunkt, daß nicht nur die Küche, sondern auch das Ladenzimmer, der Flur und die Toilette des Erdgeschosses zur Wohnung der Frau H. zu rechnen seien, weil die Familie H. sich nicht auf die Wohnung im ersten Obergeschoß beschränke, sondern weitere, außerhalb der Wohnung gelegene Wohnräume mitbenutze. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß Küche und Zimmer im Erdgeschoß in erster Linie gewerblichen Zwecken zu dienen bestimmt seien. Würde man in einem solchen Fall die Mitbenutzung der Erdgeschoßräume als unschädlich ansehen, so wäre der Umgehung der Wohnflächengrenzen Tür und Tor geöffnet.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist begründet.

Werden in einer Wohnung einzelne Wohnräume gleichzeitig gewerblich oder beruflich mitbenutzt (z. B. ein Schneider benutzt ein Wohn- oder Schlafzimmer gleichzeitig als Arbeitsraum), so ist diese Mitbenutzung für die Grundsteuerbefreiung nach dem GSW oder die Grundsteuervergünstigung nach dem WoBauG unschädlich (vgl. Abschn. 3 Abs. 1 zu a der Verwaltungsanweisung über die Grundsteuervergünstigung nach dem WoBauG vom 30. Juni 1951). Aber auch dann, wenn einzelne Räume einer Wohnung ausschließlich gewerblich oder beruflich genutzt werden, sind diese Räume - vorausgesetzt, daß sie höchstens die Hälfte der Wohnfläche ausmachen - im Rahmen dieser Wohnung grundsteuerfrei oder grundsteuerbegünstigt (ß 2 Abs. 3 GSW, § 7 Abs. 3 WoBauG).

Der Vorinstanz ist darin beizutreten, daß die Grundsteuerbefreiung nach dem GSW für eine an sich steuerbefreite Kleinwohnung dann zu versagen ist, wenn der Inhaber der Kleinwohnung sich nicht auf diese Wohnung beschränkt, sondern - unter Umgehung der Wohnflächengrenze - außerhalb der Kleinwohnung gelegene Wohnräume mitbenutzt. Entsprechendes muß auch für die Grundsteuervergünstigung nach dem WoBauG gelten. Im Streitfall handelt es sich aber, was von entscheidender Bedeutung ist, nicht um die Mitbenutzung von Wohnräumen, sondern um die Mitbenutzung von gewerblichen Räumen zu Wohnzwecken. Die Vorinstanz hat selbst festgestellt, daß die betreffenden Räume in erster Linie gewerblichen Zwecken zu dienen bestimmt sind. Diese Feststellungen lassen keinen Irrtum erkennen. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß zu einem Ladengeschäft auch Nebenräume gehören und daß auch ein moderner Metzgereiladen mit Imbißecke ohne Küche nicht ordnungsmäßig betrieben werden kann.

Der Fall, daß der Inhaber einer Wohnung auch gewerblich genutzte Räume, die mit seiner Wohnung in keinem räumlichen Zusammenhang stehen, zu Wohnzwecken mitbenutzt, ist weder im GSW noch im WoBauG besonders behandelt. Der erkennende Senat ist der Auffassung, daß es nicht dem Sinn und Zweck der genannten Gesetze entspricht, gewerblich genutzte Räume, wenn sie zu Wohnzwecken mitbenutzt werden, unter allen Umständen zur Wohnung des Benutzers zu rechnen. Das muß schon deswegen verneint werden, weil der Gesetzgeber sogar ausschließlich gewerblich genutzte Räume, die innerhalb einer Wohnung liegen, unter bestimmten Voraussetzungen von der Grundsteuer befreit bzw. grundsteuerbegünstigt hat. Der Senat ist vielmehr der Auffassung, daß gewerblich genutzte Räume, die außerhalb einer Wohnung liegen und nur nebenbei auch für Wohnzwecke mitbenutzt werden, regelmäßig nicht zur Wohnung gerechnet werden dürfen. Im Streitfall ist jedenfalls eine Zurechnung nicht begründet.

Den Bf. muß zugegeben werden, daß sie eine klare Trennung der gewerblichen Räume von den Wohnungen nach dem Bauplan vorgesehen und auch eingehalten haben. Abzulehnen ist vor allem das Vorgehen der Vorinstanz, die nicht nur die Küche, sondern auch das Ladenzimmer und den Flur des Erdgeschosses zur Wohnung im ersten Obergeschoß gerechnet hat. Der Wohnungsinhaberin muß wohl zugestanden werden, daß sie sich tagsüber in den Räumen des Erdgeschosses aufhält und dort ihre Mahlzeiten einnimmt. Daß ihre beiden Söhne tagsüber, solange sie zu Hause sind, sich ebenfalls bei der Mutter aufhalten und mit ihr zusammen in dem Ladenzimmer die Mahlzeiten einnehmen, ist selbstverständlich. Aber auch die Küche des Erdgeschosses kann nicht der Wohnung im ersten Obergeschoß deshalb zugerechnet werden, nur weil die Inhaberin dieser Wohnung nach den besonders gelagerten Verhältnissen in der günstigen Lage ist, mit ihren beruflichen Obliegenheiten die Besorgung ihres Haushalts zu verbinden. Daß sie bei der gegebenen Sachlage in ihrer Wohnung zunächst von der vollständigen Einrichtung der Küche abgesehen hat, ist begreiflich. Die Bf. selbst haben in der Rb. noch hervorgehoben, daß bezüglich der Wohnung im ersten Obergeschoß und den gewerblichen Räumen im Erdgeschoß zwei verschiedene Vertragsverhältnisse bestehen. Bezüglich der Wohnung bestehe ein Vertragsverhältnis zwischen der Hausgemeinschaft und Frau H., bezüglich der gewerblichen Räume des Erdgeschosses ein Vertragsverhältnis zwischen der Hausgemeinschaft und den Inhabern der Metzgerei. Frau H. leite die Befugnis zum Aufenthalt, zum Bereiten und zur Einnahme der Mahlzeiten in den Räumen des Erdgeschosses aus ihrem Dienstverhältnis als Angestellte des Metzgereibetriebs her.

Die Vorschriften des GSW haben den Vorrang vor § 7 WoBauG (vgl. § 11 Abs. 1 WoBauG in der Fassung vom 25. August 1953). Demgemäß ist für die streitige Wohnung die Grundsteuerbefreiung nach dem GSW (ß 3) zu gewähren. Die Sache geht an das Finanzamt zurück, das die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags für das Grundstück unter Befreiung dieser Wohnung durchzuführen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408247

BStBl III 1955, 283

BFHE 1956, 221

BFHE 61, 221

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