Entscheidungsstichwort (Thema)

GrESt bei Übergang des Grundstücks auf Gesamthand und Beteiligung der bisherigen Miteigentümer an der Gesamthand

 

Leitsatz (NV)

1. Die Vorschriften des früheren Bayerischen GrEStG sind -- trotz des Wegfalls des § 160 Abs. 2 FGO a. F. zum 1. Januar 1993 -- weiterhin revisibles Recht (vgl. hierzu BFH- Urteil vom 26. April 1995 II R 6/94, BFHE 178, 222, BStBl II 1995, 738).

2. Die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG Bayern (= § 5 Abs. 1 GrEStG 1983) setzt voraus, daß sich das bisherige Mit eigentum des grundstückseinbringenden Gesellschafters auch tatsächlich am Gesamthandseigentum fortsetzt, insbesondere die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Chancen und Risiken, die Wertveränderungen, Erträge oder Aufwendungen den einbringenden Gesellschafter -- wenn auch nur anteilig -- als Gesamthandsberechtigten treffen (vgl. Senatsentscheidungen vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374, 375, und vom 9. November 1988 II R 188/84, BFHE 155, 171, BStBl II 1989, 201).

3. Nimmt der einbringende Gesellschafter durch (gesellschafts-)vertragliche Abreden im Ergebnis wirtschaftlich während der Dauer seiner Beteiligung an der Gesamthand nicht mehr wie ein Eigentümer (anteilig) an den Wertveränderungen des Grundstücks teil, kommt es auf die von den beiden Gesellschaftern von Anfang an beabsichtigte und abgesprochene Aufgabe der formal noch bestehenden gesamthänderischen Mitberechtigung nicht an. Die auf Grund des bisherigen Allein- bzw. Miteigentums bestehende Beteiligung am Wert des eingebrachten Grundstücks setzt sich in solchen Fällen nach der Einbringung des Grundstücks in die Gesamthand über das Gesamthandseigentum nicht fort, wie es Sinn und Zweck der Steuervergünstigung verlangt.

 

Normenkette

GrEStG Bayern § 5 Abs. 1 (=GrEStG 1983 § 5 Abs. 1); FGO § 160 Abs. 2 a. F

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Miteigentümer je zur Hälfte eines in A gelegenen Hotelgrundstücks waren die Herren X und Y. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 4. Juli 1981 übertrugen X und Y ihre Miteigentumsanteile an dem Grundstück auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG. Gesellschafter waren nach dem in derselben Urkunde vom 4. Juni 1981 vereinbarten Gesellschaftsvertrag die Z- GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin sowie X und Y als Kommanditisten. Die persönlich haftende Gesellschafterin sollte keine kapitalmäßige Beteiligung haben, während sich X und Y verpflichteten, ihre Einlagen in Höhe von jeweils 2,35 Mio. DM durch die Übertragung des gesamten Hotel- und Gaststättenbetriebes mit allen Ge bäuden und der gesamten Einrichtung zu erbringen. Die persönlich haftende Gesellschafterin sollte berechtigt und bevollmächtigt sein, im Namen aller übrigen Gesellschafter weitere Kommanditisten bis zu einem gezeichneten Kommanditkapital von insgesamt 6,8 Mio. DM aufzunehmen.

X und Y beabsichtigten außerdem, ihre Einlage in Höhe von jeweils 2,35 Mio. DM an Beteiligungsinteressenten abzutreten. Hierzu verpflichteten sie sich gegenüber der Klägerin, ihre Kommanditanteile an durch einen der Geschäftsführer der Z-GmbH noch zu benennende Dritte zum Preis von je 2,35 Mio. DM abzutreten. Dies sollte bis zum 30. September 1981 geschehen. Zur Sicherstellung der Kaufpreisansprüche in Höhe von jeweils 2,35 Mio. DM räumte die Klägerin X und Y einen Anspruch auf Rückübertragung des Grundstücks für den Fall ein, daß nicht spätestens bis zum 30. September 1981 an X und Y jeweils 2,35 Mio. DM gezahlt würden. X und Y sollten bis zu ihrem geplanten Ausscheiden weder am Gewinn und Verlust noch an den stillen Reserven der Klägerin beteiligt sein und auch nicht an den laufenden Erhöhungen des Kommanditkapitals teilnehmen.

Durch Nachtragsvereinbarung vom 25. August 1981 wurde die Höhe der Kommanditeinlagen von X auf Y auf jeweils 1,3 Mio. DM herabgesetzt und das Angebot zur Übertragung der Kommanditanteile an noch zu benennende Dritte bis zum 30. September 1982 verlängert.

Zum 31. Dezember 1981 betrug das Kommanditkapital durch die planmäßige Aufnahme weiterer Gesellschafter insgesamt 5,55 Mio. DM. Hieran waren X und Y jeweils noch in Höhe von 1,3 Mio. DM beteiligt. Zum 31. Dezember 1982 betrug das Kommanditkapital der Klägerin 7 445 000 DM, wovon X und Y jeweils 550 000 DM hielten. Die sukzessive Veräußerung der Kommanditanteile des X und des Y war im Juni 1983 abgeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt wurden die letzten Kommanditeinlagen von neueintretenden Kommanditisten gezeichnet.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) setzte durch Bescheid vom 4. März 1987 wegen der Einbringung des Hotelgrundstücks in die Klägerin nach einer Gegenleistung von 4 332 000 DM Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin in Höhe von 303 240 DM fest.

Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, das FA habe bei der Steuerfestsetzung zu Unrecht die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 des früheren Bayerischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unberücksichtigt gelassen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der anschließenden Klage verfolgte die Klägerin ihr Befreiungsbegehren weiter. Das Finanzgericht (FG) hat diesem Begehren entsprochen und eine Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG in Höhe von 44 v. H. gewährt und hierzu ausgeführt, X und Y hätten zwar von Anfang an die Absicht gehabt, ihre Beteiligung an der Klägerin sukzessive zu verringern bzw. aufzugeben, diesen Plan aber nur teilweise in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb verwirklicht. Ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang bestehe nur, soweit innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten eine Verringerung der Beteiligungsquote vorgenommen werde. Werde eine Beteiligung länger als 1 Jahr vom Einbringenden gehalten, sei von einer "echten" Beteiligung am Gesellschaftsvermögen i. S. von § 5 GrEStG auszugehen. Diese Grenzziehung sei aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität geboten. Da X und Y nach Ablauf von 12 Monaten, d. h. am 4. Juni 1982, noch zu 44 v. H. an der Klägerin beteiligt gewesen seien, sei insoweit die Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG zu gewähren. Ausgehend von einer Gegenleistung in Höhe von 4 Mio. DM betrage die Grunderwerbsteuer deshalb nur 156 800 DM. Das FG hat den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung entsprechend geändert.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die vom erkennenden Senat durch Beschluß vom 11. Mai 1994 II B 117/93 zugelassen wurde. Das FA rügt Verletzung von § 5 Abs. 1 GrEStG. Es vertritt die Auffassung, auch die Anteilsveräußerung über einen Zeitraum von 2 1/2 Jahren stehe der beantragten Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 1 GrEStG entgegen, weil diese einem von Anfang an bestehenden Plan entsprochen habe. Maßgebend sei in diesem Fall allein der sachliche Zusammenhang.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (vgl. § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Der Senat ist an einer materiell-rechtlichen Überprüfung des mit der Revision angefochtenen FG-Urteils nicht gehindert, obwohl die hier maßgeblichen Streitfragen Landesrecht, d. h. das frühere Bayerische GrEStG betreffen. Zwar kann nach § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO die Revision nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Ausnahmsweise kann nach Satz 2 dieser Vorschrift die Revision aber auch auf die Verletzung von Landesrecht gestützt werden, soweit die Revisibilität von Landesrecht in Verfahren der Finanzgerichtsbarkeit vom Gesetzgeber durch entsprechende ausdrückliche Regelung angeordnet worden ist. Hierfür reicht es aus, wenn die FGO insgesamt oder zumindest der Unterabschnitt über die Revision durch entsprechendes Landesgesetz für anwendbar erklärt wird (vgl. Senatsurteil vom 8. März 1995 II R 10/93, BFHE 177, 276, BStBl II 1995, 432). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn für Bayern wird durch Art. 5 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung (AGFGO), zuletzt geändert durch Gesetz vom 1. Dezember 1995 (Gesetz- und Verordnungsblatt -- GVBl -- 1995, 760), der Finanzrechtsweg eröffnet für Abgaben angelegenheiten, soweit diese Abgaben der Gesetzgebung des Bundes nicht unterliegen und durch Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977) verwaltet werden. Satz 2 der Vorschrift sieht vor, daß die Vorschriften der FGO über die Revision (2. Teil, Abschn. V, Unterabschn. 1) anzuwenden sind (§ 118 Abs. 1 Satz 2 FGO). Die Vorschriften des früheren Bayerischen GrEStG sind deshalb -- trotz des Wegfalls des § 160 Abs. 2 FGO a. F. zum 1. Januar 1993 -- weiterhin revisibles Recht (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 26. April 1995 II R 6/94, BFHE 178, 222, BStBl II 1995, 738; Sack in Deutsches Steuerrecht -- DStR -- 1995, 1615 unter 5.).

2. Der Senat vermag der Rechtsauffassung des FG nicht zu folgen, soweit dieses im Streitfall im Ergebnis von einer -- für den Umfang der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 GrEStG maßgeblichen -- Betei ligung der grundstückseinbringenden Kommanditisten X und Y an der Klägerin (Gesamthand) in Höhe von 44 v. H. aus gegangen ist und angenommen hat, ein die Anwendung des § 5 Abs. 1 GrEstG ausschließender zeitlicher Zusammenhang zwischen der Grundstückseinbringung und der -- von vornherein beabsichtigten -- Reduzierung bzw. gänzlichen Aufgabe der Anteile der einbringenden Gesellschafter X und Y sei nur bei einer tatsächlich vor genommenen Reduzierung bzw. Aufgabe der Gesamthandsbeteiligung bis zum Ablauf von 12 Monaten nach der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand gegeben.

a) Nach § 5 Abs. 1 GrEStG (= § 5 Abs. 1 GrEStG 1983) wird die Steuer beim Übergang eines Grundstücks von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand nicht erhoben, soweit der Anteil des einzelnen am Vermögen der Gesamthand Beteiligten seinem Bruchteil am Grundstück entspricht. Die Vorschrift zieht die Folgerung daraus, daß die Änderung der Rechtszuständigkeit des Grundstücks aufgrund des der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsgeschäfts wirtschaftlich insoweit zu keiner Veränderung führt, als der veräußernde Gesellschafter über seine Gesamthandsberechtigung (auch) am Grundstück(swert) beteiligt bleibt. Nach Sinn und Zweck der Steuervergünstigung ist es deshalb erforderlich, daß sich das bisherige Miteigentum auch tatsächlich am Gesamthandseigentum fortsetzt, insbesondere die mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Chancen und Risiken, die Wertveränderungen, Erträge oder Aufwendungen den einbringenden Gesellschafter -- wenn auch nur anteilig -- als Gesamthandsberechtigten treffen. Dementsprechend hat der Senat das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuervergünstigung -- trotz (formaler) Beteiligung des Grundstücksveräußerers am Vermögen der Gesamthand -- u. a. auch in den Fällen verneint, in denen der Grundstücksveräußerer durch gesellschaftsvertragliche Abreden im Ergebnis wirtschaftlich so gestellt ist, als sei er während der Dauer seiner Beteiligung an der Gesellschaft und bei deren Beendigung über das Gesamthandsvermögen nicht wie ein Eigentümer anteilig an den Wertveränderungen des Grundstücks beteiligt (vgl. Senatsentscheidungen vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374, 375, und vom 9. November 1988 II R 188/84, BFHE 155, 171, BStBl II 1989, 201).

b) Diese Grundsätze hat das FG nicht beachtet, soweit es dem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Einbringung der Miteigentumsanteile in die Klägerin und der Aufgabe der noch formal bestehenden gesamthänderischen Mitberechtigung von X und Y entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen und dabei unberücksichtigt gelassen hat, daß X und Y bereits mit der Einbringung der Miteigentumsanteile wirtschaftlich an der zukünftigen Wertentwicklung des Grundstücks nicht mehr beteiligt sein sollten.

Denn nach den Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, sollten die grundstückseinbringenden Kommanditisten X und Y während der Zeit, in der sie an der Klägerin noch beteiligt blieben, weder am Gewinn und Verlust noch an den stillen Reserven der KG beteiligt sein und auch an den laufenden Erhöhungen des Kommanditkapitals nicht mehr teilnehmen, sondern lediglich Anspruch auf Auszahlung ihres der Höhe nach feststehenden Kommanditanteils haben. Aufgrund dieser Umstände nahmen X und Y nach der Einbringung des Grundstücks nicht mehr nach der konkreten Höhe ihres Gesellschaftsanteils an den mit dem Eigentum am Grundstück verbundenen Chancen und Risiken, den Wertveränderungen, Erträgen oder Aufwendungen teil. Vielmehr sollten sich ihre vermögensmäßigen Beteiligungen an der Klägerin (Gesamthand) von vornherein auf den Nennwert ihres Kommanditanteils beschränken.

Nimmt jedoch -- wie im Streitfall -- der einbringende Gesellschafter durch (gesellschafts-)vertragliche Abreden im Ergebnis wirtschaftlich während der Dauer seiner Beteiligung an der Gesamthand nicht mehr wie ein Eigentümer (anteilig) an den Wertveränderungen des Grundstücks teil, kommt es -- anders als das FG angenommen hat -- auf die von den beiden Gesellschaftern von Anfang an beabsichtigte und abgesprochene Aufgabe der formal noch bestehenden gesamthänderischen Mitberechtigung nicht an. Die auf Grund des bisherigen Allein- bzw. Miteigentums bestehende Beteiligung am Wert des eingebrachten Grundstücks setzt sich in solchen Fällen nach der Einbringung des Grundstücks in die Gesamthand über das Gesamthandseigentum nicht fort, wie es Sinn und Zweck der Steuervergünstigung verlangt.

3. Die Sache ist nicht spruchreif.

Das FG-Urteil enthält keine Feststellungen, die es dem Senat ermöglichten, die Frage der Rechtmäßigkeit der vom FA seiner Steuerfestsetzung zugrunde gelegten Gegenleistung zu überprüfen. Das FG wird -- ausgehend von der Rechtsauffassung des Senats, daß eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 GrEStG insgesamt zu versagen ist --, die hierzu notwendigen Feststellungen nachzuholen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421556

BFH/NV 1997, 199

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