Leitsatz (amtlich)

Ein Verein, dessen satzungsmäßiger Hauptzweck in der Durchführung der Gütesicherung und Überwachung der gleichbleibenden Innehaltung der Gütebedingungen bei den von seinen Mitgliedern erzeugten Betonzuschlagstoffen sowie in der Auszeichnung der Erzeugnisse der Mitglieder mit einem Gütezeichen besteht, ist kein Berufsverband im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 8 VStG.

 

Normenkette

VStG § 3 Abs. 1 Nr. 8

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein, der sich mit der Gütesicherung von Kiesen und Sanden befaßt. Nach Nr. 2.1 seiner Satzung bezweckt er: "die Gütesicherung von Kiesen und Sanden ... insbesondere verwendbar als Betonzuschlagstoffe, bei denjenigen Unternehmen der Sand-Kies-Natursteinindustrie des Landes X durchzuführen, die sich der ständigen Güteüberwachung ihrer Erzeugnisse durch den Verband unterziehen;

die Erzeugnisse, die den Gütebedingungen des Verbandes ... und den DIN-Vorschriften entsprechen, durch ein Gütezeichen auszuzeichnen;

die gleichbleibende Innehaltung der Gütebedingungen zu überwachen;

gegenüber Abnehmern und Baubehörden durch die Anwendung des Gütezeichens für die ordnungsgemäße Überwachung Gewähr zu bieten;

für die Gütesicherung zu werben."

Die Durchführung des Güteschutzes und die Verleihung und Führung des Gütezeichens, sowie die Ahndung von Verstößen gegen die Vorschriften über die Anwendung des Gütezeichens werden nach Nr. 2.2 der Satzung u. a. in den "Grundsätzen und Richtlinien für die Gütesicherung" geregelt, die als Anlage des Erlasses des Ministers für Arbeit, Soziales und Vertriebene des Landes X abgedruckt sind.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) stellte durch einen zusammengefaßten Bescheid vom 21. April 1969 einen Einheitswert des Betriebsvermögens des Klägers auf den 1. Januar 1966 fest und setzte die Vermögensteuer ab dem 1. Januar 1966 fest. Der Einspruch, mit dem der Kläger u. a. die Aufhebung des Einheitswerts und Freistellung von der Vermögensteuer aufgrund des § 3 Abs. 1 Nr. 8 VStG erstrebte, hatte keinen Erfolg. Auch die Klage wurde abgewiesen.

Der Kläger beantragt mit der Revision, die vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen ist, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung (und den angefochtenen Einheitswert- und Vermögensteuerbescheid) aufzuheben. Es wird Verletzung des § 3 Abs. 1 Nr. 8 VStG gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet. Der Kläger sei ein Berufsverband im Sinne dieser Vorschrift. Er solle satzungsgemäß keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten und auch keine markt- oder preisregelnden Aufgaben übernehmen. Er sehe es als seine Aufgabe an, Normen für Betonzuschlagstoffe zu erarbeiten und im Ausschuß für Lieferungsbedingungen und Gütesicherung beim Deutschen Normenausschuß mitzuarbeiten. Diese Tätigkeit komme dem gesamten Berufsstand der kiesverarbeitenden Industrie zugute, obwohl dies nicht Voraussetzung für die Steuerbefreiung sei. Denn das Beispiel der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, die unbestritten steuerbefreit seien, zeige, daß deren Tätigkeit grundsätzlich auch nur den Verbandmitgliedern zugute komme. Das FG überschätze den Wert der Ausgabe des Gütezeichens für Mitglieder, die sich nachhaltig der Prüfung unterzögen. Dieses Gütezeichen werde weder von den Mitgliedern gewerbsmäßig verwandt, noch trage es in sonstiger Weise zu einem Wettbewerbsvorteil gegenüber Nichtmitgliedern bei. Ein solcher Vorteil könne schon deshalb nicht entstehen, weil alle Betonzuschlagstoffproduzenten die Einhaltung der DIN-Vorschriften beachten müßten. Denn auch diese müßten sich einer Prüfung ihrer Betonzuschlagstoffe durch eine öffentlich anerkannte Baustoffprüfstelle unterziehen und dafür die gleichen hohen Kosten aufwenden wie die Mitglieder des Klägers. Deshalb sei die Auffassung des FG, die Mitglieder wären nur wegen des Wettbewerbsvorteils bereit, besondere Aufwendungen zu machen, falsch. Widersprüchlich seien auch die Rechtsfolgerungen des FG, daß die Mitgliedsbeiträge dem Kläger auch eine besondere finanzielle Basis verschafften und der Kläger durch seine Tätigkeit kostensparend für seine Mitglieder wirke. Tatsächlich wendeten die Mitglieder für die Prüfung der Zuschlagstoffe die gleichen Beträge auf wie die Nichtmitglieder. Darüber hinaus entrichteten sie den Mitgliedsbeitrag, um den Verband in die Lage zu versetzen, seine satzungsgemäßen Aufgaben wahrzunehmen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Frage, ob überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Einheitswert des Betriebsvermögens des Klägers festzustellen ist, hängt in erster Linie davon ab, ob der Kläger ein Berufsverband im Sinn des § 3 Abs. 1 Nr. 8 VStG ist. Denn wenn das zu bejahen ist, ist er entweder nach Satz 1 dieser Vorschrift voll von der Vermögensteuer befreit oder nach Satz 2 dieser Vorschrift nur mit einem Teil seines Vermögens oder nach Satz 3 dieser Vorschrift mit seinem ganzen Vermögen vermögensteuerpflichtig. Ein Einheitswert ist aber nach § 214 AO nur dann festzustellen, wenn er der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Das wäre nicht der Fall, wenn der Kläger voll vermögensteuerfrei wäre. Denn die volle Befreiung von der Vermögensteuer setzt voraus, daß er keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, so daß er dann auch nicht nach § 2 Abs. 3 GewStG der Gewerbesteuerpflicht unterliegen würde.

2. Der Begriff "Berufsverband" im Sinn des § 3 Abs. 1 Nr. 8 VStG ist im Vermögensteuerrecht nicht definiert. Nach § 13 Abs. 1 KStDV, einer Durchführungsbestimmung zu § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG, der mit § 3 Abs. 1 Nr. 8 VStG wörtlich übereinstimmt, können zu den Berufsverbänden außer den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften auch andere Berufsverbände, z. B. Wirtschaftsverbände, Bauernvereine und Hausbesitzervereine, gehören. Die KStR umschreiben übereinstimmend mit der Rechtsprechung des I. Senats des BFH in Abschn. 17 Abs. 1 den Begriff Berufsverband dahin, daß es "Vereinigungen von natürlichen Personen oder von Unternehmen sind, die allgemeine, aus der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsende ideelle und wirtschaftliche Interessen des Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges wahrnehmen". Der Senat hat in den Urteilen III 190/64 vom 17. Mai 1966 (BFH 86, 324, BStBl III 1966, 525), und III 179/64 vom 15. Juli 1966 (BFH 86, 656, BStBl III 1966, 638) ausgeführt, daß sich die in Abschn. 17 Abs. 1 KStR erwähnten Merkmale aus der dort angeführten Rechtsprechung ergeben. Er hat daraus gefolgert, daß Berufs- und Wirtschaftsverbände die Aufgabe haben, die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen eines Berufsstands oder Wirtschaftszweigs gegenüber den Behörden und den gesetzgebenden Körperschaften usw. zu vertreten und seine Wünsche als eine gemeinsame einheitliche Vertretung geltend zu machen. Er hat hervorgehoben, daß die persönliche Freistellung der Berufsverbände von der Steuerpflicht auf der gesetzespolitischen Anerkennung ihres Wirkens als eines Wirkens im Interesse der Allgemeinheit beruhe. Sie trete deshalb nicht ein oder gehe notwendig verloren, wenn neben oder an die Stelle der Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen und allen Angehörigen des Zusammenschlusses eigentümlicher Interessen die Wahrnehmung der besonderen geschäftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder tritt, selbst wenn sämtliche Mitglieder an ihr interessiert sind. An diesen Grundsätzen hält der Senat auch im Streitfall fest.

3. Prüft man anhand dieser Grundsätze die Tätigkeit des Klägers, so ist hervorzuheben, daß die Gütesicherung von Kiesen und Sanden, die als Betonzuschlagstoffe verwendet werden, nicht nur im Interesse aller Erzeuger dieser Stoffe, sondern darüber hinaus auch im Interesse der Allgemeinheit liegt. Das geht schon daraus hervor, daß die Güteüberwachung von Betonzuschlagstoffen in den Bauordnungen aller Länder angeordnet und geregelt ist (vgl. § 30 der Landesbauordnung für das Land Schleswig-Holstein vom 9. Februar 1967, GVBl 1967, 51, § 33 der Landesbauordnung für Baden-Württemberg vom 6. April 1964, Gesetzblatt 1964 S. 151; Art. 25 der Bayerischen Bauordnung vom 1. August 1962, GVBl 1962, 179; § 30 Bauordnung für Berlin vom 29. Juli 1966, GVBl 1966, 1175; § 15 Hamburgische Bauordnung vom 10. Dezember 1969, GVBl 1969, 249; § 26 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juni 1962, GVBl 1962, 373, und § 15 Landesbauordnung für Rheinland-Pfalz vom 15. November 1961, GVBl 1961, 229). Daraus folgt, daß der Kläger, wenn sein Zweck nach Nr. 2.1 der Satzung auch darin besteht, für die Gütesicherung zu werben, insoweit die allgemeinen Belange des ganzen Berufsstandes vertritt. Der Hauptzweck des Klägers besteht jedoch nach Nr. 2.1 seiner Satzung in der Durchführung der Gütesicherung und Überwachung der gleichbleibenden Innehaltung der Gütebedingungen bei seinen Mitgliedern und in der Auszeichnung der Erzeugnisse der Mitglieder, die den Gütebedingungen entsprechen, mit einem Gütezeichen. Es ist dem FG im Ergebnis darin zuzustimmen, daß der Kläger damit die wirtschaftlichen Einzelinteressen seiner Mitglieder vertritt und deshalb kein Berufsverband im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 8 VStG ist. Das ergibt sich allerdings nicht, wie das FG meint, daraus, daß die Mitglieder dadurch einen Wettbewerbsvorteil vor anderen Erzeugern von Betonzuschlagstoffen haben, die nicht Mitglieder des Klägers sind. Der Kläger hat mit Recht darauf hingewiesen, daß auch diese Erzeuger der Güteüberwachung nach den Landesbauverordnungen unterliegen. Die Bauordnung verpflichtet den Bauherrn, nur solche Betonzuschlagstoffe zu verwenden, die den DIN-Vorschriften entsprechen, und dies den Baubehörden nachzuweisen. Dieser Nachweis kann nach der Landesbauordnung für das Land X, wie auch nach den meisten anderen Landesbauordnungen, entweder durch das vom Kläger erteilte Gütezeichen oder durch den Abschluß eines laufenden Überwachungsvertrags mit einer von dem zuständigen Ministerium anerkannten Prüfstelle erbracht werden. Aber gerade dieser Umstand zeigt, daß der Kläger bei der Durchführung dieser Aufgaben die geschäftlichen Einzelinteressen seiner Mitglieder wahrnimmt. Die Mitglieder können ohne eine Überwachung ihre Erzeugnisse nicht mehr als Betonzuschlagstoffe verkaufen. Sie müssen sich in irgendeiner Form dieser Überwachung unterwerfen. Wenn sie es durch den Erwerb der Mitgliedschaft beim Kläger tun, so haben sie damit einen der beiden möglichen Wege gewählt, den Nachweis dafür gegenüber dem Bauherrn zu erbringen, der seinerseits diesen Nachweis den Baubehörden gegenüber führen muß. Es ist dabei unerheblich, daß, wie der Kläger vorträgt, die überwiegende Mehrheit der Erzeuger von Baubetonzuschlagstoffen, sich für diesen Weg entschieden hat. Aus den oben erwähnten "Grundsätzen und Richtlinien für die Gütesicherung" geht hervor, daß das Mitglied das erteilte Gütezeichen "für Werbezwecke verwenden" darf. Es ergibt sich aus diesen Richtlinien ferner, daß zwar die erste Prüfung der Erzeugnisse, die für die Aufnahme des betreffenden Unternehmens als Mitglied des Klägers und die Erteilung des Gütezeichens ausschlaggebend ist, von einer anerkannten amtlichen Prüfstelle durchgeführt wird und der Rechnungsbetrag dafür unmittelbar an die Prüfstelle zu überweisen ist, daß aber die weitere laufende Überwachung von einem Sachverständigen vorgenommen wird, der vom Kläger beauftragt und auch von ihm bezahlt wird. Das FG hat deshalb mit Recht die Mitgliedsbeiträge als pauschalierte Gegenleistung für die laufende Güteüberwachung der Erzeugnisse der Mitgliedsbetriebe angesehen und daraus gefolgert, daß der Kläger einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Es ist dem FG auch darin zuzustimmen, daß die diesem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dienenden Wirschaftsgüter nach § 97 Abs. 2 BewG 1965 einen gewerblichen Betrieb bilden, für den nach § 214 AO ein Einheitswert festzustellen ist. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß in der Vermögensaufstellung des Klägers auf den 1. Januar 1966 Wirtschaftsgüter enthalten sind, die nicht diesem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dienen. Eine Aufteilung dieses Vermögens entsprechend der Aufteilung der Mitgliedsbeiträge nach dem Zweck, für den sie vom Kläger verwendet werden, ist praktisch nicht durchführbar. Das FG hat es deshalb mit Recht gebilligt, daß das FA diese Wirschaftsgüter alle in den Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1966 einbezogen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70229

BStBl II 1973, 39

BFHE 1973, 223

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