Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Schätzung des Jahreswertes eines Bezugsrechtes auf Kaliförderzinsen.

Ist der Nießbrauch an einem Bezugsrecht auf Kaliförderzinsen zwar von unbestimmter Dauer, aber von der Lebenszeit einer Person abhängig, so ist als Kapitalwert der Wert anzusetzen, der sich nach § 16 BewG ergibt.

 

Normenkette

LAG § 16; BewG §§ 15-16, 17 Abs. 3, § 67/1/4, §§ 13-14, 15/3, § 110/1/4

 

Tatbestand

Streitig ist, mit welchem Betrage Kaliförderzinsen, die der Bfin. zustehen, bei der Veranlagung der Vermögensabgabe anzusetzen sind.

Der Bfin., die im Jahre 1888 geboren ist, steht an einem landwirtschaftlichen Betriebe der lebenslängliche Nießbrauch zu. Im Untergrund der landwirtschaftlich genutzten Grundstücksflächen befinden sich Kalisalzlager. Bereits im Jahre 1896 haben verschiedene Grundbesitzer der Gemeinde - darunter vermutlich auch der damalige Eigentümer des genannten Landwirtschaftlichen Betriebes - dem Rechtsvorgänger von zwei Kaliunternehmen vertraglich das ausschließliche Recht eingeräumt, auf ihren in der Feldmark gelegenen Grundstücken nach etwa darin befindlichen Kali-, Stein- und sämtlichen förderungswürdigen Salzen zu bohren und zu graben sowie die hierbei etwa aufgeschlossen werdenden Lager dieser Substanzen, soweit dieselben dem Verfügungsrecht der Grundeigentümer unterliegen und zur bergmännischen Ausbeutung geeignet sind, zu gewinnen, sich anzueignen, beliebig auszunutzen und zu verwerten. Die Dauer des Vertrages wurde auf 80 Jahre festgesetzt. Als Entschädigung für die bergmännische Ausbeutung der dem Vertrage unterliegenden Grundstücke werden seitdem an die Gesamtheit der beteiligten Grundbesitzer Entschädigungen (Förderzinsen) gezahlt. Der Bfin. steht auf Grund ihres Nießbrauches an dem landwirtschaftlichen Betriebe der auf diesen Betrieb entfallende Anteil an den Förderzinsen zu.

Das Finanzamt hat das Recht auf Abbau und Verwertung des Kalisalzvorkommens als Gewerbeberechtigung den beiden Kaliunternehmen steuerlich zugerechnet. Bei der Veranlagung der Bfin. zur Vermögensabgabe ist - neben dem Kapitalwert des Nießbrauches am landwirtschaftlichen Betriebe - auch das Bezugsrecht auf die Förderzinsen mit 69.969 DM als sonstiges Vermögen angesetzt worden. Diesen Betrag hat das Finanzamt errechnet, indem es zunächst von den Erträgen der Jahre 1948 bis 1952 ausgegangen ist und die Steigerung der Jahreserträge 1949 bis 1952 durch einen Zuschlag zum vollen Jahresertrage 1948 berücksichtigt hat. Der so gefundene durchschnittliche Jahresertrag ist mit dem Neunfachen vervielfacht worden.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht schätzte den in Zukunft (ab 21. Juni 1948) im Durchschnitt voraussehbaren Jahreswert des lebenslänglichen Nießbrauches am Bezugsrecht auf die Förderzinsen auf 7.000 DM. Es stellte die von der Bfin. in den Jahren 1938 bis 1956 empfangenen Förderzinsen und die Gesamtproduktionszahlen der westdeutschen Kaliindustrie seit 1945 zusammen. Danach sei der Abbau im Laufe des Krieges und den ersten Nachkriegsjahren infolge der damaligen besonderen Verhältnisse zurückgegangen, so daß eine Schätzung in Anlehnung an diese Jahre den am Währungsstichtage voraussehbaren Verhältnissen nicht entsprechen würde. Es sei vielmehr erkennbar gewesen, daß bei friedensmäßigen Produktionsverhältnissen mindestens die Höchstförderung der Jahre vor dem Stichtage erreicht werden würde, zumal die meisten Kaligruben in der sowjetisch besetzten Zone gelegen hätten. Infolgedessen sei eine Steigerung über die frühere Friedensproduktion voraussehbar gewesen, wenn auch die seit dem Jahre 1950 einsetzende, überaus günstige Wirtschaftsentwicklung am Stichtage noch nicht in diesem Ausmaße zu erwarten gewesen sei. Diese Feststellungen würden durch eine Auskunft des Kalivereins e. V. bestätigt. Bei der Schätzung des zukünftigen durchschnittlichen Jahresförderzinses mit 7.000 DM zog das Finanzgericht den höchsten Förderzins im Kriege mit 6.895 RM zum Vergleich heran, dem übrigens der Zins des Jahres 1949 betragsmäßig genau entsprach. Es setzte insgesamt den Kapitalwert der Nießbrauchsnutzungen - entsprechend dem Lebensalter der Bfin. - mit einem Betrage von 77.000 DM (11 x 7.000 DM) an, der nach der in den Urteilsgründen enthaltenen Berechnung unter dem Substanzwerte liegt.

Mit der Rb. rügt die Bfin. den Ansatz von 7.000 DM Jahreswert für das Bezugsrecht auf die Kaliförderzinsen. Von der Schau des Jahres 1948 (21. Juni) aus gesehen, sei die Schätzung zu hoch. Der Kapitalwert des Nießbrauches an den Förderzinsen dürfe bei ihr (einer Nießbraucherin) nicht höher angesetzt werden als bei den Eigentümern der landwirtschaftlichen Betriebe. Da es sich bei den Förderzinsen um Nutzungen von unbestimmter Dauer handle, käme nur eine Bewertung mit dem Neunfachen des Jahreswertes in Betracht.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet

Die Förderzinsen stellen den wertmäßigen Inhalt des Nießbrauches der Bfin. am Kalisalzlager dar; in ihnen findet das dingliche Recht der Bfin., die noch ungeförderten Salze zu fördern und zu verwerten, seinen materiellen Niederschlag (vgl. Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 58 Anm. 8). Das der Vermögensabgabe zu unterwerfende Wirtschaftsgut besteht somit in dem auf dem Nießbrauch beruhenden Anspruch der Bfin. auf die Förderzinsen, also in einem Rechte auf wiederkehrende Nutzungen im Sinne des § 67 Abs. 1 Ziff. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) - vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 17/40 vom 19. September 1940, RStBl 1940 S. 1062, und Urteil des Bundesfinanzhofs III 270/56 S vom 28. Dezember 1956, BStBl 1957 III S. 63, Slg. Bd. 64 S. 167 -. Die Berechnung des Kapitalwertes hat auf den 21. Juni 1948 nach §§ 15 ff. BewG auf der Grundlage der einzelnen künftigen Jahreswerte zu erfolgen.

1. Da die Höhe der Förderzinsen am Stichtage (21. Juni 1948) ungewiß war, muß als Jahreswert der Betrag zugrunde gelegt werden, der nach dem damaligen Zeitpunkte in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden würde (ß 17 Abs. 3 BewG). Grundsätzlich darf dabei die spätere bessere Erkenntnis nicht verwertet werden. Andererseits hat der erkennende Senat in dem Urteil III 200/55 S vom 13. Januar 1956 (BStBl 1956 III S. 62, Slg. Bd. 62 S. 165) ausgeführt, bei Ermittlung des Jahreswertes ungewisser Nutzungen könnten auch nach dem Stichtage eingetretene und an diesem Zeitpunkte voraussehbare Umstände berücksichtigt werden. Das Finanzgericht hat bei seiner Ermittlung der durchschnittlichen Jahresförderzinsen diese Grundsätze nicht verletzt. Es hat sich im wesentlichen auf die Förderzinsen der dem Stichtage vorangegangenen Jahre gestützt. Es brauchte dabei nicht, wie die Bfin. begehrt den Durchschnitt von 10 Jahren vor der Währungsreform anzusetzen. Denn alsdann wären die in den letzten Kriegs- und in den ersten Nachkriegsjahren außergewöhnlichen wirtschaftlichen und technischen Schwierigkeiten auf die normale Friedensproduktion rechnerisch übertragen worden. Es war vielmehr am Stichtage zu übersehen, daß die Wirtschaft im allgemeinen in normale friedensmäßige Verhältnisse übergeleitet werden würde; insbesondere hatte die Kaliförderung in Westdeutschland bei dem vorhandenen Nachholbedarf der Landwirtschaft erhebliche Ertragssteigerungen gegenüber den letzten RM-Jahren zu erwarten, zumal ein größerer Teil der Deutschen Kalisalzlager in der sowjetisch besetzten Zone lag. Ein im Ergebnis etwa gleicher Standpunkt ergibt sich aus der Auskunft des Kalivereins e. V. vom 11. Januar 1955, die im Urteil des Finanzgerichts wiedergegeben ist. Wenn die Vorinstanz unter diesen Umständen die Förderzinsen unter Verwertung des Ergebnisses des Jahres 1941 als zukünftigen Jahresdurchschnitt ansetzte, so ist das nicht zu beanstanden; der Betrag hält sich im Rahmen der dem Finanzgericht zustehenden Schätzung und führt zu keinem die Bfin. unbillig belastenden Ergebnisse. Denn die Beurteilung der am Stichtage für die Zukunft zu erwartenden Absatzsteigerungen und die Ausschaltung der Förderungshindernisse der letzten Vergangenheit stellen keine unrichtige Auslegung von § 17 Abs. 3 BewG dar. Von einer unzulässigen Berücksichtigung der späteren Hochkonjunktur kann keine Rede sein. Aus dem gleichen Grunde entfallen die Ausführungen der Bfin., der Kalibergbau werde vielleicht später aus politischen oder technischen Gründen als unrentabel eingestellt werden. Für die letztere, zudem im Rechtsbeschwerdeverfahren verspätet vorgebrachte Behauptung bieten die Verhältnisse am Stichtage keinen Anhalt.

Soweit das Berufungsurteil die Förderzinsen des Jahres 1949 heranzieht, handelt es sich um Erwägungen, die das Urteil nicht tragen, sondern ausdrücklich nur zur Bestätigung der vom Finanzgericht bereits anderweit ermittelten Schätzung angestellt worden sind, so daß hierdurch das Stichtagsprinzip nicht verletzt worden ist.

2. Hinsichtlich des Bezugsrechtes auf die Förderzinsen handelt es sich um Nutzungen von unbestimmter Dauer. Derartige Nutzungen sind nach § 15 Abs. 2 BewG vorbehaltlich des § 16 mit dem Neunfachen des Jahreswertes zu bewerten. Der Auffassung der Bfin., daß in ihrem Falle eine Bewertung mit dem Neunfachen des Jahreswertes in Betracht komme, kann nicht gefolgt werden. Der Zusatz in § 15 Abs. 2 BewG "vorbehaltlich des § 16" bedeutet, daß die Berechnung nach dieser Vorschrift (hier Ansatz mit dem Elffachen des Jahreswertes) für die in ihr geregelten Fälle den Vorrang vor der Berechnung mit dem Neunfachen des Jahreswertes hat (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs I A 128/26 vom 30. November 1926, RStBl 1927 S. 81, Slg. Bd. 20 S. 60, und Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 15 Anm. 7). Daß im Falle der Bfin. der Kapitalwert gegebenenfalls höher ist als bei dem Eigentümer eines entsprechenden landwirtschaftlichen Betriebes, findet eine gewisse Berechtigung darin, daß bei der Bewertung nach § 16 BewG unter bestimmten Voraussetzungen die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern nach der wirklichen Dauer der Nutzung berichtigt wird, was bei einer Bewertung nach § 15 Abs. 2 BewG nicht vorgesehen ist. Der sich bis zu einem Lebensalter bis zu 63 Jahren gegenüber § 15 Abs. 2 BewG ergebenden höheren Bewertung steht im übrigen ab dem 66. Lebensjahre eine niedrigere gegenüber.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410190

BStBl III 1961, 477

BFHE 1962, 584

BFHE 73, 584

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