Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Umsatzsteuerpflicht eines Unternehmers, der in seinem Laden neben Lieferungen auf eigene Rechnung auch Leistungen für einen anderen Unternehmer vermittelt.

 

Normenkette

UStG § 1/1/1, § 2/1

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) betreibt einen Einzelhandel mit Textilien, vor allem Strümpfen und Trikotagen, bezeichnet sich aber als "Strumpfzentrale". In den Jahren 1950 bis 1952 bestand in ihrem Hauptgeschäft und seit April 1952 in ihrem Zweiggeschäft je eine Annahmestelle eines anderen Unternehmens, das Ausbesserungen von Laufmaschen in Strümpfen vornahm. In jeder Annahmestelle war eine Repassiererin des die Strumpfausbesserungen durchführenden Unternehmens tätig, die teilweise im Schaufenster der Bfin. an derartigen Ausbesserungen arbeitete. Das Hauptgeschäft trug im Schaufenster, an der Eingangstüre und im Inneren Schilder, die auf das andere Unternehmen als das die Ausbesserungsarbeiten vornehmende hinwiesen, während das Zweiggeschäft keine derartigen Hinweise enthielt. Zwei dieser Schilder wiesen die Aufschrift "Maschen-Annahme" und darunter in wesentlich kleinerer Schrift den Namen des die Ausbesserungen durchführenden Unternehmens auf, das Schild im Schaufenster trug die Aufschrift "Laufmaschen-Schnellreparatur" und wiederum in erheblich kleinerer Schrift darunter den Namen jenes anderen Unternehmens. Die Beutel, in denen die Kunden ihre ausgebesserten Strümpfe zurückerhielten, und die Kassenzettel trugen einen Stempelaufdruck in roter Farbe, der das Wort "Strumpfzentrale" und die Firmenbezeichnung der Bfin. in einer ins Auge fallenden Weise enthielten und überdies nur den Namen des Unternehmens, das die Ausbesserungen vornahm. Für dieses Unternehmen war in dem Hauptgeschäft der Bfin. ein eigener Annahmeschalter eingerichtet.

Die Bfin. hat 30 v. H. der für die Strumpfausbesserungen gezahlten Entgelte als Provision erhalten und begehrt, damit nur insoweit zur Umsatzsteuer herangezogen zu werden. Das Unternehmen, das die Ausbesserungen durchführt, hat nur hinsichtlich der ihr verbliebenen 70 v. H. der Entgelte Umsatzsteuer entrichtet. Die Vorinstanzen haben die Bfin. wegen der vollen Ausbesserungsentgelte zur Umsatzsteuer herangezogen.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes, ein Verstoß wider den klaren Akteninhalt und das Vorliegen wesentlicher Verfahrensmängel geltend gemacht und ausgeführt, die Schilder, die Kassenzettel und das Verpackungsmaterial hätten die Kunden ausreichend darauf hingewiesen, daß die Bfin. hinsichtlich der Strumpfausbesserungen nur Annahmestelle für ein anderes Unternehmen gewesen sei. Sie sei somit nur als Handelsvertreter für die Vermittlung sonstiger Leistungen tätig geworden. Die Rechtsprechung über die Verkäufe im eigenen Laden könnte bei Vermittlung sonstiger Leistungen nicht in Betracht kommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Mit der Rb. wird zwar das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels geltend gemacht, jedoch nicht ausgeführt, worin ein solcher zu erblicken sei. Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerdebegründung verspätet eingegangen, so daß sich die Bfin. auch schon aus diesem Grunde nicht auf einen wesentlichen Verfahrensmangel berufen könnte (§§ 289, 290 der Reichsabgabenordnung - AO -). Auch darüber enthält die Rb. nichts, inwiefern ein Verstoß wider den klaren Akteninhalt vorliege. Ein solcher ist nicht erkennbar. Die Ausführungen der Rb. rügen vielmehr lediglich, daß auf den Tatbestand das bestehende Recht nicht richtig angewendet worden sei.

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil V 196/55 U vom 12. April 1956 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 169) einen ähnlichen Fall zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden und ausgeführt, daß die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über Verkäufe im eigenen Laden nicht auf Fälle ausgedehnt werden kann, in denen der Unternehmer neben Lieferungen auf eigene Rechnung auch von ihm nicht ohne weiteres zu erwartende Leistungen für einen anderen Unternehmer vermittelt. Jener Fall wies aber doch Verschiedenheiten gegenüber dem vorliegenden Falle auf, weil dort die Strumpfausbesserungen von einem Unternehmer, der neben Textilwaren allgemein auch noch Tabakwaren im Einzelhandel vertrieb, für einen anderen Unternehmer angenommen wurden. Schon mit jener Entscheidung ist ausgeführt worden, daß Zweifel berechtigt sein könnten, wenn es sich um ein Geschäft handelte, in dem lediglich Strümpfe verkauft würden. Im vorliegenden Falle werden in dem Unternehmen der Bfin. zwar nicht lediglich Strümpfe verkauft, sie bezeichnet sich aber als "Strumpfzentrale". Solchenfalls müssen, wenn sich die Annahmestelle für Strumpfausbesserungen auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 196/55 U berufen will, schon ganz besondere Vorkehrungen getroffen sein, damit die Kunden, die Strümpfe mit Laufmaschen zur Ausbesserung einliefern, eindeutig zu der überzeugung kommen, daß sie insoweit nicht mit dem Ladeninhaber, sondern mit dem Inhaber eines anderen Unternehmens in unmittelbare Rechtsbeziehungen treten. Die Vorinstanz hat ohne Rechtsirrtum die Maßnahmen der Bfin. als insoweit nicht ausreichend erachtet. Die Hinweisschilder im Schaufenster, an der Ladentüre und an dem Schalter im Laden vermitteln dem Kunden nur den Eindruck, daß dort Strümpfe mit Laufmaschen zur Ausbesserung angenommen werden. Das genügt dem Kunden in der Regel. Er will von weiterem gar keine Kenntnis nehmen und liest darum gewöhnlich trotz des besonderen Annahmeschalters im Hauptgeschäft nicht die auf den Schildern in kleinerer Schrift kenntlich gemachte Firma des anderen Unternehmens. Wenn Personen im Schaufenster arbeiten und dabei für die Ausbesserungen Reklame machen, achten erfahrungsgemäß die Vorübergehenden überhaupt nicht mehr auf Schilder mit Ankündigungen, sondern nehmen zur Kenntnis, daß in dieser "Strumpfzentrale" auch Strümpfe ausgebessert werden. Der rote Stempelaufdruck auf den Kassenzetteln und Warenbeuteln macht den Kunden auch nur in einer ins Auge fallenden Weise auf den Namen der Bfin. aufmerksam, während er den in weißer Schreibschrift in einem Kreise mit rotem Grunde eingetragenen Namen des anderen Unternehmens entweder überhaupt nicht wahrnimmt oder für eine Arabeske ansieht.

Bei dieser Sachlage konnte die Vorinstanz von der Anhörung von Kunden darüber, mit wem sie in unmittelbare Rechtsbeziehungen getreten seien, absehen und entsprechend der in soweit auch für die Vermittlung von sonstigen Leistungen zu beachtenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs über Verkäufe im eigenen Laden die Umsatzsteuerpflicht der Bfin. hinsichtlich der vollen Erlöse für die Strumpfausbesserungen bejahen. Die Rb. ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 424002

BStBl III 1956, 260

BFHE 63, 167

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