Leitsatz (amtlich)

Der Senat tritt dem Urteil des IV. Senats IV 300/64 (BFH 89, 422, BStBl III 1967, 690) darin bei, daß die bisher eingetretene Geldwertminderung bei der Besteuerung der Einkünfte auf Kapitalvermögen nicht durch einen Abschlag vom Nennbetrag der Kapitalzinsen berücksichtigt werden kann. Das gilt auch für das Jahr 1963.2. Der Geldwertschwund bei Spareinlagen und festverzinslichen Wertpapieren kann auch nicht als Werbungskosten angesetzt werden.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2; EStG 1961 §§ 9, 20

 

Tatbestand

Der Stpfl. ist ein leitender Angestellter im Ruhestand. Er bezog im Jahr 1963 ein Ruhegehalt von 7 800 DM, eine Angestelltenrente von rd. 4 300 DM und Einnahmen aus Kapitalvermögen von rd. 4 700 DM. Er besaß zum 1. Januar 1963 Sparkonten von rd. 11 000 DM sowie Aktien, Pfandbriefe und Schuldverschreibungen im Wert von rd. 80 000 DM. Er beantragte bei der Einkommensteuerveranlagung 1963 bei den Einkünften aus Kapitalvermögen 4 % des Nennwerts seiner Sparkonten und festverzinslichen Wertpapiere wegen der Minderung des Geldwerts dieser Anlagen als Werbungskosten abzusetzen. Das FA setzte ihm nur den Werbungskosten-Pauschbetrag von 300 DM ab.

Der Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus, im Streitjahr 1963 sei zwar der Wert der DM gesunken, weil die Preise für Güter und Dienstleistungen durchschnittlich gestiegen seien. Davon seien vor allem die Besitzer von Geld und die Gläubiger von Geldforderungen, z. B. von Bankguthaben, Darlehen und festverzinslichen Wertpapieren, betroffen. Die Minderung des Geldwerts könne aber bei der Einkommensteuerveranlagung nicht berücksichtigt werden. Werbungskosten könne man nur annehmen, wenn der Stpfl. einen Aufwand gemacht habe. Der Aufwand könne zwar auch in der Wertminderung eines Gegenstandes bestehen. Eine Wertminderung könne aber als Werbungskosten nur angesetzt werden, wenn sie sich in DM beziffern lasse. Diese Voraussetzung sei bei der Wertminderung der DM nicht gegeben. Eine Forderung von 1 000 DM bleibe eine Forderung von 1 000 DM, auch wenn der Stpfl. mit den 1 000 DM nur Waren kaufen könne, die er zur Zeit der Entstehung der Forderung für 960 DM oder noch weniger hätte kaufen können.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision, mit der der Stpfl. Verletzung von Bundesrecht rügt, ist unbegründet.

Der IV. Senat des BFH hat in der Grundsatzentscheidung IV 300/64 vom 27. Juli 1967 (BFH 89, 422, BStBl III 1967, 690) ausgesprochen, daß mindestens die bis zum Jahr 1961 eingetretene Geldentwertung bei der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht durch einen Abschlag vom Nennbetrag der Kapitalzinsen berücksichtigt werden könne. Der IV. Senat hatte dem BdF, der Deutschen Bundesbank, dem Deutschen Industrie- und Handelstag, der Gemeinschaft zum Schutz des Deutschen Sparers, dem Bundesverband des privaten Bankgewerbes und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Alle gehörten Stellen hielten die steuerliche Berücksichtigung der Geldentwertung für nicht möglich. Der IV. Senat hat seine Entscheidung vor allem auf die Währungsgesetzgebung gestützt und hat im übrigen dargelegt, daß das geltende Recht nicht gegen Verfassungsgrundsätze verstoße. Der erkennende Senat tritt der Rechtsauslegung des IV. Senats in vollem Umfang bei.

Der vorliegende Fall betrifft zwar nicht das Jahr 1961, sondern das Jahr 1963. Aber für das Jahr 1963 ist eine andere Beurteilung als für das Jahr 1961 nicht möglich, da sich im Jahr 1963 die Verhältnisse gegenüber dem Jahr 1961 in den wesentlichen Punkten nicht geändert haben. Der Preisindex für Lebenshaltungskosten stieg zwar gemäß der Tabelle 35 des Zweiten Jahresgutachtens des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Deutscher Bundesrat Drucksache 589/65 S. 77) gegenüber 2,3 % im Jahre 1961 auf 3 % im Jahre 1962 und auf weitere 3 % im Jahre 1963. Eine darin zum Ausdruck kommende allgemeine Minderung des Geldwerts rechtfertigt es aber nicht, den währungsrechtlichen Grundsatz DM = DM (sogenanntes Nominalwertprinzip) außer Betracht zu lassen.

Wie der BdF in seiner Stellungnahme im Verfahren IV 300/64 zutreffend ausgeführt hat, kann ein Geldwertschwund nicht als Werbungskosten bei den Einnahmen aus Kapitalvermögen abgezogen werden. Werbungskosten sind die Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 EStG). Sinkt die Kaufkraft, so mindert sich zwar der Wert von Geldforderungen, besonders der Spareinlagen und festverzinslichen Wertpapiere. Ein solcher Wertverlust betrifft jedoch nicht das Einkommen, sondern die Vermögenssubstanz und kann daher bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ebensowenig als Werbungskosten angesetzt werden wie andere Kapitaleinbußen, z. B. durch Verluste bei Aktien oder GmbH-Anteilen (Urteile des Senats VI 13/57 U vom 1. August 1958, BFH 67, 300, BStBl III 1958, 390; VI 233-235/62 vom 10. Oktober 1963, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 10 Abs. 1 Nr. 2, Rechtsspruch 76, und VI 279/65 vom 5. Oktober 1966, BFH 87, 64, BStBl III 1967, 37).

Entgegen der Ansicht des Stpfl. ist auch aus dem Altsparergesetz und dem Lastenausgleich nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber am Nominalwertprinzip nicht mehr festhalten will. Der Gesetzgeber hat an dem Nominalwertprinzip bis heute festgehalten. Der Bundestag hat es z. B. ausdrücklich abgelehnt, im Aktiengesetz vom 6. September 1965 (BGBl I 1965, 1089) wegen der steigenden Wiederbeschaffungspreise von Anlagegütern eine Substanzerhaltungsrücklage (Anlagenerhaltungsrücklage) zuzulassen (Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode, S. 32/33 des schriftlichen Berichts des Rechtsausschusses - 12. Ausschuß - zu Drucksache IV/3296 sowie Seite 9234 und 9413 der Protokolle über die 184. und 187. Sitzung des Deutschen Bundestages).

Der Senat verkennt nicht, daß die Minderung der Kaufkraft Härten mit sich bringen kann, vor allem, wenn die Einkünfte aus dem ersparten Kapital ganz oder teilweise dem Lebensunterhalt von Rentnern dienen müssen. Wie aber der IV. Senat eingehend dargelegt hat, bietet das geltende Recht keine Möglichkeit, dieser Tatsache Rechnung zu tragen. Im übrigen steht es jedem Steuerpflichtigen frei, seine Alterssicherung so anzulegen, wie es ihm jeweils am günstigsten erscheint. Entscheidet sich der Steuerpflichtige z. B. zum Erwerb von festverzinslichen Wertpapieren, so hat er zwar Geldforderungen, die der Geldwertminderung stärker ausgesetzt sind als z. B. Aktien. Andererseits werfen solche Wertpapiere aber gewöhnlich auch einen höheren Ertrag ab als Aktien.

Der Stpfl. hatte die Verfassungswidrigkeit der geltenden steuerrechtlichen Regelung bereits bei den Einkommensteuer-Veranlagungen 1961 und 1962 gerügt, und hatte gegen das klageabweisende Urteil des FG Verfassungsbeschwerde eingelegt, die aber gemäß § 93a Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen wurde (Az. 1 BvR 733/64).

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 143

BFHE 1968, 396

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