Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Die Dienstwohnung eines Kirchendieners (Organistenwohnung) verliert den Charakter der Dienstwohnung, wenn die Räume nicht mehr einem bestimmten Stelleninhaber zugewiesen, sondern an Dritte vermietet werden.

Ein Grundstück einer Kirchengemeinde kann nicht deshalb als Dienstgrundstück eines Kirchendieners gelten, weil der Ertrag des Grundstückes zur Besoldung des Kirchendieners verwendet wird.

 

Normenkette

GrEStG § 4/5/c

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.), eine ev. luth. Kirchengemeinde, ist Eigentümerin eines Grundstücks, das bis zum Jahre 1952 außer der Schule noch die Lehrer- (Organisten-) Wohnung enthielt. Bei der Grundsteuerhauptveranlagung 1938 wurde lediglich die Schule von der Grundsteuer befreit, nicht dagegen die Organistenwohnung. Nach Erlaß des Gesetzes zur änderung des Grundsteuergesetzes vom 10. August 1951 (BGBl 1951 I S. 515) stellte das Finanzamt vom 1. April 1951 ab auch die Organistenwohnung von der Grundsteuer frei. Im Jahre 1957 wurde jedoch dem Finanzamt bekannt, daß das Grundstück infolge des Neubaues einer Schule mit Lehrerdienstwohnung schon seit Mitte des Jahres 1952 nicht mehr seinen früheren Zwecken (Schule und Organistenwohnung), sondern nur Wohnzwecken diente. Im Gebäude des Grundstücks waren - nach teilweisem Umbau - weitere Wohnungen eingerichtet und an zwangsweise eingewiesene Personen vermietet worden. Das Finanzamt nahm daher für das ganze Grundstück zum 1. Januar 1953 eine Nachfeststellung des Einheitswerts und eine Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrags vor.

Die Bfin. ist der Auffassung, daß das Grundstück als Dienstgrundstück eines Kirchendieners (Küsters) von der Grundsteuer zu befreien sei. Die Vermietung der Wohnungen an kirchenfremde Personen verändere den Charakter als Dienstgrundstück nicht, da die Mieteinnahme zur Besoldung des Küsters diene. Das Grundstück sei zwar gegenwärtig an zwangsweise eingewiesene Personen vermietet, aber dieser Zustand bleibe nicht. Der derzeitige Lehrer der Volksschule könne den Organistendienst nicht übernehmen, weil er das Orgelspiel nicht beherrsche. über kurz oder lang werde aber ein Organist angestellt werden müssen. Diesem werde dann das Grundstück als Wohnung zugewiesen werden.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht vor allem auf folgenden Erwägungen: Eine Befreiung als "Dienstwohnung eines Kirchendieners" komme nicht in Betracht, weil sämtliche Wohnungen an kirchenfremde Personen vermietet seien; die Absicht, das Grundstück später wieder als Dienstwohnung des Organisten zu verwenden, könne nicht berücksichtigt werden. Auch eine Befreiung als "Dienstgrundstück eines Kirchendieners" müsse abgelehnt werden. Dienstgrundstücke von Geistlichen und Kirchendienern seien nicht Mietwohngrundstücke, sondern nur ertragbare Ländereien, die Geistlichen oder Kirchendienern von ihrer Dienstbehörde in Anrechnung auf das Diensteinkommen oder in anderer Weise zu Besoldungszwecken derart überwiesen seien, daß der Stelleninhaber über Nutzungsart und Ertrag frei zu befinden befugt und in der Lage sei. Das treffe hier nicht zu.

Mit der Rechtsbeschwerde wird unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs seien auch die mit Rücksicht auf die Wohnungsnot an Außenstehende vermieteten Räume einer Pfarrerdienstwohnung steuerbefreit, wobei es nicht darauf ankomme, ob Untervermietung durch den Dienstwohnungsinhaber oder unmittelbare Vermietung durch die Kirchengemeinde selbst vorliege. Im Streitfalle lägen entsprechende Verhältnisse vor. Vor allem müsse aber das Grundstück als Dienstgrundstück von der Grundsteuer befreit werden. Die Ansicht des Finanzgerichts, als Dienstgrundstücke könnten keine Wohngrundstücke in Betracht kommen, fände in den Grundsteuer-Richtlinien keine Stütze. Dienstgrundstücke seien jede Art von Grundbesitz, der zu einem Stellenfonds gehöre, d. h. dessen Ertrag zur Besoldung eines kirchlichen Stelleninhabers diene. Diese Voraussetzung sei erfüllt, da die Mieteinnahme aus dem Hause zur Besoldung des Küsters verwendet werde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.

Die Feststellung des Einheitswerts und die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags zum 1. Januar 1953 umfassen sowohl die bis dahin steuerbefreite Schule als auch die bis dahin steuerbefreite Organistenwohnung. Soweit die Rechtsbeschwerde sich gegen die Versagung der Steuerbefreiung für die ehemaligen Schulräume richtet, ist sie unbegründet; denn die Umwandlung von bisher steuerbefreiten Schulräumen in Wohnungen bringt den Wegfall der Steuerbefreiung mit sich (ß 4 Ziff. 7 und § 5 des Grundsteuergesetzes - GrStG -).

Aber auch für die bisherige Organistenwohnung muß die Steuerbefreiung nach dem Stande vom 1. Januar 1953 versagt werden. Es trifft zu, daß Dienstwohnungen und Dienstgrundstücke von Geistlichen und Kirchendienern in dem Umfange von der Grundsteuer befreit sind, in dem sie nach den vor dem 1. April 1938 geltenden landesgesetzlichen Vorschriften befreit waren (ß 4 Ziff. 5 c GrStG). Die Vorinstanzen haben nicht ausdrücklich angegeben, welche früheren landesgesetzlichen Vorschriften hier anzuwenden sind. Aus der Belegenheit des Grundstücks ergibt sich jedoch zweifelsfrei, daß die früheren landesgesetzlichen Vorschriften von Preußen anzuwenden sind. Davon gehen auch offenbar die Beteiligten aus.

Nach den maßgebenden landesgesetzlichen Vorschriften (ß 15 Abs. 1 des Gesetzes über die Erhebung einer vorläufigen Steuer vom Grundvermögen vom 14. Februar 1923 - Preußische Gesetzsammlung S. 29 - in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Buchstabe k des Preußischen Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 - Preußische Gesetzsammlung S. 152 -) waren Dienstwohnungen und Dienstgrundstücke von Geistlichen und Kirchendienern vor dem 1. April 1938 insoweit von den Steuern vom Grundvermögen befreit, als ihnen bisher Steuerbefreiung zugestanden hatte.

Wie sich aus der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zu diesen Vorschriften ergibt, war eine steuerfreie Dienstwohnung nur vorhanden, wenn dem Stelleninhaber die Wohnungsbenutzung auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses nach der Bestimmung der Dienstbehörde als Teil des Diensteinkommens zugewiesen worden war. Dabei mußte es sich um bestimmte Räume und um einen bestimmten Stelleninhaber handeln, und die Zuweisung mußte sowohl rechtlich als auch tatsächlich erfolgt sein (Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. März 1910, Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Bd. 56 S. 174). Diese Voraussetzungen waren, wie die Vorinstanzen zutreffend festgestellt haben, bei der früheren Dienstwohnung des Organisten am 1. Januar 1953 nicht mehr gegeben. Die Dienstwohnung eines Kirchendieners verliert den Charakter der Dienstwohnung, wenn die Räume nicht mehr einem bestimmten Stelleninhaber zugewiesen, sondern an Dritte vermietet werden. Die Bfin. beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des erkennenden Senats III 109/53 S vom 21. August 1953 (BStBl 1953 III S. 286, Slg. Bd. 57 S. 754), in dem zu entscheiden war, ob fremdvermietete Räume einer Pfarrerdienstwohnung durch überlassung an Außenstehende den Charakter einer Dienstwohnung beeinflussen. Dies ist für den Fall verneint worden, daß die überlassung mit Rücksicht auf die Wohnungsnot und nur für begrenzte Zeit erfolgt. In dem hier in Betracht kommenden Grundstück waren jedoch am maßgebenden Stichtage (1. Januar 1953) Räume des Hauses einem Kirchendiener zur Benutzung überhaupt nicht zugewiesen, so daß auch keine Dienstwohnung mehr vorlag.

Unter den Begriff "Dienstgrundstücke" fielen nach der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts alle Grundstücke der Kirchengemeinden, die unmittelbar zur Unterhaltung der Stelleninhaber bestimmt waren und über deren Nutzungsart und Erträgnis der Stelleninhaber zu befinden befugt war (vgl. Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts vom 5. April 1910, Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Bd. 56 S. 178, und die dort angegebenen weiteren Entscheidungen). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung der Vorinstanz zutreffend ist, daß stets nur "ertragbare Ländereien" den Begriff des Dienstgrundstücks erfüllen können; in der Regel wird es sich bei echten Dienstgrundstücken um solchen Grundbesitz handeln. Das streitige Grundstück ist aber schon allein deshalb nicht als Dienstgrundstück anzusehen, weil es keine Stelleninhaber zum freien Befinden über Nutzungsart und Erträgnisse überwiesen worden ist. Als Dienstgrundstück eines Kirchendieners kann jedoch - entgegen der Auffassung der Bfin. - ein Grundstück einer Kirchengemeinde nicht schon deshalb gelten, weil dessen Ertrag von der Kirchengemeinde zur Besoldung eines Kirchendieners verwendet wird.

Die weitere Frage, ob das Grundstück der Bfin. im Falle einer späteren Zuweisung von Räumen des Hauses als Dienstwohnung an einen Organisten insoweit von der Grundsteuer zu befreien sein würde, braucht hier nicht entschieden zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409428

BStBl III 1959, 368

BFHE 1960, 283

BFHE 69, 283

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