Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug und Vorsteuerberichtigung bei vorübergehender Nichtvermietung

 

Leitsatz (NV)

1. Bei mehreren nebeneinander bestehenden Mietverträgen über Räume in einem Gebäude ist für eine Berichtigung von Vorsteuerbeträgen auf die einzelnen Nutzungsverhältnisse und nicht die Verwendung des gesamten Gebäudes abzustellen.

2. Das Leerstehen der für die Vermietung vorgesehenen Räume ist keine für den Vorsteuerabzug maßgebende Verwendung. Der Vorsteuerberichtigungszeitraum wird dadurch nicht verkürzt. Erst die spätere tatsächliche Weiterverwendung entscheidet darüber, ob die Vorsteuer auch für die Zeit des Leerstehens des Gebäudes zu berücksichtigen ist.

 

Normenkette

UStG 1980 § 15a Abs. 1-2

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die Eheleute B, erwarben 1981 ein bebautes Grundstück. Nach Fertigstellung von Umbau- und Sanierungsarbeiten wurde das Erdgeschoß des Gebäudes ab Februar 1983 vom Kläger (Ehemann) als Arztpraxis genutzt, während die Räume im Ober- und Dachgeschoß seitdem als Büroräume an zwei verschiedene gewerbliche Mieter umsatzsteuerpflichtig vermietet wurden.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) ließ die auf die Büroräume entfallenden Vorsteuerbeträge aus den Umbau- und Sanierungskosten in Höhe von 74 232 DM zum Abzug zu.

Die Büroräume wurden von den Mietern spätestens Ende 1984 geräumt und standen seitdem zunächst leer, da die bereits im Oktober 1984 von den Klägern aufgenommenen Bemühungen um eine Neuvermietung erfolglos geblieben waren. Ab 1. Mai 1985 vermieteten die Kläger sodann eine Büroeinheit (51,12 qm) an ihre Tochter zu Wohnzwecken. Die andere Büroeinheit konnten die Kläger nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) erst ab 1. Mai 1986 wieder an einen gewerblichen Mieter vermieten.

Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung nahm das FA für das Streitjahr (1985) eine Vorsteuerberichtigung mit 1/10 des als abziehbar anerkannten Vorsteuerbetrags vor. Es ging davon aus, daß das Gebäude ein einheitliches Wirtschaftsgut (Abschn. 216 Abs. 3 Satz 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien -- UStR -) sei, so daß ab Zeitpunkt des Leerstehens der Büroräume (bezogen auf das Gebäude als Einheit insgesamt) nur noch eine den Vorsteuerabzug ausschließende Nutzung vorgelegen habe.

Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machten die Kläger im wesentlichen geltend, daß das Leerstehen von bislang steuerpflichtig vermieteten Räumen nicht zur Vorsteuerberichtigung berechtige.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Zur Begründung führt es aus: Bei Gebäuden mit mehreren Raum-/Nutzungseinheiten und deswegen unterschiedlichen, nebeneinander laufenden Nutzungsverhältnissen sei die Frage der Änderung der Verwendungsverhältnisse i. S. des § 15 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) für jedes Nutzungsverhältnis gesondert zu beurteilen. Daß ein solches Gebäude zeitweise ausschließlich vorsteuerabzugsschädlich verwendet werde, weil einzelne zuvor steuerpflichtig vermietete Räume (mangels Vermietbarkeit) vorübergehend leerständen, löse deshalb keine Berichtigung der darauf entfallenden Vorsteuerbeträge aus. Durch vorübergehende Nichtvermietung änderten sich die Verwendungverhältnisse nicht.

Zeitweise Nichtvermietung (Nichtverwendung) habe zur Folge, daß sich der maßgeb liche Berichtigungszeitraum entsprechend verkürze und sich damit der Berichtigungsbetrag je Kalenderjahr entsprechend erhöhe.

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1992, 96 und in der Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 1992, 148 abgedruckt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 15 a UStG 1980. Zur Begründung stützt es sich auf seinen bereits im Vorverfahren eingenommenen Standpunkt.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger treten der Revision entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts entfallenden Vorsteuerbeträge ist vorzunehmen, wenn sich bei diesem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung (sog. Erstjahr) für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb des Berichtigungszeitraums -- von fünf Jahren bzw. bei Grundstücken von zehn Jahren (Erstjahr und sog. Folgejahre) -- ändern (§ 15 a Abs. 1 UStG 1980).

Unter den im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung des Wirtschaftsguts für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen sind die Umstände der Umsätze zu verstehen, die der Unternehmer mittels des bezeichneten Wirtschaftsguts ausgeführt hat. Aufgrund dieser Umsätze ist gemäß § 15 Abs. 2 und 3 UStG 1980 zu entscheiden, ob der Vorsteuerabzug bei der Anschaffung oder der Herstellung des Wirtschaftsguts ganz oder teilweise ausgeschlossen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 14. Mai 1992 V R 79/87, BFHE 168, 462, BStBl II 1992, 983).

a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß für die Frage, ob sich bei einem Gebäude mit mehreren Raumeinheiten (Nutzungseinheiten) und deswegen unterschiedlichen, nebeneinander laufenden Nutzungsverhältnissen die Verhältnisse i. S. von § 15 a Abs. 1 UStG 1980 ändern, nicht auf das Gebäude als ganzes, sondern auf die das jeweilige Nutzungsverhältnis betreffende Raumeinheit abzustellen ist. Dies hat der erkennende Senat mit Urteilen vom 12. November 1987 V R 141/83 (BFHE 152, 274, BStBl II 1988, 468 unter II. b) und vom 10. August 1989 V R 30/85 (BFH/NV 1990, 397) für die Frage, ob eine vorsteuerabzugsschädliche Verwendung i. S. des § 15 Abs. 2 UStG 1980 vorliegt, entschieden. Für § 15 a UStG 1980, der auf die entsprechende Verwendung in den Folgejahren abhebt, muß Entsprechendes gelten.

b) Nicht zu folgen vermag der Senat dagegen der Auffassung des FG, durch eine vorübergehende Nichtvermietung von Raumeinheiten änderten sich die Verhältnisse nicht i. S. des § 15 a UStG 1980.

Wie der ebenfalls für Umsatzsteuersachen zuständige XI. Senat des BFH im Urteil vom 12. Mai 1993 XI R 64, 65/90 (BFHE 172, 152, BStBl II 1993, 849) entschieden hat, kann eine Änderung der Verhältnisse, die gemäß § 15 a UStG 1980 zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs führt, auch gegeben sein, wenn ein Gebäude nach seiner Fertigstellung zunächst steuerpflichtig vermietet wird, anschließend aber (ggf. teilweise) leersteht. In solchen Fällen ist nach diesem Urteil die wirtschaftliche Zuordnung der Vorbezüge zu den Umsätzen des Unternehmers unter Kostenzurechnungsgesichtspunkten vorzunehmen; dies führt im allgemeinen dazu, daß erst die spätere tatsächliche (Weiter-)Verwendung darüber entscheidet, ob die Vorsteuer auch für die Zeit des Leerstehens des Gebäudes zu berücksichtigen ist.

Das Leerstehen der für die Vermietung vorgesehenen Räume ist selbst keine für den Vorsteuerabzug maßgebende Verwendung. Eine Zurechnung zu der bisherigen tatsächlichen Verwendung kommt regelmäßig nicht in Betracht. Erfolglose Bemühungen zur Fortsetzung der bisherigen Umsatztätigkeit sind für den Vorsteuerabzug ebenso bedeutungslos wie das erfolglose Bemühen um eine Umsatztätigkeit zur Begründung der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 1993 V R 45/88, BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564).Ü

bereinstimmend mit dem XI. Senat nimmt der erkennende Senat an, daß das Leerstehen von zur Vermietung bestimmten Räumen den Zeitraum für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nicht verkürzt. Eine Verkürzung des Vorsteuerberichtigungszeitraums sieht § 15 a Abs. 2 Satz 3 UStG 1980 nur für Wirtschaftsgüter mit einer kürzeren Verwendungsdauer als dem regelmäßigen Berichtigungszeitraum vor.

3. Da die Vorentscheidung auf anderen Erwägungen beruht, war sie aufzuheben. Mangels entsprechender Feststellungen durch das FG vermag der Senat nicht durchzuerkennen. Die Sache wird daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Büroeinheit, die im Streitjahr leergestanden hat, später steuerpflichtig oder steuerfrei verwendet worden ist. Dies entscheidet -- wie dargelegt -- über die Frage, ob auch insoweit eine Vorsteuerberichtigung im Streitjahr vorzunehmen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419655

BFH/NV 1997, 380

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