Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerb zur Rettung eines Grundpfandrechts

 

Leitsatz (NV)

1. Der erkennbare Zweck des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG NW geht dahin, nur den Gläubiger zu schützen, der durch das von ihm abgegebene Meistgebot nicht mehr rettet als den Erwerbspreis für sein Grundpfandrecht zuzüglich der Zinsen bis zum Versteigerungstermin und der Kosten. Soweit im Einzelfall durch das Meistgebot auch eine ungesicherte Forderung gerettet wird, ist der Erwerb nicht nach § 9 Abs. 1 GrEStG NW begünstigt.

2. Die Steuerbefreiung entfällt in den Fällen, in denen sich der Erwerbsaufwand und der Betrag der vorgehenden Rechte eindeutig beurteilen lassen, jedenfalls auch dann, wenn das Meistgebot den Vergleichsbetrag nur geringfügig übersteigt.

 

Normenkette

GrEStG NW § 1 Abs. 1 Nr. 4; GrEStG NW § 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kl. blieb im Zwangsversteigerungsverfahren vor dem Amtsgericht X im April 1976 mit einem Bargebot von 150 000 DM Meistbietender. Ihm wurde das Grundstück zugeschlagen. Bestehen blieben die Grundschulden in Abteilung III Nr. 6, 7 und 8 im Nennbetrag von zusammen 165 000 DM. Diese Rechte erwarb der Kl. während des Versteigerungstermins durch Zahlung von 216 440,31 DM an den Vorgläubiger.

Die Grundschuld III, 11 war ihm von einer Bank bereits im September 1975 abgetreten worden. Für den Erwerb dieser Grundschuld hatte er 64 900 DM aufgewandt. Schon vorher hatten dem Kl. gegen den früheren Grundstückseigentümer Forderungen aus Warenlieferungen, die dinglich nicht gesichert waren, zugestanden. Nach den Feststellungen des FG handelte es sich hierbei um Forderungen von rd. 66 900 DM zuzüglich Zinsen von mehr als 30 000 DM.

Der Kl. vertrat die Auffassung, daß er das Grundstück zur Rettung seiner Grundpfandrechte erworben habe und daß der Erwerb deshalb gemäß § 9 (GrEStG NW) von der GrESt freigestellt werden müsse.

Das FA folgte dieser Auffassung nicht und setzte zunächst GrESt in Höhe von 25 650 DM fest, die es in der Einspruchsentscheidung auf 22 050 DM herabsetzte; dabei setzte es die Gegenleistung mit dem Meistgebot von 315 000 DM an. Die Freistellung des Erwerbs von der GrESt gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG NW lehnte es ab, weil die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG NW nicht erfüllt worden seien. Das Meistgebot von 315 000 DM übersteige den Vergleichsbetrag, den das FA in der Einspruchsentscheidung mit 301 239,32 DM bezifferte. Den Vergleichsbetrag errechnete es wie folgt:

1. eigenes Pfandrecht:

Aufwand für den Er werb des Pfandrechts III, 11 64 900,00 DM

Zinsen des eigenen Pfandrechts, soweit sie nicht nachrangig sind 13 629,00 DM

Kosten laut Teilungsplan 2 415,96 DM

2. dem eigenen Pfandrecht vorgehende Rechte:

Pfandrechte III, 6 bis 8 nebst Zinsen laut Teilungsplan 216 440,31 DM

Kosten laut Teilungsplan 3 854,05 DM

Vergleichsbetrag 301 239,32 DM.

Mit seiner Klage hat der Kl. sein Begehren, Freistellung des Erwerbs von der GrESt, weiterverfolgt. Er hat vor allem geltend gemacht, daß bei der Vergleichsberechnung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG NW der volle Nennbetrag der Grundschuld III, 11 als Erwerbspreis angesetzt werden müsse. Zwar habe der frühere Grundstückseigentümer einen Anspruch auf Rückübertragung der Grundschuld insoweit gehabt, als sie nicht ,,valutiert" gewesen sei. Gegen diesen Anspruch aber habe er mit seinen eigenen Ansprüchen aufrechnen können.

Das FG hat die Klage abgewiesen, weil das Meistgebot den Vergleichsbetrag überschritten habe (vgl. EFG 1984, 34).

Der Kl. hat Revision eingelegt und seinen Klagantrag weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Seine Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG NW nicht erfüllt worden sind. Denn das Meistgebot einschließlich der bestehenbleibenden Rechte übersteigt den Betrag (Vergleichsbetrag), den der Kl. für den Erwerb der Grundschuld III, 11 aufgewandt hat, und die dieser Grundschuld im Rang vorhergehenden Rechte (Kosten des Verfahrens, Pfandrechte nebst Zinsen). Für die Grundschuld III, 11 hat der Kl. nur 64 900 DM aufgewendet. Dies ist der Erwerbspreis für die Grundschuld i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG NW.

In den Erwerbspreis durften andere Forderungen des Erwerbers gegen den früheren Grundstückseigentümer nicht einbezogen werden, es sei denn, der Sicherungsvertrag wäre entsprechend geändert worden. Eine solche Änderungsvereinbarung zwischen dem Kl. und dem früheren Grundstückseigentümer ist weder festgestellt noch behauptet worden.

Da somit die Grundschuld III, 11 nicht die Forderung des Kl. gegen den früheren Grundstückseigentümer aus Warenlieferungen sicherte, ist es nicht zulässig, den beim Erwerb der Grundschuld nicht ,,valutierten" Teil, hinsichtlich dessen dem Grundstückseigentümer kein Rückabtretungsanspruch zustand, zum Erwerbspreis zu rechnen.

Wenn der Kl. aus der vollen Grundschuld im Verteilungstermin eine Zuteilung aus dem Versteigerungserlös erhielt, so beweist dies nicht, daß die Grundschuld auch die Forderung des Kl. gegen den früheren Grundstückseigentümer aus Warenlieferungen sicherte. Denn die Zuteilung berücksichtigt nur die formale Rechtsstellung des Kl., sagt aber nichts darüber aus, ob er nach der Sicherungsabrede Anspruch auf diese Beträge hat. Soweit ein Grundschuldgläubiger mehr zugeteilt erhält, als er nach dem zugrunde liegenden Schuldverhältnis zu beanspruchen hat, steht der Übererlös dem früheren Grundstückseigentümer oder einem Dritten zu, der diesen Anspruch etwa gepfändet hat (vgl. Urteil des BGH vom 21. Februar 1981 V ZR 9/80, NJW 1981, 1505).

Auch wenn der Kl. den Übererlös im vorliegenden Fall nicht an den früheren Eigentümer herauszugeben hatte, weil ihm ungesicherte Gegenansprüche zustanden, mit denen er aufrechnen konnte, so ändert dies nichts daran, daß diese Gegenansprüche nicht durch die Grundschuld gesichert wurden. Das etwaige Bestehen einer Aufrechnungslage steht einem Grundpfandrecht nicht gleich. Im übrigen konnte vor dem Zuschlag wegen mangelnder Gleichartigkeit von Forderung und Gegenforderung ohnehin keine Aufrechnungslage entstehen.

Ob die Rechtslage anders gewesen wäre, wenn der Kl. wegen seiner Forderungen den Rückgewähranspruch des früheren Eigentümers gepfändet hätte (vgl. in diesem Zusammenhang § 9 Abs. 5 Nr. 2 GrEStG NW), mag dahinstehen, weil dieser Fall nicht vorliegt (vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil des BFH vom 12. August 1959 II 229/58 U, BFHE 69, 457, 459, BStBl III 1959, 431).

Der Senat sieht auch keine Möglichkeit, dem § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG NW eine Auslegung zu geben, die gleichwohl den Ansatz des Nennwerts der Grundschuld als Erwerbspreis gestattet. Eine derartige Auslegung würde an dem mit dem § 9 GrEStG NW verfolgten Zweck scheitern. Im Kernbereich sollte diese Vorschrift nämlich nicht den betreibenden Gläubiger und nicht den Gläubiger schützen, der das Grundpfandrecht erst in neuerer Zeit (z. B. erst nach der Beschlagnahme) erworben hat, sondern diejenigen Gläubiger, denen das Grundpfandrecht bereits seit längerer Zeit zustand und die durch die Illiquidität des Schuldners gezwungen werden, in der Versteigerung mitzubieten, um den Wert ihres Grundpfandrechts nicht einzubüßen (vgl. das Urteil vom 21. November 1967 II 105/65, BFHE 91, 187). Der erkennbare Zweck des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG NW geht danach dahin, nur den Gläubiger zu schützen, der durch das von ihm abgegebene Meistgebot nicht mehr rettet als den Erwerbspreis für sein Grundpfandrecht zuzüglich der Zinsen bis zum Versteigerungstermin und der Kosten. Soweit durch das Meistgebot auch die ungesicherte Forderung gerettet wird, ist der Erwerb nicht durch § 9 Abs. 1 GrEStG NW begünstigt.

Ohne Auswirkungen auf die Entscheidung bleibt, ob das FA in den Vergleichsbetrag die Zinsen richtig einbezogen hat. Soweit ersichtlich, hat das FA 12 v. H. Zinsen auf 64 900 DM für die Zeit vom 30. Juni 1974 bis zum 7. April 1976 einbezogen. Da der Kl. die Grundschuld aber erst im September 1975 erworben hat, dürfte der Betrag der einbezogenen Zinsen zu hoch sein. Richtig dürfte es auch sein, die Zinsen nicht nach dem für die Grundschuld geltenden Zinssatz, sondern nach dem für den gesicherten Kredit maßgebenden Zinssatz zu berechnen. Dies alles aber ändert letztlich nichts daran, daß die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG NW nicht erfüllt worden sind.

Der Kl. kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß seiner Auffassung nach nur eine verhältnismäßig geringfügige Überschreitung des Vergleichsbetrags vorliege. Denn die Steuerbefreiung entfällt in den Fällen, in denen sich der Erwerbsaufwand und der Betrag der vorgehenden Rechte eindeutig beurteilen lassen, jedenfalls auch dann, wenn das Meistgebot den Vergleichsbetrag nur geringfügig übersteigt (vgl. BFHE 91, 187). Die Berechnung des Vergleichsbetrags machte im vorliegenden Fall keine besonderen Schwierigkeiten. Der Wert der vorgehenden Rechte konnte unschwer errechnet werden, da der Kl. die Grundschulden III, 6 bis 8 gegen Zahlung von 126 440,13 DM abgelöst hatte. Auch die Bestimmung des Erwerbsaufwands für die Grundschuld III, 11 war nicht schwierig, ebensowenig die Ermittlung der Verfahrenskosten. Die Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG NW entfällt auch dann nicht, wenn der Meistbietende oder sein Bevollmächtigter bei Abgabe von Geboten keine Berechnung im Sinne dieser Vorschrift anstellte oder aber irrigerweise davon ausging, daß der Nennbetrag der Grundschuld trotz eines niedrigeren Erwerbspreises als Erwerbspreis angesetzt werden darf.

Im übrigen hat der Senat erhebliche Zweifel, ob der Kl. die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 GrEStG NW erfüllt hat, abgesehen von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG NW. Denn der Kl. hat die Grundschuld, soweit ersichtlich, erst an dem Tag erworben, für den bereits der erste Versteigerungstermin angesetzt war (vgl. in diesem Zusammenhang § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG NW und das Urteil des Senats vom 7. August 1974 II R 177/73, BFHE 113, 540, BStBl II 1975, 119).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414181

BFH/NV 1987, 56

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