Leitsatz (amtlich)

1. Läßt sich der Betrag, den der Pfandgläubiger für den Erwerb des Pfandrechts aufgewandt hat, und der dem Pfandrecht im Rang vorgehenden Rechte bis zum Versteigerungstermin eindeutig berechnen, so entfällt die Steuerbefreiung aus § 9 Abs. 1 GrEStG auch dann, wenn das Meistgebot diesen Vergleichsbetrag nur geringfügig überschreitet.

2. Dem Aufwand für den Erwerb der Hypothek können von der Hypothek nicht erfaßte Aufwendungen auf die Forderung und deren Rechtsverfolgung nicht zugerechnet werden.

 

Normenkette

GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 2; BGB §§ 1113, 1118; ZVG § 10 ff.

 

Tatbestand

Dem Kläger sind auf sein Meistgebot von 36 500 DM zwei gemeinsam ausgebotene Grundstücke zugeschlagen worden. An diesen stand ihm eine im ersten Rang eingetragene Hypothek von 32 000 DM zu, aus der 2 373 DM Zinsen aufgelaufen waren. Die gerichtlichen Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens betrugen 644 DM.

Das Finanzamt hat den Kläger zur Grunderwerbsteuer herangezogen und seinen Einspruch zurückgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Grundlage der Besteuerung ist § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG. Die Steuer ist zutreffend berechnet (§ 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG). Die Vorschrift über die Befreiung des sogenannten Rettungserwerbs (§ 9 GrEStG) greift nicht ein.

Unter den in § 9 Abs. 1 GrEStG näher bezeichneten Voraussetzungen wird die Grunderwerbsteuer nicht erhoben, wenn ein Grundpfandgläubiger (§ 9 Abs. 5 GrEStG) zur Rettung seines Rechts das mit dem Pfandrecht (§ 9 Abs. 4 GrEStG) belastete Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben hat. Dieser Vergünstigung steht zwar nicht unbedingt entgegen, daß der Kläger selbst aus seiner erstrangigen Hypothek die Zwangsversteigerung betrieben hatte (Urteil II 12/64 vom 26. Oktober 1966, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 87 S. 99 – BFH 87, 99 –). Sein Meistgebot hat aber den Betrag überschritten, der zur Deckung der vorgehenden Verfahrenskosten und seines Aufwands für den Erwerb der Hypothek erforderlich war. § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG schließt daher die Befreiung aus.

Nach den bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts, die auf den eigenen Angaben des Klägers beruhen und insoweit auch von ihm nicht beanstandet sind, hat der Kläger für den Erwerb der Hypothek 27 661,21 DM aufgewandt. Es ist nicht auszuschließen, daß dieser Betrag nur den ursprünglichen, schon bei Bestellung der Hypothek vorhandenen Aufwand umfaßt, und daß sich die Hypothek auch noch auf erst später zur Entstehung gelangte Forderungen erstreckt (vgl. § 1163 Abs. 1 Satz 1, § 1113 Abs. 2 BGB), die folglich auch in den Aufwand für den Erwerb des materiellen Hypothekenrechts einzubeziehen wären (vgl. für die Grundschuld Urteil II 164/64 vom 14. Februar 1967, BFH 88, 96, BStBl III 1967, 296). Selbst wenn man aber zugunsten des Klägers davon ausgeht, daß die Hypothek zum vollen Nennwert von 32 000 DM valutiert war, und die vom Finanzgericht festgestellten dinglichen Zinsen von 2 373 DM und die Verfahrenskosten von 644 DM zurechnet, bleibt die Summe von 35 017 DM – der sogenannte Vergleichsbetrag – noch unter dem Meistgebot von 36 500 DM.

Der Kläger meint demgegenüber, die Überschreitung des Vergleichsbetrags müsse entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) II 223/55 U vom 16. Februar 1956 (BFH 62, 254, BStBl III 1956, 94) als verhältnismäßig geringfügig außer Betracht bleiben. Indessen darf die dort unter besonderen Umständen zugestandene Ausnahme nicht verallgemeinert werden. Dieses Urteil wird vielmehr entscheidend von der Feststellung getragen, daß „angesichts der stets voneinander abweichenden Berechnungen … von dem Beschwerdeführer nicht zu verlangen war, daß er im Versteigerungstermin selbst eine genaue Berechnung des Vergleichsbetrags zustande brachte”. Dieser Gesichtspunkt stimmt überein mit der Erwägung, die der Reichsfinanzhof (RFH) – Urteil II A 547/32 vom 14. Dezember 1932, RFH 32, 227 – zu § 14 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1927 angestellt hat, es bestehe „namentlich die Möglichkeit, daß der Ersteher im Versteigerungstermin den von ihm zur Rettung seiner Hypothek herauszubietenden Gesamtbetrag …, der in diesem Zeitpunkt häufig noch nicht genau zu berechnen sein wird, irrtümlich zu hoch angenommen hat”. Im übrigen ist noch zu berücksichtigen, daß § 14 Abs. 1 GrEStG 1927 eine dem § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1940 formal entsprechende Vorschrift nicht enthielt, mag auch dessen Ergebnis im wesentlichen bereits damals dem § 14 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1927 entnommen worden sein (vgl. dazu Boruttau-Klein, Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl. 1965, § 9 Tz. 54), und daß § 14 Abs. 1 GrEStG 1927 selbst noch davon ausging, daß die in dessen Nr. 1 allgemein geforderte Rettungsabsicht auch bei einem überhöhten Meistgebot vorgelegen haben kann, in dem es für diesen Fall die Steuerpflicht auf den Teil des Meistgebots beschränkte, der den sogenannten „Gesamtbetrag” übersteigt (Urteil II A 547/32, a.a.O.).

Für das GrEStG 1940 ist von der strikten Regel des § 9 Abs. 1 Nr. 2 auszugehen und eine Ausnahme von dieser Regel kann jedenfalls dann nicht zugelassen werden, wenn der Vergleichsbetrag ohne weiteres errechenbar war (vgl. Boruttau-Klein, a. a. O., § 9 Tz. 82). Einer solchen Ausnahme steht nicht nur der Wortlaut, sondern auch der Sinn des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG entgegen. Denn dieser will – ebenso wie § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG – den eingangs des § 9 Abs. 1 GrEStG aufgestellten Grundsatz sichern, daß nur der Gläubiger die Vergünstigung dieser Vorschrift erhält, der das Grundstück „zur Rettung seines Rechts” erworben hat (vgl. Urteil II 164/64 a. a. O.). Da diese letztgenannte, weitgehend subjektive Voraussetzung ebenso schwer beweisbar wie widerlegbar ist, hat der Gesetzgeber in bewußter Abweichung von § 14 Abs. 1 GrEStG 1927 in § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1940 ein formales, objektiv meßbares Tatbestandsmerkmal aufgestellt. Die Aussage, daß dadurch eine sachliche Änderung nicht herbeigeführt worden sei (Begründung zum GrEStG 1940, RStBl 1940 S. 387, 402; Urteil II 223/55 U a. a. O.), bezieht sich nur auf den materiellen Gehalt des eingangs des § 9 Abs. 1 GrEStG 1940 übereinstimmend mit § 14 Abs. 1 GrEStG 1927 aufgestellten Prinzips; daß § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1940 dem Steuerpflichtigen dagegen ein höheres Maß an Sorgfalt auferlegt, ist unverkennbar.

Schwierigkeiten der Berechnung des Vergleichsbetrags, die jedem Zwangsversteigerungsverfahren eigen sind, können daher ein Abweichen vom Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG nicht rechtfertigen. Im vorliegenden Falle ging es nur um den eigenen Aufwand und die eigenen Rechte des Klägers, die weder dem Grunde noch dem Betrage nach unbestimmt waren (vgl. § 14 des Zwangsversteigerungsgesetzes – ZVG –) und ihm bekannt sein mußten, und um die im Versteigerungstermin bereits feststehenden Kosten des Verfahrens. Der Kläger behauptet selbst nicht, daß er insoweit Erhebungen angestellt hat. Sein Meistgebot ist also, sofern es nicht durch Erwägungen aus § 9 Abs. 2 GrEStG beeinflußt war, allenfalls durch einen Rechtsirrtum hinsichtlich des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG veranlaßt worden. Ob und inwieweit das und die weiteren Ausführungen des Klägers, er habe vor allem das obligatorische Schuldverhältnis zum Eigentümer in vollem Umfange zum Erlöschen bringen wollen (er habe auch dem Schuldner zugesagt, einen etwaigen Mehrerlös aus Weiterverkauf an diesen abzuführen) und wäre als einziger Bieter gar nicht genötigt gewesen, so hoch zu bieten, Anlaß zu Billigkeitsmaßnahmen (§ 131 AO) geben könnten, ist hier nicht zu prüfen; für die Rechtsentscheidung über die Entstehung der Steuerschuld sind sie unbeachtlich.

Außer Betracht bleiben müssen auch die weiteren, nicht durch die Hypothek gesicherten Forderungen des Klägers gegen den früheren Eigentümer des ersteigerten Grundstücks. Denn § 9 Abs. 1 GrEStG bezweckt nicht schlechthin, einen Gläubiger, der anders nicht zu seinem Geld kommen kann, zu begünstigen, wenn er sich an einem Grundstück seines Schuldners schadlos halten will (vgl. Urteile II 159/57 U vom 26. Februar 1958, BFH 66, 593, BStBl III 1958, 228, und II 94/64 vom 24. Januar 1967, BFH 88, 65). § 9 Abs. 1 GrEStG will vielmehr nur den dinglichen Gläubigern und den diesen gleichgestellten Personen (§ 9 Abs. 5 GrEStG) ermöglichen, sich im Falle einer Versteigerung den Wert ihres dinglichen Rechts – nach oben begrenzt durch den Wert des Erwerbsaufwands – zu erhalten.

Zweck des § 9 GrEStG ist also nicht, wie der Kläger meint, dem persönlichen Gläubiger zu erleichtern, seine Forderung durch Zugriff auf das Grundstück abzudecken. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, so hätte er in den Kreis der geschützten Gläubiger (§ 9 Abs. 5 GrEStG) vor allem auch denjenigen aufnehmen müssen, der ohne ein dingliches Recht am Grundstück allein aus seiner persönlichen Forderung die Zwangsversteigerung betreibt (§ 866 Abs. 1 der ZivilprozeßordnungZPO –, § 15 ZVG). Was dem Gläubiger einer titulierten Geldforderung (§ 704 Abs. 1, §§ 725, 750, 794 ZPO) zuzugestehen wäre, könnte aber dem Gläubiger einer anderen fälligen Geldforderung nicht versagt werden. Bei der vom Kläger gewünschten Auslegung würde folglich nicht nur der klare Wortlaut des § 9 GrEStG verlassen, sondern dessen Begrenzung insgesamt preisgegeben.

Im Kernbereich schützt § 9 GrEStG nicht den betreibenden Gläubiger und nicht die Zwangshypothek (§§ 866, 867 ZPO) oder bewilligte Hypothek, die erst knapp vor der Beschlagnahme (§ 20 ZVG) des Grundstücks eingetragen wurde, wenn es auch im Einzelfall unschädlich sein kann, daß der Erwerber selbst die Zwangsversteigerung betrieben (Urteil II 12/64 a.a.O.; vgl. auch Boruttau-Klein, a.a.O., § 9 Tz. 23) oder sein Grundpfandrecht erst in neuerer Zeit erworben hat (vgl. Boruttau-Klein, a. a. O., § 9 Tz. 35 ff.). In erster Linie will vielmehr § 9 GrEStG 1940 – ebenso wie § 14 GrEStG 1927 – diejenigen Grundpfandrechte schützen, die seit längerer Zeit auf dem Grundstücke ruhen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG 1927) und die bei Berücksichtigung ihres eigenen grundbuchmäßigen Ranges und des gemeinen Wertes des Grundstücks innerhalb dessen Wertgrenze liegen; im Saarland ist das letztgenannte Merkmal Tatbestandsvoraussetzung der Befreiung (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 GrEStG 1959). Wenn auch Wortlaut und Sinn des § 9 GrEStG über diesen Kernbereich hinausgehen, so bleibt doch das Mindesterfordernis des § 9 Abs. 1 GrEStG, daß der Erwerb der Rettung des dinglich geschützten Rechts dienen muß; § 9 Abs. 1 GrEStG schützt nur vor Substanzverlusten der gesicherten Rechtsposition und ist nicht dazu bestimmt, den Zugriff auf das Grundstück zu erleichtern.

Nicht zu Unrecht bemerkt freilich der Kläger, daß das Grundpfandrecht im eigentlichen Sinne gar nicht „gerettet” wird. Denn entweder ist dieses Recht im geringsten Gebot enthalten (§§ 44 ff. ZVG) und somit der „Rettung” nicht bedürftig (§ 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG), oder es erlischt durch den Zuschlag (§ 91 Abs. 1 ZVG) ohne Rücksicht darauf, ob dieser dem Grundpfandgläubiger oder einem anderen erteilt wird, es sei denn, das Recht bliebe auf Grund einer Vereinbarung nach § 91 Abs. 2 ZVG erhalten. Im Grunde geht es also nicht um die Rettung des durch das Grundpfandrecht gesicherten Wertes (aber nicht notwendig der obligatorischen Forderung, da Grundschuldner, Rentenschuldner und unbeschadet des § 1108 BGB auch Reallasten eine solche nicht voraussetzen). Doch ermöglicht es auch diese Erwägung nicht, dem Hypothekengläubiger bei dem nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG gebotenen Vergleiche auch diejenigen Aufwendungen zugute zu halten, die er auf die Forderung und deren Durchsetzung, nicht aber auf die Hypothek und die Rechtsverfolgung aus der Hypothek erbracht hat. Soweit die Aufwendungen des Klägers auf seine Forderung und deren Durchsetzung möglicherweise in die Hypothek eingegangen sind (§ 1113 BGB, vgl. auch § 1118 BGB), hat sie der Senat bereits dadurch berücksichtigt, daß er an Stelle des vom Finanzgericht angenommenen Erwerbsaufwands von 27 661,21 DM einen solchen von 32 000 DM – jeweils zuzüglich der Zinsen – ansetzte.

Die Revision des Klägers war demnach mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514528

BFHE 1968, 187

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