Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzuwendungen bei Kommunion bzw. Konfirmation als Arbeitslohn; Nettosteuersätze bei Haftungs- und Pauschalierungsbescheiden

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Lohnsteuerpflicht von Zuwendungen des Arbeitgebers, die dem Arbeitnehmer aus Anlaß der Kommunion bzw. Konfirmation seines Kindes gewährt werden (Anschluß an BFH-Urteil vom 22. März 1985 VI R 26/82, BFHE 143, 539, BStBl II 1985, 641).

2. Vor Änderung der Rechtslage durch § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes vom 20. Dezember 1982 war der Ansatz von Nettosteuersätzen (Steuer auf die Steuer) nur bei Inanspruchnahme durch Nachforderungsbescheid, nicht aber bei einer solchen durch Haftungsbescheid schlechthin ausgeschlossen.

 

Normenkette

EStG 1975 § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 40 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gewährte in den Streitjahren 1975 und 1976 ihren Arbeitnehmern aus Anlaß der Konfirmation bzw. Kommunion eines Kindes Barzuwendungen von jeweils 150 DM, die sie als sog. Gelegenheitsgeschenke nicht dem Lohnsteuerabzug unterwarf. Im Anschluß an eine Lohnsteueraußenprüfung erhob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) mit Bescheid vom 14. Oktober 1977 u.a. wegen dieser Zuwendungen Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer von der Klägerin nach. Das FA war der Auffassung, der Steuerfreiheit der Zuwendungen nach Abschn. 53 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1975 (LStR) stehe entgegen, daß die von der Verwaltung festgelegte Wertgrenze von 100 DM (vgl. Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 3. Juni 1969, S 2342-1/67, Lohnsteuerkartei 1969, § 2 Abs. 1 und 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -, Karte 1 Nr. 57d) überschritten sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab: Es sei zweifelhaft, ob die Steuerfreiheit nicht schon daran scheitere, daß die Klägerin ihren Arbeitnehmern Barzuwendungen gewährt habe. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Beträge zweckgebunden zur Gestaltung der Kommunion- bzw. Konfirmationsfeier oder zur Beschaffung eines Geschenkes überlassen und daher mit Sachgeschenken gleichzusetzen seien, könnten die Zuwendungen nicht als übliche und angemessene Gelegenheitsgeschenke angesehen werden.

Mit der Revision rügt die Klägerin, das FG habe den Arbeitslohnbegriff verkannt. Die Zuwendungen seien aus einem besonderen persönlichen Anlaß gewährt worden, bei dem nicht der Gedanke der Entlohnung, sondern der Bereitung einer Aufmerksamkeit im Vordergrund gestanden habe. Eine Entlohnung brauche auch nicht wegen der Hingabe von Bargeld angenommen zu werden, weil bereits der Anlaß des Geschenkes seine Zweckbindung einschließe. Bei einer Kommunion bzw. Konfirmation falle zwangsläufig ein bestimmter Aufwand für Kleidung, Geschenke, Gaststättenbesuche usw. an. Es könne keinen Unterschied machen, ob sich der Arbeitgeber an solchen Kosten unmittelbar, also durch Leistung an das Bekleidungshaus, die Gaststätte usw., oder mittelbar durch einen Zuschuß an den Arbeitnehmer beteilige. Auch die Höhe der Zuwendung sei dem Anlaß angemessen gewesen.

Das FA ist der Ansicht, die Revisionsbegründung lasse nicht erkennen, welche Rechtsnorm die Klägerin als verletzt ansehe. Die Angriffe der Klägerin gegen die Feststellungen des FG zur Angemessenheit der Zuwendungen entsprächen nicht den Anforderungen, die an § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu stellen seien. In der Sache könne der Klägerin nicht gefolgt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Die streitigen Zuwendungen stellen Arbeitslohn dar. Bei Lohnsteuernacherhebung im Wege der Pauschalierung nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 1975 (EStG) durften jedoch keine Nettosteuersätze angewendet werden.

1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, daß die Klägerin § 19 Abs. 1 EStG bzw. § 2 LStDV nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist ausdrücklich benannt hat, da sich diese Vorschriften als verletzte Rechtsnormen aus der Tatsache ergaben, daß eine unzutreffende Auslegung des Arbeitslohnbegriffs gerügt wurde (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 120 Anm. 17 m.w.N.).

2. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Löhne, Gehälter, Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 3 LStDV). Den vorstehend wiedergegebenen Vorschriften ist zu entnehmen, daß auch als Geschenke bezeichnete Zuwendungen zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören, wenn sie durch das Dienstverhältnis veranlaßt sind und wenn kein steuerbefreiender Sondertatbestand gegeben ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. August 1980 VI R 49/77, BFHE 131, 237, BStBl II 1980, 705).

a) Eine Zuwendung wurde bislang nicht als Arbeitslohn angesehen, wenn es sich um ein sog. Gelgenheitsgeschenk handelte.

Der Senat hat mit der zur Veröffentlichung bestimmten Entscheidung vom 22. März 1985 VI R 26/82 (BFHE 143, 539, BStBl II 1985, 641) die Rechtsprechung zum Begriff des steuerfreien Gelegenheitsgeschenks aufgegeben, da die in diesem Begriff zusammengefaßten Merkmale nicht geeignet seien, die Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn (nämlich die Veranlassung der Zuwendung durch das individuelle Dienstverhältnis) auszuschließen. Wegen der Begründung im einzelnen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Urteil verwiesen.

b) Eine Zuwendung ist durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßt, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zuwendungsempfänger Arbeitnehmer dieses Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird (BFH-Urteil vom 10. Juni 1983 VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642), und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH-Urteile vom 22. April 1982 III R 135/79, BFHE 135, 512, BStBl II 1982, 496; vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39, und vom 20. Mai 1983 VI R 39/81, BFHE 138, 555, BStBl II 1983, 712).

Als Ertrag der Arbeitsleistung sind auch Sonderzuwendungen des Arbeitgebers an einzelne Arbeitnehmer anzusehen, wenn und soweit diese nicht wegen anderer Umstände oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewährt werden. Der Arbeitslohncharakter derartiger Zuwendungen ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Arbeitgeber besondere persönliche Ereignisse beim Arbeitnehmer zum Anlaß freiwilliger oder zusätzlich zum laufenden Arbeitslohn geschuldeter Sondervergütungen macht. Denn maßgebender Grund dieser Leistungen bleibt doch das jeweilige individuelle Arbeitsverhältnis, während der Eintritt des persönlichen Ereignisses nur das die Sonderzuwendung auslösende Moment ist.

Das gilt auch in Fällen, in denen der Arbeitgeber mit der Zuwendung gleichzeitig soziale Ziele verfolgt. Denn dies läßt die Veranlassung der Zuwendung durch das individuelle Dienstverhältnis unberührt und führt nur dann zur Steuerfreiheit, wenn dies ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (vgl. z.B. § 3 Nrn. 15 und 52 EStG). Auch bei sozial beeinflußten Sonderzuwendungen ist daher der Arbeitslohncharakter nicht zu verneinen, sofern es sich nicht um bloße Aufmerksamkeiten handelt, die auch im gesellschaftlichen Verkehr ausgetauscht werden und bei denen deshalb ein geldwerter Vorteil ausscheiden und ein Leistungsentgelt nicht gegeben sein kann.

c) Im Streitfall sind die aus Anlaß der Kommunion bzw. Konfirmation eines Arbeitnehmerkindes gewährten Geldgeschenke durch das individuelle Dienstverhältnis der jeweiligen Leistungsempfänger veranlaßt worden.

Da offensichtlich jeder Arbeitnehmer aus besagtem Anlaß in den Genuß der Zuwendung gekommen ist, hat möglicherweise aufgrund der betrieblichen Übung ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Sonderzahlung bestanden. Aber auch wenn die Zuwendung jeweils freiwillig geleistet worden sein sollte, haben die Arbeitnehmer den Betrag als zusätzlichen Ertrag ihrer Arbeit und nicht als persönliches Geschenk außerhalb arbeitsrechtlicher Beziehungen erhalten. Denn anderen Personen werden bei vergleichbaren Anlässen derartige Sonderzuwendungen nicht gewährt.

3. Ausweislich Tz. 25 des Prüfungsberichts wurde die im angegriffenen Pauschalierungsbescheid auf die streitigen Sonderzuwendungen nachgeforderte Steuer mit einem sog. Nettosteuersatz (Steuer auch auf die Steuer) erhoben. Dies war vor Änderung der Rechtslage durch § 40 Abs. 1 Satz 2 EStG in der Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes vom 20. Dezember 1982 - EStG neue Fassung - (BGBl I 1982, 1857, BStBl I 1982, 972) regelmäßig nicht zulässig (zu Übergangsfällen vgl. BFH-Beschluß vom 18. Mai 1984 VI B 156/83, BFHE 141, 145, BStBl II 1984, 567). Wie der Senat im Urteil vom 5. November 1982 VI R 219/80 (BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) näher begründet hat, schloß der Charakter der nach § 40 Abs. 1 EStG pauschalierten Lohnsteuer als Unternehmenssteuer eigener Art es aus, daß der zu ermittelnde Pauschsteuersatz auf einen (höheren) Nettosteuersatz hochgerechnet wurde.

Allerdings ist bei Steuern, die mit Haftungsbescheid nacherhoben werden, der Anatz von Nettosteuersätzen nicht schlechthin ausgeschlossen (BFH-Urteile vom 7. Dezember 1984 VI R 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164 und VI R 72/82, BFHE 142, 494, BStBl II 1985, 170). Die Klägerin wurde indessen nicht durch Haftungs-, sondern durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen. Das ergibt sich aus der Überschrift ,,Lohnsteuerbescheid", wobei die wahlweise vorgesehene Überschrift ,,Lohnsteuerhaftungsbescheid" gestrichen ist, sowie aus Tz. 25 des Prüfungsberichts. Dort ist für alle Nachforderungssachverhalte ausgeführt, daß die Nacherhebung im Einvernehmen mit der Klägerin pauschal gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfolgt.

Das FG wird nunmehr Feststellungen für die im Streitfall anzuwendenden Bruttosteuersätze zu treffen haben.

Anmerkung

Zur Frage der Lohnsteuerpflicht von Sonderzuwendungen bei Kommunion bzw. Konfirmation ist ein Leitsatz in BFHE 144, 547; BStBl II 1986, 95 veröffentlicht.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 187

BFHE 1986, 547

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