Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansatz der Kostenmiete bei selbstgenutzter Wohnfläche von mehr als 250 qm; keine Kürzung der Werbungskosten; Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen bei Instandsetzung und Umbau eines Zweifamilienhauses

 

Leitsatz (NV)

1. Weist in einem selbstgenutzten Zweifamilienhaus eine Wohnung eine Wohnfläche von mehr als 250 qm auf, so ist zur Ermittlung des Nutzungswerts die Kostenmiete als Rohmietwert anzusetzen und den tatsächlich angefallenen Werbungskosten gegenüberzustellen.

2. Zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen bei Instandsetzung und Umbau eines Zweifamilienhauses.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 2; HGB § 255 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Im Jahre 1976 erwarben sie ein 1930 errichtetes Haus mit einer Gesamtfläche von rd. 330 qm zum Kaufpreis von rd. 650 000 DM (davon für Grund und Boden 209 200 DM), das sie bis dahin gemietet hatten. Es wurde zum 1. Januar 1977 als Zweifamilienhaus bewertet. Im Streitjahr 1981 zogen die Kläger sechs Monate aus. Während dieser Zeit wurde das Haus instandgesetzt, modernisiert und umgebaut. Die Ausgaben für diese Maßnahmen betrugen im Streitjahr zuzüglich Umzugs- und Lagerkosten insgesamt 634 609,54 DM. Diesen Betrag machten die Kläger neben anderen Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Als Einnahmen erklärten sie einen Betrag von 24 000 DM. Dies entspricht einem Mietwert von 12 DM/qm für sechs Monate.

Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) beurteilte den Betrag von 634 609,54 DM als Herstellungskosten des Gebäudes. Im Einspruchsverfahren rechnete er diesen Betrag den ursprünglichen Anschaffungskosten hinzu, so daß sich ein Gesamtbetrag von 1 313 720 DM ergab. Davon sah das FA einen Teil von 800 000 DM (= 61 v. H.) als angemessen an. Dementsprechend erkannte es auch nur 61 v. H. der übrigen Aufwendungen (ohne Renovierungskosten) als Werbungskosten an und ermittelte einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 61 873 DM.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Im Streitfall sei die Marktmiete von 12 DM/qm als Mietwert anzusetzen, weil das Zweifamilienhaus der Kläger nach dem eingeholten Sachverständigengutachten nicht besonders aufwendig gestaltet oder ausgestattet sei. Von den geltend gemachten Renovierungskosten seien die Aufwendungen für den Kamin, für die Außentreppe und die Treppe zum Spitzboden abzuziehen, weil es sich insoweit um Herstellungskosten handele. Die übrigen Aufwendungen von 556 768 DM bildeten Erhaltungsaufwand. Die Werbungskosten seien jedoch nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Juli 1977 VIII R 83/76 (BFHE 123, 148, BStBl II 1977, 865) und vom 30. April 1985 IX R 72/84 (BFH/NV 1986, 151) im Verhältnis der erzielbaren Miete zur Kostenmiete zu kürzen. Die Errechnung der Steuer übertrug das FG nach Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit auf das FA.

Dagegen wenden sich beide Beteiligte jeweils mit der Revision.

Die Kläger rügen Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil der vom FG rechnerisch als Kostenmiete berücksichtigte Betrag im Prozeß nicht erörtert worden und nicht nachvollziehbar sei. Das FG habe die von ihm selbst als Erhaltungsaufwendungen anerkannten Renovierungskosten in die Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage der Kostenmiete einbezogen. Dies sei in sich widersprüchlich. Ferner rügen die Kläger mangelnde Sachaufklärung, weil es sich dem FG habe aufdrängen müssen, die Bemessungsgrundlage für die Kostenmiete zu überprüfen. Die vom FG angesetzte erzielbare Miete von 24 000 DM jährlich bedeute einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten, weil der Gutachter eine Marktmiete von 12 DM/qm, mithin 48 240 DM jährlich, ermittelt habe. Das FG habe auch die Werbungskosten unter Verstoß gegen die Rechtsprechung des BFH entsprechend dem Verhältnis der Marktmiete zur Kostenmiete gekürzt. Der Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus sei durch Gegenüberstellung der zu schätzenden Rohmiete und der nachgewiesenen Werbungskosten zu errechnen. Dabei sei grundsätzlich von der Marktmiete auszugehen. Deshalb hätten die vom FG bindend als Erhaltungsaufwendungen beurteilten Renovierungskosten in vollem Umfang abgezogen werden müssen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß in Höhe von 661 387 DM zu berücksichtigen, hilfsweise, für die strittigen Renovierungskosten in Höhe von 556 768 DM erhöhte Absetzungen nach § 82a Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision der Kläger als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 21 Abs. 2 i. V. m. § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die strittigen Aufwendungen stellten im Streitfall Herstellungskosten dar, da das Gebäude im Nutzungswert über seinen bisherigen Zustand hinaus erheblich verbessert worden sei. Im übrigen habe das FG verkannt, daß es sich um eine einheitliche Baumaßnahme gehandelt habe, die teils Herstellungs-, teils Erhaltungsmaßnahmen umfaßt habe, die in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang gestanden hätten. Das FG habe auch die Voraussetzungen für den Ansatz der Kostenmiete unzutreffend geprüft.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Revision des FA

Die Revision des FA ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie § 21 Abs. 2 EStG sowie § 9 EStG i. V. m. § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) verletzt.

1. Zu Unrecht hat das FG den Rohmietwert des Hauses der Kläger nicht in Höhe der Kostenmiete angesetzt. Allerdings ist das FG zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß zur Ermittlung des Nutzungswerts der Wohnungen eines selbstgenutzten Zweifamilienhauses, das -- wie das Haus der Kläger -- vor dem 30. Juli 1981 erworben worden ist, nach § 21 Abs. 2, § 21a Abs. 7 EStG dem Rohmietwert die nach gewiesenen Werbungskosten gegenüber zustellen sind. Der Rohmietwert ist grundsätzlich anhand der Marktmiete und nur ausnahmsweise anhand der sogenannten Kostenmiete zu ermitteln. Nach dem Urteil des Senats vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 (BFHE 174, 51, BStBl II 1995, 98), das erst nach der Vorentscheidung ergangen ist und auf das zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ist jedoch stets die Kostenmiete anzusetzen, wenn eine selbstgenutzte Wohnung eine Wohnfläche von mehr als 250 qm aufweist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Nach dem vom FG in Bezug genommenen Gutachten des Sachverständigen beträgt die Wohnfläche der Hauptwohnung 281 qm.

2. Die Vorentscheidung verletzt ferner § 9 EStG i. V. m. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB, weil das FG den größten Teil der Aufwendungen als sofort abziehbare Werbungskosten beurteilt hat, ohne zu prüfen, ob durch die Arbeiten das Gebäude über seinen ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessert worden ist.

a) Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Ein nahmen. Handelt es sich bei diesen Aufwendungen um Herstellungskosten eines zur Einkunftserzielung bestimmten Gebäudes, so sind sie grundsätzlich nur verteilt auf die Nutzungsdauer des Gebäudes in Form von Absetzungen für Abnutzung abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 1, 4 und 5 EStG). Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese handelsrechtliche Begriffsbestimmung gilt ebenso für das Steuerrecht, und zwar auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, 476, BStBl II 1990, 830 unter C. III. 1. c dd).

Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB u. a. dann als nachträgliche Herstellungskosten zu beurteilen, wenn sie zur Erweiterung des Gebäudes oder einer über den ursprünglichen Zustand des Gebäudes hinausgehenden wesentlichen Verbesserung führen. Ursprünglicher Zustand im Sinne dieser Vorschrift ist, wenn der Steuerpflichtige das Gebäude erworben hat, der Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs. Ob eine über diesen Zustand hinausgehende Verbesserung wesentlich ist, hängt davon ab, ob die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaß nahmen in ihrer Gesamtheit über die zeitgemäße substanzerhaltende Bestandteilserneuerung hinaus den Gebrauchswert des Hauses insgesamt deutlich erhöhen. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen sind Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, die über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung nicht hinausgehen, grundsätzlich außer Betracht zu lassen. Soweit die dafür aufgewendeten Kosten abgrenzbar sind, sind sie als Erhaltungsaufwendungen abzuziehen. Hingegen sind diese Aufwendungen in die gebotene Gesamtwürdigung einzubeziehen, wenn sie mit den über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung hinausgehenden Maßnahmen bautechnisch ineinandergreifen. Hinsichtlich der Begründung im einzelnen nimmt der Senat auf das Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454 Bezug.

b) Zu den durchgeführten Arbeiten ist in der Vorentscheidung und in dem vom FG in Bezug genommenen Sachverständigengutachten in tatsächlicher Hinsicht folgendes festgestellt: Die vorhandene Dampf- Heizungsanlage wurde durch eine Warmwasser-Heizungsanlage ersetzt, die Elektroinstallation nach modernem Standard erneuert. Die sanitären Installationen, Bäder und Abflußanlagen (letztere teilweise) wurden ebenfalls erneuert. Fenster wurden erneuert, dabei drei Fenster vergrößert. Haustür und Innentüren wurden erneuert oder repariert. Im Erdgeschoß wurde ein offener Kamin neu eingebaut. Der Umbau des Gebäudes vollzog sich wie folgt: Das innenliegende Treppenhaus zwischen dem ersten Obergeschoß und dem Dachgeschoß, in dem sich die zweite Wohnung befindet, wurde durch eine Trennwand unterbrochen. Der Zugang zum Dachgeschoß wurde statt dessen durch eine neue Außentreppe und einen neuen Eingang im ersten Obergeschoß an der rückwärtigen Hausecke eröffnet. Von dort führte eine neue Zwischentreppe zum vorhandenen Treppenpodest zwischen erstem Obergeschoß und Dachgeschoß. Im Zusammenhang mit den vorstehend aufgeführten Maßnahmen wurden Fliesen-, Verputz-, Anstreicherarbeiten sowie Arbeiten an den Fußböden durchgeführt. Das Dach wurde repariert und mit einer Wärmeisolierung versehen.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen erweist sich die Vorentscheidung als zutreffend, soweit das FG die Aufwendungen für den Kamin, die Außentreppe und die Treppe zum Spitzboden als Herstellungskosten beurteilt hat. Es handelt sich um Erweiterungen i. S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB, weil ursprünglich nicht vorhandene Gebäudebestandteile ein- und angebaut worden sind. Dagegen reicht die Begründung des FG, mit der es im Streitfall die übrigen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen nicht als Herstellungskosten beurteilt hat, nicht aus. Mit der Erwägung, durch die Baumaßnahmen sei die Substanz des Gebäudes kaum beeinflußt worden, der äußere Umfang sei nur durch die angebaute Außentreppe verändert worden, und es sei auch nicht durch Substanzerneuerung wirtschaftlich ein neues, anderes Gebäude entstanden, hat das FG lediglich eine Neuherstellung i. S. von § 255 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 HGB ausgeschlossen, nicht jedoch auch eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung. Letztere Alternative der Vorschrift hat das FG nicht geprüft.

Revision der Kläger

Die Revision der Kläger ist ebenfalls begründet. Die Vorentscheidung verletzt § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG und ist auch aus diesem Grund aufzuheben. Das FG hat die von ihm grundsätzlich als sofort abziehbar beurteilten Werbungskosten im Verhältnis der Marktmiete zur Kostenmiete gekürzt. Diese Methode der Werbungskostenkürzung, die noch den vom FG angeführten Entscheidungen zugrunde lag (BFH-Urteile in BFHE 123, 148, BStBl II 1977, 865, und BFH/NV 1986, 151), hat der BFH bereits mit dem Urteil vom 21. Januar 1986 IX R 7/79 (BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394) wieder aufgegeben. Seitdem hat er den Rohmietwert besonders aufwendiger Zweifamilienhäuser in ständiger Rechtsprechung anhand der Kostenmiete ermittelt und davon die Werbungskosten in voller Höhe abgezogen. Da die Kürzung der Werbungskosten durch das FG ohnehin keinen Bestand hat, kann dahinstehen, ob das FG, wie die Kläger rügen, die Kürzung außerdem rechnerisch unzutreffend und in sich widersprüchlich vorgenommen hat.

Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Sache an das FG zurückzuverweisen. Der Senat kann keine abschließende Entscheidung treffen, weil Feststellungen fehlen, die eine Ermittlung der Kostenmiete und eine Abgrenzung der Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen ermöglichen. Die Kostenmiete ist grundsätzlich nach den Vorschriften der Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen (Zweite Berechnungsverordnung -- II. BVO --) zu bestimmen (Senatsurteil vom 22. Oktober 1993 IX R 33/91, BFHE 174, 120). Die tatsächlichen Grundlagen für eine solche Berechnung wird das FG noch feststellen müssen. Ferner wird das FG nach den Maßstäben des Senatsurteils vom 9. Mai 1995 IX R 116/92 die Würdigung nachzuholen haben, ob die von ihm als sofort abziehbare Werbungskosten beurteilten Aufwendungen in ihrer Gesamtheit den Gebrauchswert des Hauses gegenüber dem Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs über die zeitgemäße substanzerhaltende Bestandteilserneuerung hinaus deutlich gesteigert haben. Maßnahmen, die über eine zeitgemäße substanzerhaltende Erneuerung nicht hinausgehen, sind in diese Beurteilung nur einzubeziehen, wenn sie mit den Herstellungsmaßnahmen bautechnisch ineinandergreifen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 114

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