Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat verbleibt dabei, daß die Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 4 WoPG 1955 zur Bestimmung der dreijährigen Verwendungsfrist im § 16 Abs. 1 WoPDV 1960 ausreicht.

2. Eine vertragsmäßige Verwendung im Sinne des WoPG ist beim Erwerb eines Eigenheims anzunehmen, wenn der Sparer mit Hilfe der prämienbegünstigten Aufwendungen bürgerlich-rechtlicher Eigentümer wurde oder wenigstens die Auflassung an ihn erfolgt ist. Dem steht es ausnahmsweise gleich, wenn der Sparer zunächst nur das wirtschaftliche Eigentum erhält, er zu diesem Zeitpunkt aber von sich aus alles zur Erfüllung des Sparvertrags getan hatte; der Erwerb des bürgerlichrechtlichen Eigentums muß jedoch, wenn auch nicht unbedingt innerhalb der Dreijahresfrist, nachfolgen.

 

Normenkette

WoPG 1955 § 9 Abs. 1 Nr. 4; WoPDV 1960 § 16 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat am 1. Februar 1957 mit einer gemeinnützigen Baugenossenschaft einen Kapitalansammlungsvertrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 WoPG i. d. F. vom 21. Dezember 1954 (BGBl I 1954, 482, BStBl I 1955, 709) WoPG 1955 mit einer Mindestlaufzeit von drei Jahren abgeschlossen. Der Vertrag wurde nicht verlängert, so daß die Ansparfrist am 1. November 1959 endete. Bei einer bei der Baugenossenschaft durchgeführten Betriebsprüfung wurde festgestellt, daß die angesparten Beträge und die Wohnungsbau-Prämien für die Jahre 1957, 1958 und 1959 von je 400 DM nicht fristgemäß zu dem vertragsmäßigen Zweck verwendet worden sind. Das Baugrundstück war dem Kläger und seiner Schwiegermutter im August 1960 von der Gemeinde Sch. zugesprochen worden. Für den Bauplatz wurden von ihm 4 200 DM bezahlt. Durch Kaufvertrag vom 26. Juni 1961 und Eintragung ins Grundbuch übertrug die Gemeinde der Baugenossenschaft das Eigentum an dem Baugrundstück. Aufgrund des zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau und seiner Schwiegermutter einerseits und der Baugenossenschaft andererseits Anfang 1961 abgeschlossenen Hausanwärtervertrags errichtete die Baugenossenschaft für die Hausanwärter ein Zweifamilienhaus, das im Juni 1962 bezugsfertig wurde und zu diesem Zeitpunkt von dem Kläger und seiner Ehefrau bezogen wurde. Durch notariellen Kaufvertrag vom 13. September 1965 übertrug die Baugenossenschaft das Eigentum an dem bebauten Grundstück auf den Kläger und seine Ehefrau und rechnete mit den Käufern die Baukosten ab.

Mit Bescheid vom 11. August 1965 forderte der Revisionskläger (FA) die Wohnungsbau-Prämie 1957, 1958 und 1959 in Höhe von insgesamt 1 200 DM mit der Begründung zurück, die in § 16 WoPDV i. d. F. vom 8. März 1960 (BGBl I 1960, 163, BStBl I 1960, 192) bestimmte dreijährige Verwendungsfrist sei prämienschädlich überschritten worden.

Der Einspruch blieb erfolglos. Die Klage führte zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des Rückforderungsbescheids. Das FG vertrat in Übereinstimmung mit der vom Niedersächsischen FG in Hannover im Urteil vom 28. April 1964 II 40-43/63 (EFG 1964, 620) vertretenen Ansicht die Auffassung, § 16 Abs. 1 WoPDV, der für die Verwendung der angesammelten Beträge und der Prämien zu dem vertragsmäßigen Zweck eine dreijährige Frist bestimme, sei in Ermangelung einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung unwirksam. Jedenfalls liege aber im Streitfall keine vertragswidrige Verwendung der angesammelten Beträge und der Prämien vor, da diese zum Erwerb eines Kaufeigenheims verwendet worden seien.

Mit der Revision beantragt das FA Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Es vertritt den Standpunkt, der Gesetzgeber habe davon ausgehen können, daß die Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 4 WoPG, durch Rechtsverordnung den Inhalt der Verträge im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 WoPG zu bestimmen, auch die Bestimmung der Verwendungsfrist umfasse. Auch der Wortlaut des § 5 Abs. 2 WoPG schließe entgegen der Ansicht des FG die Rückforderung der Prämie nicht aus. Die Verwendung zu dem vertragsmäßigen Zweck umfasse auch die in der Durchführungsverordnung bestimmte Verwendungsfrist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Als Aufwendungen zur Förderung des Wohnungsbaues im Sinne des § 1 Nr. 2 WoPG 1955 gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 WoPG u. a. Beiträge aufgrund von Verträgen, die mit Wohnungs- und Siedlungsunternehmen oder Organen der staatlichen Wohnungspolitik nach der Art von Sparverträgen mit festgelegten Sparraten auf die Dauer von mindestens drei Jahren mit dem Zweck einer Kapitalansammlung abgeschlossen sind, wenn die eingezahlten Beträge und die Prämien zum Bau oder Erwerb einer Kleinsiedlung, eines Kaufeigenheims oder einer Wohnung in der Rechtsform des Wohnungseigentums oder eines eigentumsähnlichen Dauerwohnrechts verwendet werden. § 9 Abs. 1 Nr. 4 WoPG 1955 enthält eine Ermächtigung an die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen über den Inhalt der in § 2 Abs. 1 Nr. 4 WoPG bezeichneten Verträge. Aufgrund dieser Ermächtigung wurden die §§ 13 bis 18 WoPDV vom 8. September 1955 (BGBl I 1955, 585, BStBl I 1955, 454) erlassen. In § 16 Abs. 1 ist bestimmt, daß der angesammelte Betrag zusammen mit den Prämien innerhalb eines Jahres nach dem Zeitpunkt, in dem nach dem Vertrag die letzte Zahlung zu leisten ist, von dem Prämienberechtigten oder der im Vertrag bezeichneten anderen Personen zu dem in § 2 Abs. 1 Nr. 4 WoPG 1955 bezeichneten Zweck zu verwenden ist. In der für den Streitfall maßgebenden WoPDV in der Fassung vom 8. März 1960 ist diese Frist durch eine Frist von drei Jahren ersetzt worden.

Der Senat hat im Urteil vom 25. März 1970 VI R 130/67 (BFHE 98, 522, BStBl II 1970, 480) in einem dem Streitfall im wesentlichen gleichgelagerten Fall entschieden, daß die bezeichnete Ermächtigung zur Bestimmung der Verwendungsfrist ausreicht. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Daraus, daß die Ermächtigung in § 9 Abs. 1 Nr. 4 WoPG 1955 durch Art. 11 Nr. 6d StÄndG 1969 vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) stärker konkretisiert und der Verordnungsgeber nunmehr ausdrücklich ermächtigt wurde, eine Frist von mindestens drei Jahren zu bestimmen, in denen die Prämien zusammen mit den prämienbegünstigten Aufwendungen zu dem vertragsmäßigen Zweck zu verwenden sind, kann nach Auffassung des Senats nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe die Ermächtigung in ihrem bisherigen Wortlaut für nicht ausreichend und damit für ungültig gehalten. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu Art. 7 Nr. 1 des 2. StÄndG 1968 = Art. 11 Nr. 1 StÄndG 1969 (Bundestags-Drucksache V/3890 - 5. Wahlperiode) sind nur "die Vorschriften des § 2 Abs. 1 Nr. 3 und 4 WoPG redaktionell neu gefaßt und vereinheitlicht worden".

Es kann aber auch der Ansicht des FG nicht beigepflichtet werden, eine Rückforderung sei nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 2 WoPG 1955 nicht zulässig, weil der vertragsmäßige Zweck, der in § 2 Abs. 1 Nr. 4 WoPG 1955 gefordert werde, erfüllt sei; denn es sei mit den angesammelten Beträgen und den Prämien ein Kaufeigenheim erworben worden. Das allein genügt nicht. Andernfalls würde die Verwendungsfrist ihren Inhalt verlieren. Eine Verwendung zu dem vertragsmäßigen Zweck kann vielmehr dann, wenn es sich um den Erwerb eines Eigenheims handelt, regelmäßig nur angenommen werden, wenn die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch oder doch mindestens die Auflassung erfolgt ist. Das kann aber ausnahmsweise dann nicht gelten, wenn der Erwerber alles zur Erfüllung des Vertrages getan hat und die Nichtvornahme der Auflassung auf Umständen beruht, die nicht er, sondern das Wohnungsunternehmen zu vertreten hat. Eine Verwendung zu dem vertragsmäßigen Zweck kann dann frühestens in dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer geworden ist. Voraussetzung ist aber stets, daß der Erwerb des bürgerlich-rechtlichen Eigentums nachfolgt; das braucht nicht unbedingt innerhalb der Dreijahresfrist zu geschehen. Für diese, dem wohnungspolitischen Zweck des WoPG 1955 gerecht werdende Ansicht spricht auch, daß die dem gleichen Zweck dienende erhöhte Absetzung nach § 7b EStG dem wirtschaftlichen Eigentümer zusteht, sofern er später auch bürgerlich-rechtlicher Eigentümer wird (vgl. Abschn. 56 Abs. 4 EStR 1969). Zudem steht auch die allgemeine AfA dem wirtschaftlichen und nicht dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer zu (vgl. Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 7, Anm. 3; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 9. Aufl., § 7 Rdnr. 34).

Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger offensichtlich von sich aus alles zur Erfüllung des auf die Erlangung eines Eigenheims gerichteten Vertrages getan. Er hat das Baugrundstück besorgt und bezahlt, während des Baues nicht unerhebliche Eigenleistungen erbracht und den fertigen Bau auf Grund des Hausanwärtervertrages bezogen. Daß das Eigentum an dem Baugrundstück nicht ihm und seiner Schwiegermutter, die es bezahlt hatten, sondern der Baugenossenschaft übertragen wurde, hatte seinen Grund offenbar in der Modalität der Finanzierung. Es ist den Feststellungen des FG nichts dafür zu entnehmen, daß die überaus späte Eigentumsübertragung an den Kläger und seine Ehefrau ihren Grund in der Säumigkeit des Klägers in der Erbringung vertraglicher Leistungen gehabt hätte.

Bei der geschilderten sachlage sind der Kläger und seine Ehefrau auch als wirtschaftliche Eigentümer des Hausgrundstücks anzusehen. Der Kläger ist insoweit nicht mit einem Dauerwohnberechtigten zu vergleichen, für den der BFH im Urteil vom 23. April 1953 IV 494/52 U (BFHE 57, 439, BStBl III 1953, 171) die Annahme wirtschaftlichen Eigentums abgelehnt hat. Während die Stellung des Dauerwohnberechtigten auf einen langen Zeitraum ausgerichtet ist, währenddessen er zwar eine stärkere Stellung als die eines Mieters hat, aber von der Stellung eines Eigentümers weit entfernt ist, waren im Streitfall die gesamten Vertragsbeziehungen auf die alsbaldige Verschaffung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums gerichtet. Besonders gewichtig erscheint dem Senat dabei, daß der Kläger mit seinen Angehörigen das Grundstück bezahlt, durch erhebliche Eigenleistungen an dem Bau des Eigenheims mitgewirkt hat und schließlich auch zusammen mit seiner Ehefrau der bürgerlich-rechtliche Eigentümer geworden ist.

Der dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetretene BdF teilt diese Auffassung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70438

BStBl II 1973, 521

BFHE 1973, 558

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