Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr vom 7. September 1951 - AusfFördDV 1951 - (BGBl 1951 I S. 821, BStBl 1951 I S. 581) und die gleichlautende Vorschrift der AusfFördDV 1954 vom 31. Dezember 1954 (BGBl 1955 I S. 7, BStBl 1955 I S. 13) sind mit § 1 Abs. 4 Ziff. 1 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr vom 28. Juni 1951 - AusfFördG 1954 - (BGBl 1951 I S. 405, BStBl 1951 I S. 228) und der gleichlautenden Vorschrift des AusfFördG 1953 vom 18. September 1953 (BGBl 1953 I S. 1378, BStBl 1953 I S. 402) insoweit unvereinbar und daher ungültig, als sie Beförderungsleistungen zwischen sowjetzonalen und ausländischen Häfen von der Steuervergünstigung ausschließen.

 

Normenkette

AusfFördG § 1 Abs. 4 Ziff. 1; AusfFördDV § 7 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Beförderungsleistungen zwischen sowjetzonalen und ausländischen Häfen in den Jahren 1951, 1954 und 1955 nach den Vorschriften über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr einkommensteuerbegünstigt sind (ß 1 Abs. 4 Ziff. 1 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr - AusfFördG - vom 28. Juni 1951, BGBl 1951 I S. 405, BStBl 1951 I S. 228; § 7 Abs. 2 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr - AusfFördDV - vom 7. September 1951, BGBl 1951 I S. 821, BStBl 1951 I S. 581, und die gleichlautenden Vorschriften des AusfFördG 1953, BGBl 1953 I S. 1378, BStBl 1953 I S. 402, und der AusfFördDV 1954, BGBl 1955 I S. 7, BStBl 1955 I S. 13).

Der Bf. ist Schiffsreeder. Er führte Fahrten u. a. zwischen Häfen in der sowjetischen Besatzungszone und ausländischen Häfen durch. Das Finanzamt versagte die beantragte Vergünstigung nach den Vorschriften des AusfFördG, da durch § 7 Abs. 2 AusfFördDV nur Fahrten zwischen einem Hafen im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) einschließlich Berlin (West) und einem ausländischen Hafen oder zwischen zwei ausländischen Häfen für steuerbegünstigt erklärt seien.

Die Berufung wurde darauf gestützt, daß die Vorschrift des § 7 Abs. 2 AusfFördDV rechtsungültig sei, da sie auf einer nicht hinreichend bestimmten Ermächtigung beruhe und im übrigen inhaltlich gegen das AusfFördG verstoße. Sie blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.

Nach § 1 Abs. 1 AusfFördG werden bei den Steuern vom Einkommen und vom Ertrag für die im Gesetz bezeichneten Lieferungen und sonstigen Leistungen Steuererleichterungen gewährt. Die Steuererleichterungen bestehen darin, daß eine steuerfreie Rücklage gebildet und daß bei der Gewinnermittlung gewisse Beträge abgesetzt werden können (§§ 3 und 4 AusfFördG). Zu den begünstigten sonstigen Leistungen gehören die Beförderungsleistungen von Handelsschiffen und Binnenschiffen auf Grund von Fracht- oder überfahrtverträgen im Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen (ß 1 Abs. 4 Ziff. 1 AusfFördG). Durch § 10 Abs. 1 AusfFördG wurde die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats zur Durchführung dieses Gesetzes Rechtsverordnungen zu erlassen über eine nähere Bestimmung u. a. des Begriffs "Beförderungsleistungen der Handelsschiffe und Binnenschiffe". Von dieser Ermächtigung machte der Verordnungsgeber Gebrauch in der AusfFördDV. Nach § 7 Abs. 2 AusfFördDV sind Frachtverträge im Sinn des § 1 Abs. 4 Ziff. 1 des Gesetzes "Verträge zur Beförderung von Gütern (Stückgutfrachtverträge, Raumfrachtverträge) zwischen einem Hafen im Geltungsbereich des GG oder in Berlin (West) und einem ausländischen Hafen oder zwischen ausländischen Häfen". Dementsprechend sind überfahrtverträge im Sinne des § 1 Abs. 4 Ziff. 1 des Gesetzes "Verträge zur Beförderung von Personen im Linienverkehr zwischen den in Abs. 2 bezeichneten Häfen" (ß 7 Abs. 3 AusfFördDV). In § 7 Abs. 4 Satz 2 AusfFördDV ist als Inland das Gebiet bezeichnet, das nicht Ausland im Sinn des § 9 Abs. 2 ist. In § 9 Abs. 2 AusfFördDV ist der Begriff Ausland im Sinn des § 1 Abs. 4 des Gesetzes umschrieben als "das Gebiet außerhalb der vier Besatzungszonen und der Stadt Berlin".

Es kann für die Entscheidung dahingestellt bleiben, ob nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG die dem Verordnungsgeber erteilte Ermächtigung zur Bestimmung von Begriffen überhaupt zulässig war (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Juni 1964 - 2 BvL 23/62 -, BStBl 1964 I S. 528) sowie, ob eine Ermächtigung zur Bestimmung des Gesetzesinhalts über die Festlegung des Begriffs der Beförderungsleistungen hinaus zulässig war (vgl. den Unterschied in der Wortfassung einerseits des § 1 Abs. 4 Ziff. 1, andererseits des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a AusfFördG). Denn selbst wenn beide Voraussetzungen bejaht werden, ergibt die Auslegung des Gesetzes, daß § 7 Abs. 2 AusfFördDV eine Einschränkung des Gesetzesinhalts vorschreibt und mithin eine überschreitung der Ermächtigung beinhaltet, die die Ungültigkeit der Vorschrift zur Folge hat.

Die Fassung der Worte "Verkehr mit oder zwischen ausländischen Häfen" in § 1 Abs. 4 Ziff. 1 AusfFördG schließt den Verkehr zwischen sowjetzonalen und ausländischen Häfen nicht aus. Auch insoweit handelt es sich um Verkehr "mit ausländischen Häfen", da die Sowjetzone zum Inland gehört (ß 9 Abs. 2 AusfFördDV). Nach dem Sinn der gesetzlichen Vorschrift kann es nicht zu den Voraussetzungen der Steuervergünstigung gehören, daß der Ausgangspunkt oder der Zielort der Beförderungsleistung ein Hafen im Geltungsbereich des GG (einschließlich Berlin-West) ist; denn auch Beförderungsleistungen zwischen ausländischen Häfen sind steuerbegünstigt. Das Gesetz ist deshalb dahin auszulegen, daß die Steuererleichterung Beförderungsleistungen zwischen inländischen (einschließlich sowjetzonalen) und ausländischen Häfen oder zwischen ausländischen Häfen voraussetzt. Nicht steuerbegünstigt sind dagegen Beförderungsleistungen zwischen einem Hafen im Geltungsbereich des GG und einem sowjetzonalen Hafen, da es sich dabei nicht um Ausfuhrleistungen im Sinn des Gesetzes, sondern um Leistungen im Inlande handelt. Es kommt somit nur darauf an, daß bei der Beförderungsleistung ein ausländischer Hafen beteiligt ist. Hiernach ergibt sich für Beförderungsleistungen zwischen sowjetzonalen und ausländischen Häfen ein Steuererleichterungsanspruch.

Die Einschränkung des § 7 Abs. 2 AusfFördDV, die diesen Anspruch ausschließt, ist weder durch den Wortlaut noch durch den Sinn des Gesetzes gedeckt. Der nur zur Durchführung des Gesetzes ermächtigte Verordnungsgeber war hierzu nicht berechtigt. Durchführungsverordnungen sind dem Gesetz nachgeordnet und dürfen von ihm nur insoweit abweichen, als dazu ausdrücklich ermächtigt ist (vgl. Jacobi, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II S. 254; Hensel, ebenda, Bd. II S. 318 ff.; Wolff, Verwaltungsrecht I, 5. Auflage S. 106; Urteil des Bundesfinanzhofs V 162/52 S vom 8. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 113, Slg. Bd. 60 S. 294, und die dort angeführten Entscheidungen). Es wäre Sache des Gesetzgebers gewesen, eine solche etwa auf politischen Erwägungen beruhende Einschränkung im Gesetz vorzusehen. Der Verordnungsgeber konnte diese Entscheidung nicht an Stelle des Gesetzgebers von sich aus treffen.

Der Senat wendet hiernach die Vorschrift des § 7 Abs. 2 AusfFördDV insoweit nicht an, als sie die Beförderung von Gütern zwischen einem Hafen im Inland außerhalb des Geltungsbereichs des GG (einschließlich Berlin-West) und einem ausländischen Hafen von der steuerlichen Begünstigung ausschließt.

Dem Bf. sind deshalb die sich aus den Vorschriften des AusfFördG ergebenden Steuererleichterungen für Beförderungsleistungen zwischen sowjetzonalen und ausländischen Häfen zu gewähren. Die Vorentscheidungen, die von anderen Rechtsgrundsätzen ausgingen, werden aufgehoben.

Die Sache wird zur Steuerberechnung an das Finanzamt zurückverwiesen.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 18

BFHE 1965, 52

BFHE 81, 52

StRK, ESt AusfFördG:1/1u4 R 2

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge