Leitsatz (amtlich)

Der Kauf eines Grundstücksanteils umfaßt grunderwerbsteuerrechtlich zumindest diejenige anteilige Bausubstanz eines zu errichtenden Gebäudes, die im Zeitpunkt der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit des Kaufvertrages bereits vorhanden ist. Das gilt selbst dann, wenn der Käufer mit der Grundstückseigentümerin nur einen Kaufpreis für den unbebauten Grund und Boden und das Entgelt für die Bausubstanz in einem gesonderten "Baubetreuungsvertrag" vereinbart, den er mit einer der Grundstückseigentümerin nahestehenden Gesellschaft abschließt.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 94

 

Tatbestand

I. Die Prozeßbeteiligten streiten darum, in welchem Umfang das Entgelt für eine Eigentumswohnung zur Berechnung der Grunderwerbsteuer heranzuziehen ist, d. h. ob die Klägerin nur den Anteil am Grund und Boden gekauft und die Wohnung ganz oder teilweise selbst "errichtet" hat.

1. a) Am 19./20. Juni 1969 schloß die Klägerin mit der X-KG (Vermögensverwaltungs-KG) und der Y-KG (Baubetreuungs-KG), die beide dieselben Gesellschafter haben, einen schriftlichen Vertrag (Vertrag I). Darin verpflichtete sich die Klägerin unter anderem

aa) von der Grundstückseigentümerin, der Vermögensverwaltungs-KG, einen unbebauten Grundstücksanteil in A zum Preis von 1 000 DM zu kaufen;

bb) die Baubetreuungs-KG mit der Betreuung der Errichtung einer Eigentumswohnung zum Festpreis von 51 000 DM zu beauftragen;

cc) die Finanzierung des Gesamtbetrages von 52 000 DM in bestimmter Weise vorzunehmen;

dd) den Zeitpunkt der Beurkundung der Verträge gemäß aa) und bb) sowie den Notar durch die Baubetreuungs-KG bestimmen zu lassen und

ee) bei einem von der Vermögensverwaltungs-KG und der Baubetreuungs-KG nicht verschuldeten Rücktritt vom Vertrag 5 v. H. des Gesamtbetrages von 52 000 DM zu zahlen.

b) Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27. Oktober/9. November 1970 kaufte die Klägerin von der Vermögensverwaltungs-KG einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück in A, verbunden mit dem Sondereigentum an einer näher bezeichneten Wohnung, für 1 000 DM (Vertrag II). Beide Vertragspartner konnten u. a. dann vom Vertrag zurücktreten, wenn der geplante Bauvertrag (vgl. u. c.) nicht abgeschlossen oder wieder aufgehoben würde.

c) Ebenfalls am 27. Oktober/9. November 1970 schloß die Klägerin mit der Baubetreuungs-KG einen notariell beurkundeten Vertrag, wonach sie dieser Gesellschaft den Auftrag zur Errichtung der in dem Vertrag II genannten Eigentumswohnung erteilte (Vertrag III). Sie bevollmächtigte die Baubetreuungs-KG, in ihrem (der Klägerin) Namen und für ihre Rechnung die Aufträge zur Errichtung der Wohnung bis zum Festpreis von 51 000 DM zu vergeben. Sonderwünsche sollte sie selbst mit den Bauhandwerkern vereinbaren und abrechnen. Sie verzichtete auf Rechnungslegung durch die Baubetreuungs-KG. Deren vertragliche Verpflichtungen sollten enden, falls die Klägerin nicht Eigentümerin des Grundstücksanteils wurde.

2. Die Eigentumswohnung wurde nicht als grundsteuerbegünstigt anerkannt. Das beklagte Finanzamt setzte deshalb gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Dabei ging es von folgenden Überlegungen aus:

Mit der Errichtung des Gebäudes, in welchem sich die betreffende Eigentumswohnung befindet, war Mitte 1970 begonnen worden. Das Finanzamt errechnete, daß nach seinen Ermittlungen diese Wohnung am 9. November 1970 zu 92,05 v. H. fertiggestellt gewesen sei. Es war der Ansicht, die Klägerin habe den Grundstücksanteil mit der insoweit fertiggestellten Bausubstanz gekauft. Als Gegenleistung sah es den Kaufpreis für den Grundstücksanteil (Vertrag II) und 92,05 v. H. des gemäß dem Vertrag III zu leistenden Entgelts an. Nach den so errechneten 42 679 DM erhob es 2 987,50 DM Grunderwerbsteuer. In dem Steuerbescheid bezeichnete es die Vermögensverwaltungs-KG als Veräußerin und den mit dieser Gesellschaft abgeschlossenen notariell beurkundeten Vertrag (Vertrag II) als "Rechtsvorgang". In den "Erläuterungen" des Bescheides wurde u. a. vermerkt, die Gegenleistung sei entsprechend dem tatsächlichen Grad der Fertigstellung der Eigentumswohnung bei Rechtswirksamkeit des notariellen Kaufvertrages aus dem anteiligen Gesamtkaufpreis (einschließlich des Preises für den Grund und Boden) errechnet worden.

Der Einspruch gegen den Steuerbescheid hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht wies die Klage ab. Es kam zu dem Ergebnis, die Klägerin habe von der Vermögensverwaltungs-KG den Anteil am Grund und Boden erworben (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -) und von der Baubetreuungs-KG die Verwertungsmöglichkeit an der zu der Eigentumswohnung gehörenden Bausubstanz erhalten (§ 1 Abs. 2 GrEStG). Die Steuer sei daher von dem gesamten Entgelt für Grundstücksanteil und Wohnung zu berechnen. Da die Steuer nicht erhöht werden könne, verbleibe es bei der Berechnung des Finanzamts.

Es schade nicht, daß das Finanzamt im angefochtenen Steuerbescheid nur die Vermögensverwaltungs-KG als Veräußerin und den mit dieser Gesellschaft geschlossenen Vertrag (Vertrag II) als Erwerbsvorgang bezeichnet habe. Durch diese unrichtige Bezeichnung werde die Klägerin nicht beschwert. Aus dem Steuerbescheid und seinen Erläuterungen sei eindeutig ersichtlich, daß das Finanzamt den Erwerb der teilweise fertiggestellten Wohnung erfaßt habe.

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO -).

Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt bleibt offen, ob das Entgelt für die Bausubstanz in dem vom Finanzamt errechneten Umfang zur Gegenleistung i. S. des § 11 GrEStG zählt.

1. Der Senat folgt weder der Auffassung der Klägerin zur grunderwerbsteuerrechtlichen Bedeutung des Vertrages I noch schließt er sich der Ansicht des Finanzgerichts an, daß die Klägerin durch den Vertrag III die Verwertungsmöglichkeit an der Bausubstanz erhalten habe.

a) Der Vertrag I enthält keinen Rechtsvorgang i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Er verpflichtete die Klägerin nur zum Abschluß eines Kaufvertrages über den Grundstücksanteil und konnte überdies mangels notarieller Beurkundung (§ 313 Satz 1 BGB) nicht i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einen Anspruch auf Übereignung begründen (Urteil vom 17. Dezember 1975 II R 35/69, BFHE 118, 367, BStBl II 1976, 465). Damit entfällt die Möglichkeit, daß die Klägerin bereits durch diesen Vertrag den Anteil an dem - damals noch - unbebauten Grundstück erworben und ihn übereinstimmend mit der Verkäuferin in diesem (unbebauten) Zustand zum Gegenstand des Kaufvertrages gemacht hatte.

b) Die Baubetreuungs-KG konnte der Klägerin auch nicht durch den Vertrag III die Verwertungsmöglichkeit (§ 1 Abs. 2 GrEStG) an der Bausubstanz verschaffen. Die Rechtsmacht zu solch einer Maßnahme liegt regelmäßig beim Eigentümer der Grundfläche, deren wesentliche Bestandteile die aufstehenden Gebäude oder Gebäudeteile sind. Eigentümerin des Grundstückes war im vorliegenden Fall nicht die Baubetreuungs-KG, sondern die Vermögensverwaltungs-KG. Gegenüber dieser hatte die Baubetreuungs-KG nach dem festgestellten Sachverhalt keinerlei Rechte, die es ihr ermöglicht hätten, einem Dritten die Bausubstanz "dem Werte nach" zu übertragen.

2. Gegenstand der Besteuerung ist demnach nur der Kauf des Grundstücksanteiles (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).

a) Der hier begründete Anspruch auf Übereignung des gekauften Gegenstandes erfaßte zwangsläufig auch die bei Vertragsabschluß vorhandene auf den Grundstücksanteil entfallende Bausubstanz, denn diese war wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens (§ 94 BGB). Die Vertragspartner konnten daher den Grundstücksanteil nicht in einem zeitlich zurückliegenden (unbebauten) Zustand zum Gegenstand des Kaufvertrages machen. Für den vorliegenden Fall gilt dies umso mehr, als die "Baubetreuerin" eine mit der Grundstücksverkäuferin durch dieselben Gesellschafter verbundene Gesellschaft ist. Die Klägerin konnte die Gesellschaft nicht frei auswählen; diese war ihr (der Klägerin) vielmehr durch die bei Abschluß des Vertrages II vorhandenen Verhältnisse zwangsläufig als Vertragspartner vorgegeben. Dementsprechend hatte sie sich in dem Vertrag I zum Abschluß der Verträge II und III (also auch des Baubetreuungsvertrages) verpflichtet. Zusätzlich hatte nach § 6 Buchst. b des Vertrages II jede Seite ein Rücktrittsrecht für den Fall, daß der Vertrag III nicht zustande kam oder aufgehoben wurde. Ausschlaggebend sind diese Vereinbarungen für die Besteuerung freilich nicht. Sie sind nur die zwangsläufige Folge dessen, daß ein Grundstück und seine wesentlichen Bestandteile kein voneinander abweichendes rechtliches Schicksal haben können (vgl. auch § 6 des Wohnungseigentumsgesetzes - WEG -).

Ob die Klägerin schon zu irgendeinem Zeitpunkt vor Abschluß des Vertrages III die Baubetreuungs-KG mit der Betreuung des Bauvorhabens beauftragt hatte, kann demnach in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Selbst wenn die Baubetreuungs-KG schon vorher "im Namen" der Klägerin gebaut hatte, so hätte sie doch in das Eigentum der Vermögensverwaltungs-KG und nicht in das der Klägerin "hineingebaut". Diese hatte vor Abschluß des Vertrages II keinerlei Rechte an dem Grundstück und nicht einmal einen Anspruch auf dessen Übereignung. Um die Bausubstanz in die Hand zu bekommen, mußte sie den Grundstücksanteil kaufen.

Somit ergibt sich, daß die Klägerin zusammen mit dem Anteil am Grund und Boden auf jeden Fall auch den Anteil an derjenigen Bausubstanz gekauft hat, die bei Abschluß des Vertrages II vorhanden war. Berechnungsgrundlage für die Steuer ist demgemäß zumindest das Entgelt, das auf den Grund und Boden sowie die bei Vertragsabschluß vorhandene Bausubstanz entfällt.

Unschädlich ist, daß das Entgelt für die Bausubstanz nicht in dem Vertrag II, sondern in dem Vertrag III und mit einem anderen Vertragspartner (Baubetreuungs-KG) vereinbart worden war; denn die Verträge II und III sind trotz ihrer äußeren Trennung ein einheitliches Vertragswerk. Das bedingt der bereits genannte Umstand, daß die Bausubstanz wesentlicher Bestandteil des Grundstückes war und daher das eine nicht ohne das andere verkauft werden konnte. Die Beteiligten haben diese Verknüpfung auch selbst durch die bereits genannte Vertragsklausel in § 6 Buchst. b des Vertrages II zum Ausdruck gebracht. Der Kaufvertrag enthielt demnach zugleich die Verpflichtung der Klägerin, als Entgelt für die Übertragung des Grundstücksanteils den über 1 000 DM hinausgehenden Kaufpreis an die Baubetreuungs-KG zu zahlen (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 328 Abs. 1 BGB).

b) Das Finanzamt hat bei Errechnung der Gegenleistung und der Grunderwerbsteuer als Tag des Vertragsabschlusses den 9. November 1970 angenommen. Das ist jedoch - soweit erkennbar - lediglich der Termin, zu welchem in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 5 Nr. 5 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) die Grunderwerbsteuer entstanden ist; denn der Vertrag II war am 27. Oktober 1970 von einer anderen Person im Namen und ohne Vollmacht der Klägerin geschlossen worden. Diese hatte am 9. November 1970 die für sie abgegebenen Erklärungen genehmigt (§ 164 Abs. 1, § 177 Abs. 1 BGB). Bürgerlich-rechtlich wirkte die Genehmigung jedoch auf den Tag des Vertragsabschlusses zurück (§ 184 Abs. 1 BGB). Dieses Datum, der 27. Oktober 1970, wäre somit auch der Stichtag für die Berechnung der Gegenleistung und der Steuer; hätte die Klägerin den Grundstücksanteil im Zustand der Bebauung gekauft, so wäre nur der Zustand im Zeitpunkt der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit des Vertrages II maßgebend. Die Frage, wann die Grunderwerbsteuer entstand, ist hier ohne Bedeutung.

Die Berechnung der Besteuerungsgrundlage nach einem späteren Stichtag läßt sich demnach nur dann rechtfertigen, wenn die Partner des Vertrages II den Grundstücksanteil in einem späteren Zustand als dem bei Vertragsabschluß zum Gegenstand des Kaufes gemacht haben, wenn also zum Beispiel der Klägerin der Grundstücksanteil mit der noch herzustellenden Eigentumswohnung verkauft wurde. Das Finanzgericht hat sich auf die Urteile vom 4. September 1974 II R 112/69 (BFHE 113, 545, BStBl II 1975, 89) und II R 119/73 (BFHE 113, 480, BStBl II 1975, 91) berufen. Dort hat jedoch der Senat nur die Meinung vertreten, daß ein Wohnungseigentümer seine Wohnung nicht allein errichten könne. Diese Ansicht schließt eine andere Gestaltung nicht aus. Die künftigen Wohnungseigentümer können sich in irgendeiner Form zusammenschließen und das Haus errichten oder fertigstellen, in welchem sich die Eigentumswohnungen befinden bzw. befinden werden (Urteil vom 6. Oktober 1976 II R 65/71, BFHE 120, 292, BStBl II 1977, 88). Das Finanzgericht hat dieses nach seiner Entscheidung ergangene Urteil nicht berücksichtigen können und deshalb keine entsprechenden Tatsachen ermittelt. Diese Aufklärung des Sachverhaltes wird nachzuholen sein. Nur wenn sich ergibt, daß die Eigentumswohnung in einem teilweise fertiggestellten Zustand nach Vertragschluß zum Gegenstand des Kaufes gemacht worden war oder daß die Klägerin sogar die noch herzustellende fertige Eigentumswohnung gekauft hat, ist die Berechnung der Besteuerungsgrundlage nach einem späteren Stichtag als dem 27. Oktober 1970 gerechtfertigt. Oberste Grenze der Steuer ist dabei der vom Finanzamt geforderte Betrag, dessen Berechnung die Klägerin hinsichtlich der Bemessungsgrundlage vor dem Finanzgericht - wenn auch ohne nähere Begründung - angegriffen hat.

Das Urteil des III. Senats des Bundesfinanzhofs vom 25. Juni 1976 III R 167/73 (BFHE 119, 336, BStBl II 1976, 728) kann für den vorliegenden Fall in grunderwerbsteuerrechtlicher Hinsicht keine Maßstäbe setzen. Der III. Senat hat dort ausdrücklich betont, daß der Förderungsgedanke des § 1 des Investitionszulagengesetzes hinsichtlich der Bauherreneigenschaft Abweichungen (zugunsten des Anspruchsberechtigten) vom Ertragsteuerrecht und Grunderwerbsteuerrecht zulasse.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72852

BStBl II 1978, 635

BFHE 1979, 463

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