Entscheidungsstichwort (Thema)

Parkplatz eines Warenhauses nicht grundsteuerfrei

 

Leitsatz (NV)

Der Parkplatz, den die Kunden eines Warenhauses gegen Entrichtung einer Parkgebühr zum Parken benutzen dürfen und der außerhalb der Öffnungszeiten des Warenhauses von jedermann auf eigene Gefahr unentgeltlich benutzt werden darf, ist nicht von der Grundsteuer befreit (Änderung der Rechtsauffassung).

 

Normenkette

GrStG 1973 § 4 Nr. 3 Buchst. a, § 17 Abs. 2 Nr. 2; FGO § 126 Abs. 4

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, benutzt mehrere Grundstücke in A zum Betrieb eines Warenhauses mit Parkplatz. Als Parkplatz benutzt sie Teile der Grundstücke G 1 und G 2. Der Parkplatz hat 63 Stellplätze. Er ist durch ein Hinweisschild gekennzeichnet als Parkplatz für die Kunden der Klägerin. Der Benutzer des Parkplatzes erhält gegen Zahlung einer Parkgebühr einen Parkschein, der mit einem Gutschein verbunden ist, der bei Einkäufen von mindestens 5 DM am Lösungstag für 1,60 DM in Zahlung genommen wird. Außerhalb der Geschäftszeit des Warenhauses der Klägerin kann der Parkplatz von jedermann auf eigene Gefahr unentgeltlich benutzt werden. Den Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 1974 hatte das Finanzamt (FA) für das Grundstück G 1 durch Bescheid vom 16. September 1975 auf 1 802,85 DM, den für das Grundstück G 2 durch Bescheid vom 24. September 1975 auf 1 104,95 DM festgesetzt.

Im Dezember 1982 beantragte die Klägerin, die Grundsteuermeßbeträge neu festzusetzen und den als Parkplatz benutzten Teil des jeweiligen Grundstücks als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 3 Buchst. a des Grundsteuergesetzes (GrStG) zu beurteilen, da der Parkplatz jedermann zugänglich sei und demzufolge dem öffentlichen Verkehr diene.

Das FA lehnte die Anträge ab mit der Begründung, Parkplätze, die nur gegen Entgelt benutzt werden dürften, dienten nicht dem öffentlichen Verkehr. Es stützte seine Auffassung auf Abschn. 18 Abs. 1 der Grundsteuer-Richtlinien (GrStR) und die gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betr. grundsteuerliche Behandlung von Parkplätzen und Parkhäusern vom 20. Juni 1977 (BStBl I 1977, 351, 352).

Mit ihren Klagen hat die Klägerin begehrt, die ablehnenden Verwaltungsakte aufzuheben und das FA zu verpflichten, ,,den auf den Parkplatz entfallenden Grund und Boden ab 1. 1. 1982 von der GrSt freizustellen".

Das Finanzgericht (FG) hat die von ihm verbundenen Klagen abgewiesen. Es hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt. Sein Urteil ist auszugsweise veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1985, 140.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG. Sie beantragt, das Urteil des FG, die Ablehnungsbescheide und die Einspruchsentscheidungen aufzuheben und das FA zu verpflichten, den auf den Parkplatz entfallenden Teil des Grundbesitzes ab 1. Januar 1982 von der Grundsteuer freizustellen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte, das FA, beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen. Die Entscheidung stellt sich aus anderen Gründen als denen, die das FG seiner Entscheidung zugrunde legte, als richtig dar (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Eine Verletzung des bestehenden Rechts ergeben die Entscheidungsgründe insofern, als das FG angenommen hat, ,,auch im Privateigentum stehende Straßen, Plätze usw." könnten steuerfrei bleiben, ,,wenn sie dem öffentlichen Verkehr in der Weise dienen, daß sie der Allgemeinheit zugänglich" seien. Eine öffentlich-rechtliche Widmung sei nicht erforderlich, auch sei unerheblich, wessen Interesse der Verkehr diene.

Die dahingehende Rechtsauffassung ließ sich zwar den vom FG angeführten Urteilen des III. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) entnehmen (Urteile vom 11. November 1970 III R 55/69, BFHE 100, 325, 327, BStBl II 1971, 32, und vom 14. November 1980 III R 23/78, BFHE 132, 475, 477, BStBl II 1981, 355). Denn dort ist ausgeführt, ,,daß eine Straße immer dann dem öffentlichen Verkehr dient, wenn auf der Straße tatsächlich ein öffentlicher Verkehr im Sinne des Straßenverkehrsrechts stattfindet, d. h., wenn die Straße tatsächlich eine Beschränkung auf bestimmte, mit dem Verfügungsberechtigten in enger Beziehung stehende Personen zugänglich ist und auch tatsächlich so benutzt wird"; die öffentlich-rechtliche Widmung sei weder erforderlich, noch für sich allein ausreichend.

An der in jenen Urteilen vertretenen Rechtsauffassung hält der erkennende und nunmehr für die Grundsteuer zuständige Senat jedoch nicht fest. Denn sie würde infolge ihrer Anknüpfung an das Straßenverkehrsrecht zu einer starken Ausweitung des Anwendungsbereichs der Befreiungsvorschrift führen. Das stünde nicht in Einklang mit der Absicht des Gesetzgebers, ,,die Befreiungen möglichst eng zu halten" (Begründung zum GrStG, RStBl 1937, 717, rechte Spalte unten). Auch würde jene Rechtsauffassung nicht dem Sinn der Befreiung entsprechen (s. unten).

Die Entscheidung selbst stellt sich aber aus folgenden Gründen als richtig dar.

Es war richtig, die Verpflichtungsklage abzuweisen. Denn die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Neuveranlagung des Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1981 (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 GrStG) lagen in dem für die Beurteilung maßgebenden Zeitpunkt - dem Zeitpunkt der Entscheidung des FG (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Mai 1977 VII R 101/76, BFHE 122, 376, 380, BStBl II 1977, 706) - aus folgendem Grunde nicht vor: Der Parkplatz der Klägerin diente nicht dem öffentlichen Verkehr im Sinne der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG, weil er nicht durch Widmung und Indienststellung zu einer (rechtlich) öffentlichen Sache geworden war. Es genügt nicht für die Grundsteuerbefreiung, daß der Eigentümer im Rahmen seiner Verfügungsmacht (§ 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) den Parkplatz von einem unbestimmten Personenkreis zum Parken benutzen und dadurch die Abstellflächen des Parkplatzes zu (tatsächlich) öffentlichen Verkehrsflächen im Sinne des Straßenverkehrsrechts werden läßt. Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht sind unterschiedliche Gesetzgebungsmaterien mit unterschiedlichen Zielsetzungen (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 9. Oktober 1984 2 BvL 10/82, BVerfGE 67, 299, 314).

Sinn und Zweck der Befreiung gebieten, bei der Beurteilung, ob das Parkhaus der Klägerin unmittelbar dem öffentlichen Verkehr dient, an das Straßenrecht, nicht an das Straßenverkehrsrecht anzuknüpfen. Denn Grundgedanke der Befreiung ist: Verkehrsflächen, Bauwerke und Einrichtungen, die unmittelbar dem öffentlichen Verkehr dienen, sollen von der Grundsteuer befreit sein, weil sie zwangsläufig privatwirtschaftlicher Nutzung entzogen bleiben. Diesem Grundgedanken der Befreiung würde es widersprechen, wenn die Befreiungsvorschrift auch auf Grundflächen angewendet werden würde, auf denen zwar ein (tatsächlich) öffentlicher Verkehr stattfindet, dieser Verkehr aber nicht Selbstzweck ist, sondern nur Mittel zum Zweck, nämlich Funktion im Rahmen eines auf nachhaltige, wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gerichteten Unternehmens, wie z. B. bei Parkplätzen, Parkhäusern, Tiefgaragen von Warenhäusern und Übernachtungsbetrieben, bei Zufahrten zu Laderampen, Tankstellen und Autowaschanlagen und bei Gaststättenparkplätzen. Denn in solchen Fällen würde der Grundbesitz nicht zwangsläufig privatwirtschaftlicher Nutzung entzogen bleiben, sondern würde im Gegenteil die Leistungskraft des funktionell verbundenen, mit dem Warenhaus (der Gaststätte o. ä.) bebauten Grundstücks steigern. Gerade aber auf diese durch den Besitz sog. fundierten Einkommens vermittelte Leistungskraft zielt wirtschaftlich die Grundsteuer (BVerfG-Beschluß vom 6. Dezember 1983 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, 353).

Die Gesetzesentwicklung bestätigt dieses Auslegungsergebnis. Das GrStG vom 1. Dezember 1936 (RGBl I 1936, 986, RStBl 1936, 1154) enthielt in § 4 Nr. 9 Buchst. a eine Befreiung für ,,die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen, Wege, Plätze, Brücken, künstlichen Wasserläufe, Häfen und Schienenwege". Für ihre Ausgestaltung war der Gedanke maßgebend, die Befreiung möglichst eng zu halten. Die Grundsteuer gehöre zu den Unkosten, mit denen jeder Grundstückseigentümer normalerweise ebenso rechnen müsse wie mit anderen Ausgaben, die sich aus dem Grundbesitz ergeben (z. B. Wassergeld, Müllabfuhrgebühr, Schornsteinfegerkosten usw.). Außerdem sei zu berücksichtigen, daß die Grundsteuer eine reine Gemeindesteuer sei und die Gemeinden zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf den Ertrag dieser Steuer ganz besonders angewiesen seien. Entscheidend für die Befreiung seien nicht die Eigentumsverhältnisse am Grundbesitz, sondern allein die Benutzungsart der angeführten Gegenstände (Gesetzesbegründung RStBl 1937, 717, 718, 720). Nach der Benutzungsart ließ sich schon damals unterscheiden: Benutzung der Gegenstände zum Wohle der Allgemeinheit und ihre Benutzung im Interesse Einzelner. Nur ihre Benutzung zum Wohle der Allgemeinheit sollte Grundsteuerfreiheit zur Folge haben.

Durch das Gesetz zur Reform des Grundsteuerrechts vom 7. August 1973 (BGBl I 1973, 965, BStBl I 1973, 586) wurde die Befreiungsvorschrift neu gefaßt, um Unstimmigkeiten zu beseitigen, eine bessere Systematik zu erreichen und Vorschriften der Grundsteuer-Durchführungsverordnung in das Gesetz zu übernehmen. Straßen, Wege, Plätze, Schienenwege, Wasserstraßen, Häfen usw. sollten aber ,,auch weiterhin in gleichem Umfang wie bisher steuerfrei" sein (Bericht des Finanzausschusses vom 25. April 1973, BTDrucks 7/485 S. 4 i. V. m. der Begründung zum Entwurf eines Zweiten Steuerreformgesetzes vom 4. Mai 1972, BTDrucks VI/3418 S. 78, 80).

Der III. Senat des BFH hatte, noch bevor er die beiden oben angeführten abweichenden Urteile fällte, im gleichen Sinne wie hier entschieden, daß für die Beurteilung, ob ein Grundstück ,,als Straße, Weg oder Platz dem öffentlichen Verkehr dient, . . . entscheidend ist . . . die Widmung für den öffentlichen Verkehr" (BFH-Urteil vom 6. Oktober 1961 III 48/60 S, BFHE 74, 132, 135, BStBl III 1962, 51, ergangen zu § 4 Nr. 9 Buchst. a GrStG 1951, und betreffend ein Grundstück, das eine Erbengemeinschaft einer Stadtgemeinde überlassen hatte für eine der Allgemeinheit zugängliche Grünanlage).

 

Fundstellen

Haufe-Index 416159

BFH/NV 1989, 537

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