Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an dem Urteil III 306/56 S vom 14. März 1958 (BStBl 1958 III S. 274, Slg. Bd. 67 S. 1) fest, nach dem vor der Ausführung kriegsbedingter oder infolge der Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse aufgeschobener Reparaturarbeiten Rückstellungen für den sogenannten aufgestauten Reparaturbedarf grundsätzlich nicht in Abzug gebracht werden können. Dies gilt auch für diejenigen Fälle, in denen Rückerstattungsberechtigte das rückerstattete Grundstück erst nach dem Währungsstichtage zurückerhalten haben.

Die Grundsätze des Urteils III 167/57 U vom 17. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 127, Slg. Bd. 66 S. 334), nach denen die auf dem Grundbesitz in Berlin (West) lastende HGA nur in der nach § 146 a LAG geminderten Höhe in Abzug gebracht werden darf, gelten mit Rückwirkung auf den Stichtag vom 1. Januar 1953 auch für die Vermögensteuer.

 

Normenkette

VStG § 4; BewG §§ 74, 118; LAG § 146a

 

Tatbestand

Der Bf., der seinen Wohnsitz in den Vereinigten Staaten hat, ist mit seinem aus mehreren Grundstücken bestehenden Inlandsvermögen zur Vermögensteuer als beschränkt Steuerpflichtiger herangezogen worden. Bei der Vermögensteuerveranlagung zum 1. Januar 1953 hat das Finanzamt die zum Inlandsvermögen des Bf. gehörigen Grundstücke mit ihren Einheitswerten angesetzt. Bei der Ermittlung der abzugsfähigen Schulden wich das Finanzamt insoweit von der Erklärung des Steuerpflichtigen ab, als es die geltend gemachten Wiederaufbaudarlehen der Kreditanstalt für die Grundstücke A.- Straße 71 und B.-Straße 16 deshalb nicht zum Abzuge zuließ, weil diese Kredite erst ab 8. Dezember 1953 aufgenommen worden seien. Demgemäß fanden außer der vom Finanzamt auf 290.000 DM berechneten Hypothekengewinnabgabe-Last die übrigen Schulden nur noch in Höhe von 60.000 DM Berücksichtigung.

Der Einspruch, mit dem neben der Berücksichtigung des für das Grundstück C.-Straße 43 festgestellten Sonderwertes eine Erhöhung der zum Abzuge zugelassenen Schuldverbindlichkeiten, insbesondere der Aufwendungen für größere Instandsetzungsarbeiten an den Grundstücken begehrt wurde, hatte nur einen geringen Erfolg. Das Finanzamt wies ihn jedenfalls hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für größere Instandsetzungsarbeiten mit der Begründung zurück, daß die diesbezüglichen Schulden erst nach dem Veranlagungszeitpunkte entstanden seien und deshalb bei der Vermögensfeststellung nicht berücksichtigt werden könnten. Es lehnte auch den Ansatz des festgestellten Sonderwertes ab, weil dieser Wert nur für den Lastenausgleich Bedeutung habe.

Die Berufung, in der der Bf. erneut den Abzug der im Laufe des Jahres 1953 aufgenommenen Wiederaufbaukredite im Gesamtbetrage von 262.000 DM verlangte, und in der er außerdem die Auffassung vertrat, die Hypothekengewinnabgabe-Schulden seien ohne Berücksichtigung der für das Land Berlin geltenden Ermäßigung um 1/3 in voller Höhe anzusetzen, blieb insoweit erfolglos.

Die Rb. richtet sich ebenfalls gegen die Versagung des Abzuges der Wiederaufbaukredite, hilfsweise auch gegen die Ablehnung des erhöhten Abzuges der Hypothekengewinnabgabe-Lasten; insbesondere wird das Urteil des erkennenden Senats III 306/56 S vom 14. März 1958 (BStBl 1958 III S. 274, Slg. Bd. 67 S. 1) angegriffen und ausgeführt, daß zumindest in Rückerstattungsfällen, in denen gegebenenfalls nicht nur die Rückerstattung selbst, sondern auch die Rückerstattungsverbindlichkeiten auf den Währungsstichtag zurückzubeziehen seien, die Verbindlichkeiten aus Wiederaufbaukrediten für solche rückerstatteten Grundstücke auf den Währungsstichtag zurückbezogen werden müßten. Den hilfsweise geltend gemachten erhöhten Abzug der Hypothekengewinnabgabe-Lasten will der Bf. damit rechtfertigen, daß die Vergünstigungen auf Grund des Vierten Gesetzes zur änderung des Lastenausgleichsgesetzes (4. ändGLAG) erst nach dem 1. Januar 1953 in Kraft getreten seien, und daß deshalb für den Bewertungsstichtag die spätere Minderung der Abgabelast weder rechtlich noch wirtschaftlich zu berücksichtigen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

1. Zutreffend haben die Vorinstanzen den inländischen Grundbesitz des Bf. mit den hier festgestellten Einheitswerten in Ansatz gebracht, ohne dabei den für eines dieser Grundstücke festgestellten Sonderwert zu berücksichtigen, der nach den Vorschriften der Verordnung über die Behandlung von Grundbesitz in Berlin (West) bei den Lastenausgleichsabgaben nur für die Bemessung der Lastenausgleichsabgaben, nicht für die Veranlagung der Vermögensteuer Bedeutung besitzt. Bei den angesetzten Einheitswerten handelt es sich überwiegend um solche, die im Wege der Fortschreibung und unter Berücksichtigung der an den fraglichen Grundstücken eingetretenen Kriegssachschäden ermittelt worden sind. Soweit dies nicht der Fall ist, das Fortschreibungsverfahren wegen Kriegssachschäden aber im Einzelfalle noch läuft, kann eine etwa noch folgende Ermäßigung der bisherigen Einheitswerte jederzeit gemäß § 218 Abs. 4 AO im Rahmen einer Berichtigung der Vermögensteuerveranlagung Berücksichtigung finden.

Indessen strebt der Bf., über die Berücksichtigung, die die Kriegsschäden bereits bei der Ermittlung und dem Ansatz des Rohvermögens gefunden haben bzw. noch finden werden, hinausgehend, weiterhin den Abzug von Krediten für den Wiederaufbau und die Beseitigung von Kriegsschäden an, obwohl die Verbindlichkeiten erst nach dem hier in Betracht kommenden Stichtage für die Veranlagung der Vermögensteuer zum 1. Januar 1953 begründet worden sind. Diesen Ausführungen steht das Urteil des erkennenden Senates III 306/56 S vom 14. März 1958 (a. a. O.) entgegen, in dem der Bildung von Rückstellungen für aufgestauten Reparaturbedarf die Anerkennung versagt wird. Der Bf., der offenbar nicht verkennt, daß das, was in dem angeführten Urteil über die Bildung von Rückstellungen für aufgestauten Reparaturbedarf gesagt ist, naturgemäß erst recht für den Abzug von Schuldverbindlichkeiten gelten muß, hat sich gegen die weitere Anwendung der in dem Urteile ausgesprochenen Rechtsgrundsätze gewendet, insbesondere soweit es sich um Grundbesitz von Rückerstattungsberechtigten handelt.

Seinen Ausführungen kann jedoch nicht gefolgt werden. Schon das Stichtagsprinzip verbietet es, Schuldverbindlichkeiten, die am Stichtage noch nicht begründet waren, zum Abzuge zuzulassen, besonders dann, wenn zu diesem Zeitpunkte noch nicht einmal verbindliche Kreditabsprachen zustande gekommen waren. Im übrigen ist daran festzuhalten, daß ein Einheitswert, der für bestimmte Wirtschaftsgüter festgestellt worden ist, als Wertansatz in die Vermögensaufstellung übernommen werden muß, und daß er grundsätzlich einer nachträglichen Korrektur durch die Bildung von Rückstellungen oder anderen Schuldposten nicht zugänglich ist. Deshalb kann auch im vorliegenden Falle über die in den fortgeschriebenen Einheitswerten zum Ausdruck gelangte Wertminderung hinaus nicht einer weiteren Berücksichtigung von Kriegsschäden durch Bildung eines Schuldpostens für die zukünftige Beseitigung dieser Schäden nähergetreten werden.

Was aber die Kreditverbindlichkeiten gegenüber den späteren Darlehnsgebern anlangt, die erst auf Grund des gegen Ende des Jahres 1953 zustande gekommenen Abschlusses der Kreditvereinbarungen eingegangen worden sind, so können diese auch deshalb nicht auf einen früheren Zeitpunkt zurückbezogen werden, weil es sich bei den hier fraglichen Krediten zur Beseitigung von Kriegsschäden um solche für den rückerstatteten Grundbesitz eines rückerstattungsberechtigten Eigentümers handelt. Denn wenn es auch zutrifft, daß die Rückerstattungsverbindlichkeiten als solche unter Umständen auf die Zeit vor der Rückerstattung, gegebenenfalls sogar bis zum Währungsstichtage zurückbezogen werden können, so kann dies für die hier aufgenommenen Kredite nicht gelten, weil diese nicht in unmittelbarem Zusammenhange mit der Rückerstattung der Grundstücke selbst stehen und auch nicht unmittelbar zur Erfüllung einer mit der Rückübereignung der Grundstücke entstandenen Verbindlichkeit des Eigentümers dienen. Die ausnahmsweise Rückwirkung derartiger echter Rückerstattungsverbindlichkeiten kann nicht auf Kredite erstreckt werden, deren Aufnahme sich nur bei Gelegenheit und aus Anlaß der Rückerstattung ergeben hat, die sich aber sonst in keiner Weise von den Aufbaukrediten anderer Grundstückseigentümer unterscheiden.

2. Ebensowenig kann dem Hilfsantrage des Bf. auf Erhöhung des Abzuges für die Hypothekengewinnabgabe-Lasten entsprochen werden. Wie der Senat bereits in dem Urteile III 167/57 U vom 17. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 127, Slg. Bd. 66 S. 334) ausgeführt hat, ist die Bestimmung des § 146 a des Lastenausgleichsgesetzes (LAG), die die Ermäßigung der Hypothekengewinnabgabe für Berliner Grundbesitz um 1/3 zur Folge hat, gemäß Art. VII des 4. ändGLAG vom 12. Juli 1955 bereits mit dem 18. Oktober 1952 in Kraft getreten. Sie wirkt also kraft Gesetzes auf die gesamte Laufzeit der Hypothekengewinnabgabe in Berlin zurück. Der Senat hat deshalb in dem damals entschiedenen Falle nur die nach § 146a LAG geminderte Hypothekengewinnabgabe als abzugsfähig anerkannt. Allerdings handelte es sich bei dem damals entschiedenen Falle um die Veranlagung der Vermögensabgabe, nicht um die der Vermögensteuer. Da aber bei der Vermögensteuerveranlagung im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit der Hypothekengewinnabgabe im wesentlichen die gleichen Gesichtspunkte maßgebend sind wie bei der Veranlagung der Vermögensabgabe, so können die Grundsätze der vorerwähnten Entscheidung auch auf das Gebiet der Vermögensteuer übertragen werden. Die Hypothekengewinnabgabe kann deshalb auch hier nur in der nach Art. I Ziff. 7 des 4. ändGLAG geminderten Höhe zum Abzuge kommen.

Diese Entscheidung steht zwar in Widerspruch zu der in Abschnitt 32 der Vermögensteuer-Ergänzungsrichtlinien (VStER) 1957 vertretenen Auffassung, nach der die auf Grund des Achten Gesetzes zur änderung des Lastenausgleichsgesetzes (Gesetz nach § 246 LAG) gewährten Vergünstigungen bei der Erhebung der Vermögensabgabe in Berlin im Rahmen der Vermögensteuerveranlagung 1957 offenbar deshalb nicht zu einer Minderung der abzugsfähigen Vermögensabgabelast führen sollen, weil diese ebenfalls auf den Währungsstichtag zurückwirkenden Vergünstigungen erst am 26. Juli 1957, d. h. nach dem Stichtage der Vermögensteuerhauptveranlagung 1957, Gesetz geworden sind. Abgesehen davon, daß sich der Abschnitt 32 VStER unmittelbar nur auf den Abzug der Vermögensabgabe bei der Vermögensteuerhauptveranlagung 1957 bezieht, handelt es sich dabei um einen Auslegungserlaß, der die Gerichte nicht bindet.

Die Senat sieht sich jedoch nach nochmaliger Prüfung nicht veranlaßt, von der in dem Urteile III 167/57 U vom 17. Januar 1958 (a. a. O.) vertretenen Rechtsansicht auch nur im Hinblick auf den Abzug der Hypothekengewinnabgabe-Last bei der Veranlagung der Vermögensteuer 1953 abzuweichen. Er ist vielmehr der Auffassung, daß die kraft Gesetzes mit rückwirkender Kraft eintretende Minderung der Hypothekengewinnabgabe-Last auch auf dem Gebiete der Vermögensbesteuerung nicht ohne Wirkung bleiben kann, daß sie vielmehr eine Reflexwirkung auf den Umfang des Stichtagsvermögens vom 1. Januar 1953 ausübt, und daß deshalb die mit Wirkung vom 18. Oktober 1952 eingetretene Verringerung dieser Abgabenlast ohne weiteres auch zu einer entsprechenden Verminderung der abzugsfähigen Hypothekengewinnabgabe-Schulden am Bewertungsstichtage (1. Januar 1953) führt: Diese sind im Rahmen der Vermögensteuerveranlagung 1953 nur in ihrer effektiv noch bestehenden Höhe zum Abzug zuzulassen. Der Senat hat diese Ansicht bereits in dem Urteil III 258/57 U vom 7. März 1958 (BStBl 1958 III S. 311, Slg. Bd. 67 S. 101) ausgesprochen, in dem er über den Abzug von Ertragsteuern zu entscheiden hatte, die auf Grund rückwirkender Gesetzesbestimmungen gemindert bzw. weggefallen waren. Er ist dabei ganz allgemein der Auffassung, daß eine vom Gesetzgeber in zulässiger Weise angeordnete Rückwirkung von Gesetzen, die zu einer änderung der steuerlichen Belastung führt, grundsätzlich auch den Umfang des steuerpflichtigen Vermögens an denjenigen Stichtagen berührt und verändert, die nach dem Zeitpunkte der Rückwirkung liegen. Insofern muß, sofern der Gesetzgeber nicht eine Beschränkung der Rückwirkung auf bestimmte Steuerarten außerhalb des Gebietes der Vermögensbesteuerung ausdrücklich ausgesprochen hat, gegebenenfalls auch eine gewisse Modifizierung des Stichtagsprinzipes als vom Gesetzgeber gewollt angesehen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410317

BStBl III 1962, 154

BFHE 1962, 413

BFHE 74, 413

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