Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern

 

Leitsatz (amtlich)

ß 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG 1951 erfordert Identität des übertragenen und wieder zurückgefallenen Vermögens. Ein nur wertmäßiger Rückfall von Vermögen reicht für die Anwendung der Befreiungsvorschrift nicht aus.

ErbStG 1951 § 18 Abs. 1 Ziff. 12.

 

Normenkette

ErbStG § 18 Abs. 1 Ziff. 12, § 18/1/13

 

Tatbestand

I. Bescheid

Die Bf. wenden sich im Hinblick auf § 18 Abs. 1 Ziff. 12 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1951 gegen ihre Heranziehung zur Erbschaftsteuer. Es liegt folgender Sachverhalt vor: Am 21. März 1950 starb der Fabrikbesitzer W. H. Der Erblasser hatte durch notariellen Vertrag vom 25. April 1949 mit seiner Ehefrau L. allgemeine Gütergemeinschaft vereinbart. In demselben Vertrag setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Durch Erbvertragsnachtrag vom 18. März 1950 haben die Ehegatten H. diese Bestimmung geändert: Beim Tode des Ehemannes sollte seine Ehefrau Erbin zu 3/4 und seine Mutter C. H. zu 1/4 sein. Als Testamentsvollstrecker wurde der Schwager des Ehemannes eingesetzt. Ferner enthält der Nachtrag Anordnungen über die Auseinandersetzung beim Erstversterben des Ehemanns für den Fall der Geltendmachung des Pflichtteils der Mutter und die Auseinandersetzung des Gesamtguts. Am 17. Januar 1951 erklärte der Testamentsvollstrecker zu den Nachlaßakten des verstorbenen W. H., daß der Nachlaß aus 2/3 Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz bestehe. Am 2. April 1950 ist auch die Mutter des Erblassers, C. H., verstorben. Das Amtsgericht erteilte einen Erbschein, demzufolge der Erblasser von seiner Ehefrau als Alleinerbin beerbt worden ist, hinsichtlichvon 1/16 Anteil jedoch erst ab 2. April 1950. Beim Tode der Frau C. H. lebten ihre Tochter T., verehelichte B. und deren Kinder S. und W., die Bf. Es entstanden Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten über die erbrechtlichen Ansprüche der Frau C. H. bzw. der Erbengemeinschaft nach Frau C. H. an dem Nachlaß des Erblassers. Die Ungewißheit wurde durch die Vereinbarung zwischen Frau L. H. und der Erbengemeinschaft nach C. H. vom 16. März 1953 beseitigt. Danach verpflichtet sich Frau L. H., der Erbengemeinschaft 30.000 DM zur Abgeltung aller Ansprüche in der Nachlaßsache ihres verstorbenen Ehemanns zu zahlen, während die Erbengemeinschaft auf alle Erb- und Pflichtteilsrechte nach W. H. verzichtete. Das Finanzamt erließ einen vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid, in dem es den Erwerb von Todes wegen der Frau C. H. auf 30.000 DM und die Erbschaftsteuer auf 16 v. H. davon = 4.800 DM festsetzte. Dieser Steuerbescheid wurde dem Testamentsvollstrecker zugestellt. Er legte Einspruch ein und nahm Steuerfreiheit nach § 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG in Anspruch. Der Nachlaß des Erblassers bestehe aus Vermögen, das er von seiner Mutter auf Grund eines Übergabevertrags im Jahre 1914 erhalten habe. Ferner erklärte der Testamentsvollstrecker, daß der Bevollmächtigte der Erbengemeinschaft nach C. H., Rechtsanwalt Dr. B., der Ehemann der Frau T. B., den Einspruch näher begründen werde. In einem weiteren Schreiben beantragte der Testamentsvollstrecker, den angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid aufzuheben und einen etwaigen neu ergehenden Steuerbescheid hinsichtlich des Nachlasses der Frau C. H. an die Erbengemeinschaft ergehen zu lassen. Deren Vertreter erklärte, sich dem Einspruch des Testamentsvollstreckers anzuschließen. Er hat das Rechtsmittel ausführlich begründet. Es wurde eine beglaubigte Abschrift des Übergabevertrags vom 17. Oktober 1914 überreicht. Danach hat Frau C. H. ihrem Sohn W. H. zwei Grundstücke sowie das von ihr betriebene Geschäft in Firma O. H. und Co. samt allen Rohstoffen, Waren, Einrichtungen, Maschinen, Guthaben, Debitoren und Barbeständen zum Übernahmepreis von 268.323 Mark übergeben. Soweit der Übergabepreis durch übernommene Verbindlichkeiten nicht erschöpft wurde, bildete er Muttergut des W. H. In der Einspruchsbegründung wurde ausgeführt, daß der Übernahmepreis nach den Buchwerten errechnet worden sei. Die übernommenen Kapitalverbindlichkeiten seien durch die Inflation oder sonstige Umstände verringert worden. Durch diese Entwicklung der Verhältnisse sei der Übernehmer der Vermögensteile wesentlich besser gestellt worden, als es im Zeitpunkt der Übergabe beabsichtigt gewesen sei. An Stelle des übertragenen Geschäfts sei später ein Kommanditanteil an der Firma M. H. getreten, der dadurch entstanden sei, daß der Übernehmer (Erblasser) in den letzten Jahren vor seinem Tode infolge seiner Erkrankung die übernommene Firma O. H. und Co. aufgelöst, die Vorhandenen Einrichtungsgegenstände und Maschinen, Rohstoffe und Waren auf die Firma M. H. übertragen und sich als Kommanditist an der Firma M. H. beteiligt habe. Der zugunsten der Mutter des Erblassers vereinbarte Pflichtteilsanspruch in Höhe von 30.000 DM sei somit ein Teil des auf Grund des Vertrags vom 17. Oktober 1914 übertragenen Vermögens des Erblassers, so daß nach § 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG Steuerfreiheit zu gewähren sei. Einspruch und Berufung der Bf. hatten keinen Erfolg.

Das Urteil des Finanzgerichts ist im wesentlichen wie folgt begründet: Der auf 30.000 DM festgestellte Wert des Pflichtteilsanspruchs der Mutter des Erblassers könne nicht als Rückfall früher von der Mutter auf den Sohn übertragenen Vermögens gelten. Es fehle an der wirtschaftlichen Identität zwischen hingegebenem und zurückgefallenem Vermögen. Die Steuerbefreiung greife nicht ein, wenn nur eine wertmäßige Rückgewähr vorliege. Schrankenlose Anwendung des Surrogationsprinzips komme nicht in Betracht. Der Pflichtteilsanspruch sei ein schuldrechtlicher Anspruch. Er könne nicht als identisch mit den im Jahre 1914 von der Mutter auf den Sohn übertragenen Vermögensgegenständen anerkannt werden. In der Rb. verbleiben die Bf. bei ihrer Ansicht, daß Freistellung von der Erbschaftsteuer nach § 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG erfolgen müsse. Der Begriff "Vermögen" im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 12 a. a. O. beziehe sich nicht auf konkrete Wirtschaftsgüter, sondern enthalte nur einen abstrakten Wertbegriff.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Der Einspruch ist vom Testamentsvollstrecker eingelegt worden. Er hat jedoch ausdrücklich dem Finanzamt gegenüber anerkannt, daß die Durchführung des Rechtsmittelverfahrens von den Bf., vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. B. (Ehemann der Tochter T. der Frau C. H.), wahrgenommen werde und alle Zustellungen an letzteren erfolgen sollten. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanzen die Bf. als Rechtsmittelführer angesehen haben.

Der Erbfall ist am 21. März 1950 eingetreten. Der Bewertung des Pflichtteilsanspruchs der Mutter des Erblassers wurde der im Vergleich vom 16. März 1953 festgesetzte Betrag von 30.000 DM zugrunde gelegt. Die Bewertung hat sich an sich nach den Verhältnissen am Stichtag, hier 21. März 1950, zu richten. Eine Rückbeziehung tatsächlicher Umstände auf den Stichtag kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Im Falle eines Vergleichs ist zu unterscheiden, ob der Vergleich zur Beilegung eines Streits oder einer Ungewißheit zwischen den Erbbeteiligten abgeschlossen worden ist, oder ob er eine Änderung unzweifelhafter erbrechtlicher Vorgänge bezweckte. Ersterenfalls ist der Vergleich erbschaftsteuerlich maßgebend (Urteil des Bundesfinanzhofs III 139/56 U vom 11. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 447, Slg. Bd. 65 S. 555). So liegen hier die Dinge. Die Zugrundelegung des Betrags von 30.000 DM ist daher zulässig.

In der den Gegenstand des Streits bildenden Frage kann den Ausführungen der Bf. nicht gefolgt werden. Nach § 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG bleibt steuerfrei Vermögen, das Eltern, Großeltern oder entferntere Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt haben und das an diese Personen zurückfällt. Der Wortlaut der Bestimmung spricht dafür, daß eine gewisse Identität zwischen den Vermögensgegenständen, die zugewandt und zurückgefallen sind, vorhanden sein muß. Die Auffassung der Bf., die nur auf den Wert abstellen will, entbehrt der Begründung. Gemäß § 11 Ziff. 4g ErbStG vom 3. Juni 1906 (RGBl) I S. 620) bleibt von der Erbschaftsteuer befreit ein Erwerb, der leiblichen Eltern anfällt, soweit der Erwerb in Sachen besteht, die sie ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten. In § 33 Ziff. 6 ErbStG 1919 vom 10. September 1919 (RGBl S. 1543) wurde der jetzt geltende Wortlaut (ausgenommen das Wort "leiblichen") der Befreiungsvorschrift eingeführt. In der Regierungsbegründung zum Entwurf eines ErbStG (Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung Bd. 335, Drucksache Nr. 376 S. 40) heißt es zu § 30: "Nr. 6 (des Entwurfs) entspricht dem § 11 Nr. 4g des geltenden Gesetzes mit der Maßgabe, daß an Stelle von "Sachen" das Wort "Vermögen" treten soll, um klarzustellen, daß nicht nur Sachen im Sinne des BGB (ß 90), d. h. körperliche Gegenstände, sondern Vermögensgegenstände jeder Art unter die Befreiung fallen." Daraus ergibt sich, daß der Neufassung der Bestimmung nur klarstellende Bedeutung zukommt. Jedenfalls mußten hiernach für die Anwendung der Befreiungsvorschrift in der neuen Fassung konkrete Vermögensgegenstände gegeben sein, die zugewandt und wieder zurückgefallen waren. Von einer Aufgabe des Identitätsgedankens überhaupt und einem Übergang zur abstrakten Wertberechnung kann keine Rede sein. Dies gilt auch für § 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG 1951, der dem § 33 Ziff. 6 ErbStG 1919 wörtlich entspricht. Dies ist auch übereinstimmende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, in der lediglich zum Ausdruck gebracht wird, daß der Begriff der Identität nicht im starren Wortsinn, sondern in Anwendung wirtschaftlicher Betrachtungsweise auszulegen ist (Urteile des Reichsgerichts vom 28. November 1913, Rep.VII 301/13, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 83 S. 312, und vom 9. Januar 1917, Rep.VII 302/16, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 89 S. 298, sowie Urteil des ReichsfinanzhofsII A 328/19 vom 17. Dezember 1919, Slg. Bd. 2 S. 50, die noch zu § 11 Ziff. 4g ErbStG vom 3. Juni 1906 ergangen sind; Ferner Urteil des ReichsfinanzhofsIe A 234/30 vom 3. März 1931, RStBl 1931 S. 297, sowie Finger, Erbschaftsteuergesetz in der Fassung vom 25. Juni 1931, 4. Aufl., § 18 Abs. 1 Nr. 12 zu y; Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz in der Fassung vom 22. August 1925, § 18 Abs. 1 Ziff. 12, Anm. 68; Mirre, Erbschaftsteuergesetz in der Fassung vom 7. August 1922, § 22 Abs. 1 Ziff. 11, Anm. 30; Zimmermann-Ludewig, Erbschaftsteuergesetz nach dem Stand vom 1. Juli 1924, § 22 Anm. 50, 51; Troll, Erbschaftsteuergesetz, § 18 Abs. 1 Ziff. 13, Anm. 22; Megow, Erbschaftsteuergesetz, 4. Aufl., § 18 Abs. 1 Ziff. 13, Anm. XIII, 4). Im übrigen ist zu beachten, daß im Streitfall die Wirtschaftsgüter, die seinerzeit von der Mutter auf den Sohn übergegangen waren, nicht ständig in seiner Hand verblieben sind. Der Grundbesitz wurde zwischenzeitlich Bestandteil des Gesamtguts. Die übertragene Firma wurde aufgelöst und dafür ein Kommanditanteil an einer - anderen - Kommanditgesellschaft erworben. Soweit ein Pflichtteilsanspruch der Mutter vorlag, bestand kein Anspruch auf bestimmte Nachlaßgegenstände, sondern lediglich ein Geldwertanspruch gegen die Witwe und Erbin des Sohnes (ß 2303 BGB). Von einem an die Übergeberin heimgefallenen Vermögen kann sonach keine Rede sein. Das Vorbringen der Bf., daß bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise § 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG in dem von ihnen vertretenen Sinn ausgelegt werden müßte, ist nach dem Gesagten nicht zutreffend. Es ist auch unrichtig, daß die Begrenzung der Erbschaftsteuerpflicht auf objektive Bereicherung zu einer Bejahung der Steuerbefreiung führen müsse. Denn § 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG ist kein Anwendungsfall des Bereicherungsgrundsatzes, sondern bezweckt lediglich, die mehrfache Besteuerung von Vermögensgegenständen zu mildern, deren Besitz wiederholt zwischen Voreltern und Abkömmlingen gewechselt hat. Danach konnte die Rechtsauffassung der Bf. nicht zum Erfolg für sie führen.

II. Urteil Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Bescheid des Senats vom 3. August 1960. Die Bf. haben in der mündlichen Verhandlung daran festgehalten, daß als Vermögen im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG 1951 nicht bestimmte Vermögensgegenstände anzusehen seien, sondern daß es hier nur auf den Wert des Vermögens ankomme. Wenn man lediglich auf die Grundstücke abstelle, die dem Erblasser 1914 von seiner Mutter zugewendet worden seien, müsse in jedem Falle eine ausreichende Identität zwischen dem zugewandten und zurückfallenden Vermögen angenommen werden, da der Verkehrswert dieser Grundstücke zur Zeit der Übergabe den Betrag von 30.000 DM wesentlich überstiegen habe.

Die Rb. hat keinen Erfolg. Die Ausführungen des Vertreters der Bf. in der Rb. und besonders in der mündlichen Verhandlung geben dem Senat keinen Anlaß, von seiner im Bescheid vom 3. August 1960 niedergelegten Rechtsauffassung abzugehen. Auf das Verhältnis des Wertes des übertragenen Grundbesitzes zu dem im Vergleich vom 16. März 1953 festgesetzten Betrag von 30.000 DM kommt es nicht an. Selbst wenn der Wert des übertragenen Grundbesitzes höher gewesen sein sollte als die Vergleichssumme von 30.000 DM, könnte doch von einem Rückfall des dem Erblasser von seiner Mutter zugewandten Grundbesitzes keine Rede sein, sondern höchstens von einem teilweisen Wertersatz. Ein solcher genügt aber nicht für die nach § 18 Abs. 1 Ziff. 12 ErbStG 1951 erforderliche Identität des zugewandten und zurückgefallenen Vermögens.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409899

BStBl III 1961, 49

BFHE 1961, 134

BFHE 72, 130

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