Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Abzug des Einnahmeüberschusses vom Rohvermögen kommt es nach § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG nur darauf an, daß die laufenden Betriebseinnahmen die laufenden Betriebsausgaben überstiegen haben. Es ist nicht erforderlich, daß der überschuß am Veranlagungszeitpunkt in Werten irgendwelcher Art noch vorhanden ist.

 

Normenkette

BewG § 74 Abs. 1 Ziff. 3, § 118/1/3

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs mit einem Einheitswert von 76.500 DM. Schon bei der Neuveranlagung zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1951 hatte der Stpfl. beantragt, von seinem Rohvermögen (bestehend aus landwirtschaftlichem Vermögen von 76.500 DM und sonstigem Vermögen von 2.439 DM) den Betrag von 20.833 DM als überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, den er in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1950 gehabt habe, abzuziehen. Diesem Antrag gab das Finanzamt statt. Bei der Neuveranlagung der Vermögensteuer auf den 1. Januar 1952 beantragte der Stpfl., von seinem Rohvermögen (diesmal nur bestehend aus landwirtschaftlichem Vermögen von 76.500 DM) den überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, den er in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1951 gehabt habe, mit diesmal 20.503 DM abzuziehen. Diesen zweiten Antrag lehnte das Finanzamt ab. Es ist der Auffassung, daß er sich bei der Vorschrift des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) über den besonderen Abzug bei Landwirten um eine Ausgleichsvorschrift handelt, durch die eine doppelte Erfassung von Vermögen bei der Vermögensteuer vermieden werden soll. Damit erschöpfe sich jedoch Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Die genannte Vorschrift dürfe nicht dazu führen, daß ein Teil des landwirtschaftlichen Vermögens überhaupt nicht zur Vermögensteuer herangezogen werde. Das sei aber der Fall, wenn der Einnahmeüberschuß höher sei als das sonstige Vermögen. Der volle Abzug bewirke alsdann eine Minderung des Einheitswerts des landwirtschaftlichen Betriebs und verkehre damit den Sinn des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG in eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Stpfl.

Die Sprungberufung des Stpfl. hatte Erfolg. Die Vorinstanz entschied, daß der strittige Betrag von 20.503 DM vom Rohvermögen des Stpfl. abzuziehen sei. Diese Entscheidung beruht auf folgenden Erwägungen: Der eindeutige Wortlaut des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG rechtfertige den vollen Abzug des Einnahmeüberschusses auch im Streitfall. Die vom Finanzamt vertretene Begrenzung auf das sonstige Vermögen finde im Gesetz ebensowenig eine Stütze wie eine etwaige Begrenzung auf andere Ansätze des Rohvermögens. Die zu entscheidende Streitfrage sei keineswegs vorwiegend durch die Entwicklung der Verhältnisse - gestiegene Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse - bedingt. In Rechtsprechung und Schrifttum sei seit jeher die Auffassung vertreten worden, daß der Abzug nicht ausgeschlossen werden könne, wenn die Einnahmen aus dem Verkauf der Ernte bis zum 1. Januar etwa für die Lebenshaltung bereits verbraucht worden seien, im sonstigen Vermögen also überhaupt nicht erhöhend in Erscheinung treten würden. Richtig sei allerdings, daß die auf den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 beruhende Einheitsbewertung die vom Finanzamt beanstandeten Auswirkungen krasser zutage treten lasse. Dies müsse aber nach der Gesetzeslage hingenommen werden. Dasselbe gelte überall da, wo die Einheitswerte mit anderen Werten, die sich nach der Kaufkraft des Geldes am Stichtag bestimmten, in Beziehung gebracht werden müßten. Es müsse zugegeben werden, daß der vom Stpfl. begehrte volle Abzug die vom Finanzamt vorgetragenen überlegungen und Bedenken auslöse. Ob sich der Gesetzgeber hierüber Gedanken gemacht habe, lasse sich aus der amtlichen Begründung (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1935 S. 180) nicht entnehmen. Das Gericht sei aber nicht befugt und berufen, hier zuungunsten der Steuerpflichtigen nach dem Zweck und dem gemutmaßten Sinn der Vorschrift gegen den eindeutigen Wortlaut zu entscheiden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.

I. - Nach § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG ist zur Ermittlung des Wertes des Gesamtvermögens bei Inhabern von landwirtschaftlichen Betrieben, Weinbaubetrieben und gärtnerischen Betrieben von dem Rohvermögen abzuziehen: der überschuß der laufenden Betriebseinnahmen über die laufenden Betriebsausgaben, die nach dem Tag entstanden sind, der für Umfang und Bewertung der umlaufenden Betriebsmittel maßgebend ist. Diese Vorschrift kann nur im Zusammenhang mit der in § 74 Abs. 1 Ziff. 3 erwähnten Vorschrift des § 32 Abs. 2 BewG verstanden werden. Für landwirtschaftliche Betriebe werden die Einheitswerte - ebenso wie für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und des Betriebsvermögens sowie für Betriebsgrundstücke und Gewerbeberechtigungen - grundsätzlich auf den Beginn eines Kalenderjahres festgestellt (eine Ausnahme besteht lediglich für die Fortschreibung und die Nachfeststellung von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den Beginn des Währungsstichtags). Obwohl in vielen Zweigen der Landwirtschaft das Kalenderjahr nicht als Wirtschaftsjahr gilt, hat der Gesetzgeber für die Landwirtschaft an dem Beginn des 1. Januar als dem maßgebenden Feststellungszeitpunkt festgehalten. Den Besonderheiten der Landwirtschaft wird dadurch Rechnung getragen, daß nach der zuletzt genannten Vorschrift nur hinsichtlich der Größe des Betriebs und des Umfangs und des Zustands der stehenden Betriebsmittel die Verhältnisse im Feststellungszeitpunkt zugrunde zu legen sind. Hinsichtlich der umlaufenden Betriebsmittel (landwirtschaftliche Erzeugnisse, Düngemittel usw.) ist jedoch der Stand am vorausgegangenen 30. Juni maßgebend; wenn für einen buchführenden Landwirt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer ein Wirtschaftsjahr maßgebend ist, das nicht mit dem 30. Juni endet, so tritt an die Stelle des 30. Juni der letzte Tag des maßgebenden Wirtschaftsjahrs. Der innere Grund für diese Regelung, die bereits im BewG 1925 enthalten war, ist folgender: Nach § 29 Abs. 2 Ziff. 3 BewG gehört zum landwirtschaftlichen Vermögen nur ein normaler Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln, während ein überbestand zum sonstigen Vermögen gerechnet wird (ß 67 Ziff. 7 BewG). In der Praxis wäre es sehr schwer, zum 1. Januar festzustellen, ob die bei einem landwirtschaftlichen Betrieb vorhandenen umlaufenden Betriebsmittel über das normale Maß hinausgehen oder nicht. Einwandfrei feststellen läßt sich dies nur zu einem Zeitpunkt, an dem der Landwirt normalerweise seine letzte Ernte verkauft und die neue Ernte noch nicht begonnen hat. Nach den Erfahrungen ist in den meisten Zweigen der Landwirtschaft der 30. Juni der geeignete Zeitpunkt.

Zwischen dem 30. Juni oder dem letzten Tag des maßgebenden Wirtschaftsjahrs einerseits und dem folgenden, für die Ermittlung des Gesamtvermögens maßgebenden Stichtag (1. Januar) andererseits können Verschiebungen von den umlaufenden Betriebsmitteln zu anderen Vermögensarten eintreten. Dem Gesetzgeber erschien es schon bei Erlaß des BewG 1925 erforderlich, für diese Fälle einen Ausgleich zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde auf Anregung des Reichstagsausschusses § 47 Abs. 1 Nr. 4 (die entsprechende, vorausgehende Vorschrift zu § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG 1934) in das BewG 1925 eingefügt. Im Ausschußbericht S. 19 ist darüber ausgeführt:

"Es könne vorkommen, daß bei Landwirten in der Zeit zwischen dem für den Umfang und die Bewertung der umlaufenden Betriebsmittel maßgebenden Tage (30. Juni) und dem für das sonstige Vermögen (Kapitalvermögen) maßgebenden Feststellungszeitpunkt (1. Januar) Verschiebungen zwischen dem landwirtschaftlichen und dem sonstigen Vermögen eintreten. So werde beispielsweise bei einem Landwirt, der seine Ernte vor dem 1. 1. noch nicht verkauft habe, die Ernte nicht eigens bewertet; sie sei im Werte des landwirtschaftlichen Betriebs mitenthalten. Ein anderer Landwirt, der seine Ernte vor dem 1. Januar bereits verkauft habe, würde den Erlös als Kapitalvermögen versteuern müssen. Diese Härte werde durch den Antrag Nr. 167 beseitigt."

Diese Ausführungen berücksichtigen nicht, daß die Vorschrift über die Bemessung des Umfangs der umlaufenden Betriebsmittel nach dem Stand vom 30. Juni (oder vom letzten Tag des maßgebenden Wirtschaftsjahrs) einem Landwirt auch die Möglichkeit gibt, zwischen dem 30. Juni und dem nachfolgenden 1. Januar Mittel aus anderen Vermögensarten zur Deckung von Betriebsausgaben zu verwenden und damit das übrige Vermögen zugunsten der umlaufenden Betriebsmittel zu verringern, ohne daß das landwirtschaftliche Vermögen entsprechend erhöht wird. Für einen solchen Fall (d. h. wenn die laufenden Betriebsausgaben die laufenden Betriebseinnahmen übersteigen) sieht das BewG keinen Ausgleich vor.

II. - Zur Frage des besonderen Abzugs bei Landwirten liegt eine grundlegende Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 398/27 vom 19. Dezember 1928 (Slg. Bd. 25 S. 17, RStBl. 1929 S. 165) vor. In dieser Entscheidung ist der Reichsfinanzhof zu dem Ergebnis gekommen, daß die Betriebseinnahme (jetzt als überschuß der laufenden Betriebseinnahmen über die laufenden Betriebsausgaben bezeichnet) abzugsfähig ist, ohne daß es darauf ankommt, wie die Einnahmen verwendet worden sind. Der Abzug sei insbesondere auch dann nicht ausgeschlossen, wenn und soweit die Einnahmen zur Lebenshaltung verbraucht worden seien. Zur Begründung seiner Auffassung hat der Reichsfinanzhof ausgeführt:

"Wort und Sinn von § 47 Abs. 1 Nr. 4 RBewG geben keinen Anhalt dafür, daß die Abzugsfähigkeit der Betriebseinnahmen irgendwie durch den Zweck bedingt sei, zu dem sie verwendet worden sind. Zur Klarstellung sei auch hier wieder von den Einnahmen aus der Ernte ausgegangen.

Ist die Ernte vom vorausgegangenen 30. Juni am 1. Januar noch da, so wird sie nicht bewertet. Der Landwirt, der sie am 1. Januar bereits verkauft hat, soll nicht schlechter gestellt werden. Deshalb darf er einen entsprechenden Abzug vom Gesamtvermögen machen. Die Einräumung des Abzugs geht von der zutreffenden Vorstellung aus, daß der Erlös aus der Ernte dem Gesamtvermögen irgendwie zugute gekommen ist. Es ist mehr an Gesamtvermögen da, als da wäre, wenn die Ernte nicht veräußert worden wäre. Das kann dadurch bewirkt sein, daß der Ernteerlös unmittelbar als Barmittel oder Geldforderung oder mittelbar in der Form von Anlagen oder Anschaffungen (Sparkassenguthaben, Wertpapiere, Hypothekenforderungen und sonstige Gegenstände) die Aktiven des auf den 1. Januar zu ermittelnden sonstigen Vermögens und so das Gesamtvermögen vermehrt hat. Oder es kann sich darin äußern, daß mit dem Erlöse Schulden abgetragen worden sind, so daß sich der Schuldenstand des Gesamtvermögens entsprechend vermindert hat. Ein Mehr an Gesamtvermögen kann sich aber auch daraus ergeben, daß der Pflichtige den Erlös der Ernte zu Zwecken der Lebenshaltung ganz oder zum Teil verbraucht hat. Denn hätte der Erlös der Ernte nicht zur Verfügung gestanden, so hätte er zur Lebenshaltung Mittel aus dem Gesamtvermögen verwenden oder vielleicht auch Schulden eingehen müssen. Das steuerbare Gesamtvermögen stellt sich also regelmäßig höher, als wenn die Ernte nicht verkauft worden wäre."

Diesen Ausführungen kann der Senat nicht in vollem Umfang beitreten. Im übrigen hat auch der Reichsfinanzhof selbst später zu einer Parallelvorschrift des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG, die ebenfalls den Ausgleich von Vermögensänderungen bei Zugrundelegung eines abweichenden Abschlußzeitpunkts zum Gegenstand hat, zunächst ähnliche Grundsätze wie im Urteil vom 19. Dezember 1928 aufgestellt, diese Grundsätze aber schließlich aufgegeben (siehe unten zu III). Es handelt sich um die Vorschrift des § 64 Ziff. 2 a BewG.

III. - Nach § 64 Ziff. 2 a BewG wird, wenn aus einem gewerblichen Betrieb, der regelmäßig seine jährlichen Abschlüsse nicht auf den Schluß des Kalenderjahrs, sondern auf einen anderen Tag macht, ein Wirtschaftsgut (ausgenommen Grundbesitz) ausgeschieden und dem übrigen Vermögen des Betriebsinhabers zugeführt wird, das Wirtschaftsgut zu behandelt, als wenn es im Feststellungszeitpunkt noch zum gewerblichen Betrieb gehörte. Zu dieser Vorschrift liegen drei bedeutsame Urteile des Reichsfinanzhofs vor:

In Urteil III 61, 62/39 vom 27. Juni 1940 (RStBl. 1940 S. 824) hat der Reichsfinanzhof hervorgehoben, die Vorschrift des § 64 Ziff. 2 a BewG wolle verhindern, daß ein in der Zeit zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt aus dem Betriebsvermögen in das übrige Vermögen überführtes Wirtschaftsgut zweimal, nämlich sowohl als Bestandteil des Betriebsvermögens als auch als Bestandteil des übrigen Vermögens, von der Vermögensteuer erfaßt werde. Es solle nur einmal, und zwar als Bestandteil des Betriebsvermögens, der Steuer unterliegen und bei der Ermittlung des Gesamtvermögens aus dem übrigen Vermögen ausgeschieden werden. Für diese Ausscheidung sei Voraussetzung, daß sich das Wirtschaftsgut oder sein Gegenwert am Feststellungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen befinde. Wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt verschenkt oder sonst ersatzlos verloren habe, komme keine doppelte Heranziehung desselben Wirtschaftsguts und damit auch keine Ausscheidung aus dem übrigen Vermögen in Frage. Trotz dieser Ausführungen hat der Reichsfinanzhof die Vorschrift des § 64 Ziff. 2 a BewG dann für anwendbar erklärt, wenn ein Steuerpflichtiger in der genannten Zeit Bargeld aus seinem Betriebsvermögen ausgeschieden und damit persönliche Einkommensteuer getilgt hat. Zur Begründung dieser Entscheidung hat er ausgeführt, in einem solchen Fall seien die dem Betriebsvermögen entnommenen Beträge zwar im übrigen Vermögen des Steuerpflichtigen nicht mehr vorhanden gewesen. Sie seien daraus aber nicht ersatzlos ausgeschieden. Vielmehr sei für sie ein Gegenwert dadurch geschaffen, daß Schulden, die auf dem übrigen Vermögen lasteten und sonst gemäß § 74 Abs. 1 Ziff. 1 BewG hätten abgezogen werden können, getilgt worden seien. Unter diesen Umständen sei es nach dem Sinn und Zweck des § 64 Ziff. 2 a BewG gerechtfertigt, den zur Tilgung der Schulden aufgewendeten Geldbetrag vom übrigen Vermögen abzusetzen oder, was auf dasselbe hinauslaufe, die Schulden als noch nicht getilgt zu behandeln.

Im Urteil III 4/41 vom 13. März 1941 (RStBl. 1941 S. 318) hat dann der Reichsfinanzhof - in übereinstimmung mit den im Urteil vom 27. Juni 1940 allgemein entwickelten Grundsätzen - entschieden, daß die Vorschrift des § 64 Ziff. 2 a BewG nicht anwendbar sei, wenn ein Steuerpflichtiger in der Zeit zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt seinem Betriebsvermögen Geld zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes entnommen habe.

In Urteil III 121/42 vom 6. Mai 1943 (RStBl. 1943 S. 606) hat der Reichsfinanzhof seine im Urteil vom 27. Juni 1940 vertretene Auffassung, daß die Anwendbarkeit des § 64 Ziff. 2 a BewG zu bejahen sei, wenn ein Steuerpflichtiger in der Zeit zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt Geld aus seinem Betriebsvermögen entnommen und damit Steuerschulden oder andere Schulden getilgt habe, aufgegeben; nach nochmaliger Prüfung ist er zu dem Ergebnis gekommen, daß die genannte Vorschrift nur anwendbar ist, wenn das entnommene Wirtschaftsgut selbst oder ein Ersatz dafür am Feststellungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen vorhanden ist.

IV. - Der Reichsfinanzhof hat seit dem zuletzt genannten Urteil vom 6. Mai 1943 über den Ausgleich von Vermögensverschiebungen bei gewerblichen Betrieben keine Gelegenheit gehabt, seine im Urteil vom 19. Dezember 1928 (oben Abschn. II) vertretene Auffassung über den besonderen Abzug bei Landwirten nochmals zu überprüfen. Bei der Einfügung der umstrittenen Vorschrift des § 47 Abs. 1 Nr. 4 in das BewG 1925 hatte der Gesetzgeber - das läßt sich nach der Ansicht des Senats aus dem Ausschußbericht ersehen - die Fälle im Auge, in denen durch Verkauf von umlaufenden Betriebsmitteln eine Erhöhung des übrigen Vermögens (in der Regel des sonstigen Vermögens) eines Landwirts eintritt, ohne daß diese Erhöhung durch eine Verminderung des landwirtschaftlichen Vermögens ausgeglichen wird. Um eine solche, für den Landwirt nachteilige Auswirkung des Verkaufs von umlaufenden Betriebsmitteln in der Zeit vom 30. Juni (oder vom letzten Tag des maßgebenden Wirtschaftsjahrs) bis zum folgenden 1. Januar zu vermeiden, ist der Abzug des Einnahmeüberschusses zugelassen worden. Wenn ein Landwirt den Einnahmeüberschuß bis zum Veranlagungszeitpunkt ohne Schaffung eines Gegenwerts verbraucht oder verschenkt, tritt gar keine Erhöhung des übrigen Vermögens im Veranlagungszeitpunkt ein. Dem Vorsteher des Finanzamts ist zuzugeben, daß in einem solchen Fall auch gar kein begründeter Anlaß zu einem Ausgleich besteht. Der Abzug führt - wie der Streitfall zeigt - dazu, daß ein Teil des landwirtschaftlichen Vermögens überhaupt nicht zur Vermögensteuer herangezogen wird. Darin sieht der Vorsteher mit Recht eine ungerechtfertigte Bevorzugung dieser Steuerpflichtigen. Dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG würde es mehr entsprechen, den Einnahmeüberschuß nur vom Rohvermögen abzuziehen, soweit nachweislich durch diesen eine Erhöhung des übrigen Vermögens eingetreten ist und die Erhöhung im Veranlagungszeitpunkt noch besteht. (Allerdings würde damit auch die in Abschn. I am Schluß erwähnte Ungereimtheit nicht beseitigt sein.)

In übereinstimmung mit der Vorinstanz sieht jedoch der Senat angesichts des klaren Wortlauts des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG hier keine Möglichkeit, den Abzug zu versagen. Es ist nach der gegenwärtigen Fassung des Gesetzes vielmehr davon auszugehen, daß der Gesetzgeber beabsichtigt hat, die Fragen des Abzugs aus § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG möglichst einfach zu gestalten. Im Fall des § 64 Ziff. 2 a BewG (oben Abschn. III) stand der Wortlaut der Vorschrift einer Auslegung, wie sie in den Urteilen vom 27. Juni 1940, 13. März 1941 und 6. Mai 1943 enthalten ist, nicht entgegen. Auch in den Vermögensteuer-Richtlinien 1949 (Abschn. 120 Abs. 8) wird die Auffassung vertreten, es komme für den Abzug lediglich darauf an, daß die laufenden Betriebseinnahmen die laufenden Betriebsausgaben überstiegen hätten, und es sei nicht erforderlich, daß der überschuß am Veranlagungszeitpunkt in Werten irgendwelcher Art noch vorhanden sei. Der Senat muß daher die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückweisen.

Ermittlung und Höhe des Einnahmeüberschusses sind nicht streitig. Das Finanzamt hat sich vorbehalten, im Rahmen einer späteren Betriebsprüfung die Ansätze im einzelnen zu prüfen. Hierbei wird es darauf achten müssen, daß bei der Errechnung des Einnahmeüberschusses nur echte laufende Betriebseinnahmen und nur echte laufende Betriebsausgaben im Sinne des § 74 Abs. 1 Ziff. 3 BewG angesetzt werden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 309 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408291

BStBl III 1955, 360

BFHE 1956, 421

BFHE 61, 421

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