Entscheidungsstichwort (Thema)

Mietvertrag zwischen Angehörigen: geringfügige Abweichung vom Fremdvergleich unschädlich, Änderung der Rechtsprechung, Geschwister bzw. Verschwägerte als nahe Angehörige, Maßgeblichkeit der Gesamtumstände, Anerkennung trotz unregelmäßiger Zahlungsweise, Nachweispflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen des Fremdvergleichs ist maßgebend für die Beurteilung eines Mietvertrags zwischen Angehörigen (hier: Verschwägerten) die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Dabei kann einzelnen dieser Beweisanzeichen eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus.

 

Orientierungssatz

1. An den Nachweis, daß es sich um ein ernsthaftes Vertragsverhältnis zwischen nahen Angehörigen --zu denen auch Geschwister und Verschwägerte gehören-- handelt, sind um so strengere Anforderungen zu stellen, je mehr die Umstände auf eine private Veranlassung hindeuten (vgl. BFH-Rechtsprechung zu Verträgen zwischen Angehörigen, insbesondere zu Mietverträgen und zum Fremdvergleich).

2. Soweit die bisherige Rechtsprechung des IX. Senats des BFH zu Mietverträgen zwischen nahen Angehörigen den Schluß erlaubt, daß schon eine geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen für sich allein stets zur Nichtanerkennung eines Mietverhältnisses führen kann, hält der Senat daran mit Rücksicht auf die BVerfG-Rechtsprechung nicht mehr fest (im Streitfall: Anerkennung eines Mietverhältnisses mit der alleinstehenden Schwägerin, die ihren Hauptwohnsitz am Ort der auswärtigen Arbeitsstelle hatte und die Miete bar und teilweise unregelmäßig bezahlte).

 

Normenkette

EStG § 12 Nr. 1, § 21 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben 1983 zu gleichen Anteilen ein Einfamilienhaus, das sie durch Ausbau des Dachgeschosses zu einem Zweifamilienhaus umbauten.

Mit Vertrag vom 12. Februar 1984 vermietete der Kläger --zugleich als Hausverwalter-- die Dachgeschoßwohnung an seine Schwägerin, Frau W. Diese hatte ihren Hauptwohnsitz in Schleswig-Holstein und seit März 1984 ihren Zweitwohnsitz in P, im Hause der Kläger. Die Kaltmiete sollte 294 DM betragen. Hinsichtlich der Betriebs- und Heizungskosten bestimmt § 3 des Vertrages: "Anteilig bei Anfall. Der Vermieter kann ggf. auch eine angemessene monatliche Vorauszahlung erheben." § 6 des Vertrages bestimmt u.a.: "Bei Einkauf von Heizöl ist ein Anteil entsprechend dem Verhältnis der qm des Hauses zu zahlen." Die Miete sollte spätestens am 3.Werktag des Monats auf ein Bankkonto der Kläger gezahlt werden. Nach Auflösung des Kontos im Jahre 1984 einigten sich die Beteiligten auf Barzahlungen. Die Miete wurde entweder an die Klägerin oder an den Kläger gezahlt. Lediglich bei Zahlungen an den Kläger wurden Quittungen ausgestellt. Die Zahlungen erfolgten unregelmäßig, meistens für mehrere Monate im voraus. Von den im Jahr 1988 angefallenen Heizkosten zahlte Frau W lediglich 250 DM; die frühere mietvertragliche Regelung sei mündlich geändert worden.

Für das Streitjahr 1988 machten die Kläger einen Überschuß der Werbungskosten über die Einnahmen bei Vermietung und Verpachtung in Höhe von 26 296 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte den geltend gemachten Werbungskostenüberschuß nicht, weil das Mietverhältnis mangels tatsächlicher Durchführung des Vereinbarten steuerlich nicht anzuerkennen sei.

Nach vergeblichem Einspruch erhoben die Kläger Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1988 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung einen Werbungskostenüberschuß von 26 396 DM berücksichtigt.

1. Grundsätzlich ist der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus seit 1987 nicht mehr bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen (§§ 21 Abs.2, 52 Abs.21 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- 1987), es sei denn, die andere Wohnung war sowohl 1986 als auch im Streitjahr --hier 1988-- vermietet (§ 52 Abs.21 Satz 2 EStG 1987).

Die Einliegerwohnung wurde 1984 durch schriftlichen Vertrag an Frau W vermietet. Der Senat geht mit dem FG davon aus, daß beide Kläger Vermieter der Wohnung sind; denn der Kläger hat als Verwalter den Vertrag auch für die Klägerin abgeschlossen. Der Vertrag allein reicht jedoch nicht aus für die Annahme, diese Wohnung sei 1986 und im Streitjahr i.S. des § 21 Abs.1 Nr.1 (§ 21a Abs.1 Nr.1) EStG vermietet gewesen.

Zwar steht es Angehörigen frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander so zu gestalten, daß sie steuerlich möglichst günstig sind; dies gilt auch im Verhältnis von Geschwistern untereinander und zu Schwägern. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Verträge unter nahen Angehörigen der Besteuerung jedoch nur dann zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (z.B. BFH-Urteile vom 28. März 1995 IX R 47/93, BFHE 177, 416, BStBl II 1996, 59, zu 2., und vom 13. Dezember 1995 X R 261/93, BFHE 179, 350, BStBl II 1996, 180). Das gilt auch für Mietverträge (BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75, und vom 7. Juni 1994 IX R 121/92, BFH/NV 1995, 112). Nahe Angehörigen in diesem Sinne können auch Geschwister (BFH-Urteile vom 21. Februar 1974 IV R 94/70, nicht veröffentlicht --NV--, betreffend Arbeitsverhältnis, und vom 21. November 1967 I 110/65, NV, betreffend Mietverhältnis) und Verschwägerte sein (BFH-Urteil vom 8. Oktober 1976 VI R 51/74, NV; einschränkend hinsichtlich der vertraglichen Beziehungen innerhalb einer Familienpersonengesellschaft BFH-Urteil vom 22. Juli 1981 I R 54/79, insoweit NV). Dieser sog. Fremdvergleich dient der Feststellung, ob der zu beurteilende Sachverhalt dem privaten Bereich oder dem Bereich der Einkunftserzielung (hier gemäß § 21 Abs.1 Nr.1 EStG) zuzuordnen ist (BFH-Beschluß vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, 571, BStBl II 1990, 160).

Diesen Grundsätzen liegt die Überlegung zugrunde, daß bei Rechtsverhältnissen zwischen fremden Dritten der natürliche Interessengegensatz im Regelfall dazu führt, daß die getroffenen Vereinbarungen tatsächlich die Erzielung von Einkünften betreffen und nicht privaten Charakter haben (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VII R 290/82, BFHE 163, 423, 429, BStBl II 1991, 391, sowie Beschluß vom 8. Februar 1995 X S 7/84, BFH/NV 1995, 782).

Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten (BFH-Beschluß in BFHE 158, 563, 571, BStBl II 1990, 160; BFH-Urteil vom 22. März 1994 IX R 78/92, BFH/NV 1995, 99, 2. c; vgl. auch BFH-Urteil vom 7. September 1995 III R 24/91, BFH/NV 1996, 320, betr. Ehegatten-Arbeitsverhältnis). Dabei kann einzelnen dieser Beweisanzeichen je nach Lage des Falles im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838, bezüglich Darlehensverhältnis zu Eltern; vgl. neuerdings auch Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34, und vom 9. Januar 1996 2 BvR 796/91, zu B I 1). Dabei sind an den Nachweis, daß es sich um ein ernsthaftes Vertragsverhältnis handelt, um so strengere Anforderungen zu stellen, je mehr die Umstände auf eine private Veranlassung hindeuten. Soweit die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats zu Mietverträgen zwischen nahen Angehörigen den Schluß erlaubt, daß schon eine geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen für sich allein stets zur Nichtanerkennung eines Mietverhältnisses führen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834), hält der Senat daran mit Rücksicht auf die Beschlüsse des BVerfG nicht mehr fest.

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Beurteilung des FG, das zwischen den Klägern und Frau W vereinbarte Mietverhältnis sei sowohl für das Jahr 1986 als auch für das Streitjahr steuerrechtlich anzuerkennen, weil es ernsthaft vereinbart und auch tatsächlich durchgeführt worden ist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Nach den vom FA nicht angefochtenen und damit den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen (vgl. § 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) des FG hatte Frau W, die alleinstehend ist, ein eigenes persönliches Interesse am Anmieten der Wohnung. So hatte sie trotz ihrer beruflichen Tätigkeit, der Altenbetreuung in X, weiterhin enge familiäre und freundschaftliche Beziehungen zu Personen im Rheinland. An ihrem Hauptwohnsitz hatte sie nur eine Dienstwohnung. Der Streitfall ist nicht dem vom Senat durch Urteil vom 14. Januar 1992 IX R 33/89 (BFHE 167, 55, BStBl II 1992, 549) entschiedenen Sachverhalt vergleichbar. Nach den bindenden Feststellungen des FG war es Frau W trotz ihrer beruflichen Tätigkeit am Hauptwohnsitz möglich, die überwiegend von ihr eingerichtete und ihr jederzeit zur Verfügung stehende Wohnung häufig und teilweise sogar über einen längeren Zeitraum hinweg eigenständig und nicht nur im Rahmen von Besuchen bei den Klägern zu nutzen. Die Miete hat Frau W erst ab dem Zeitpunkt bar entrichtet, zu dem das Konto der Kläger, auf das sie die Miete zuvor überwiesen hatte, aufgehoben worden war. Das FG hat darüber hinaus festgestellt, daß die Kläger die Wohnung an fremde Dritte vermietet hätten, wenn nicht Frau W ihr Interesse an der Wohnung bekundet hätte; auch insoweit hat das FA keine Verfahrensrügen erhoben.

b) Wenn das FG der teilweise unregelmäßigen Zahlung der Miete wegen der im übrigen gegebenen Sachlage nicht eine entscheidende Bedeutung beigemessen und daraus nicht den Schluß gezogen hat, die Kläger hätten im Einvernehmen mit Frau W ihre Vertragsverhältnisse abweichend vom wirklichen Rechtsgrund zu Lasten des Steuergläubigers gestalten wollen (vgl. BFH-Beschluß in BFH/NV 1995, 782), so ist dies nicht zu beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Frau W die Miete ursprünglich überwiesen und später mit Rücksicht auf ihre nur zeitweilige Anwesenheit überwiegend vorschüssig gezahlt hat. Entsprechendes gilt hinsichtlich der späteren Änderungen in bezug auf die Nebenkosten.

Daß Frau W die Miete nicht gezahlt hat und daß die Kläger die Wohnung in der Abwesenheit von Frau W zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben, hat das FA selbst nicht behauptet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66102

BFH/NV 1996, 284

BStBl II 1997, 196

BFHE 180, 377

BFHE 1997, 377

BB 1996, 1820 (Leitsatz)

BB 1996, 2391

DB 1996, 1755-1757 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1996, 1359-1360 (Kurzwiedergabe)

DStZ 1997, 54-55 (Kurzwiedergabe)

HFR 1996, 659 (Leitsatz)

StE 1996, 559 (Kurzwiedergabe)

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